
Grundsätzlich ja, aber erst mal auf so kleinem Raum wie möglich: Fast auf den Tag genau vor 50 Jahren legte der Stadtrat den Grundstein für die Einrichtung einer Fußgängerzone in Kitzingen. Doch es sollte dauern, bis die Autos wirklich aus dem Herzen der Stadt verschwanden.

"Generalverkehrsplan kein Stück Papier mehr", titelte die Zeitung am 20. September 1973. Mit der Einrichtung einer Fußgängerzone sollte es daran gehen, einen ersten Punkt der Verkehrsplanung umzusetzen. Wobei die Verantwortlichen die Sache eher vorsichtig angingen und lieber mal mit einer Zone "auf Probe" anfangen wollten: Am "langen Samstag", 8. Dezember, sollte es "erste Gehversuche mit der geplanten Fußgängerzone geben", entschieden die Stadträte kurz nach ihrem Grundsatzbeschluss. Die Stadt werde sich an diesem Tag "zur Abwechslung von ihrer fußgängerfreundlichen Seite zeigen".
In der Kitzinger Altstadt herrschten damals chaotische Verhältnisse
Ein Satz, der ebenso wie Fotos dicht an dicht fahrender und parkender Autos auf und rund um den Marktplatz eine Vorstellung davon gibt, wie es damals im Herzen der Kitzinger Altstadt zuging. Die Verkehrssituation in der "Schnalle", der Verbindung von der Markt- zur Kaiserstraße zwischen Rathaus und Marktturm, war so prekär, dass man ernsthaft darüber nachdachte, die Rathaushalle als Passage für Fußgänger einzurichten. Der Weg an der Straße entlang sei nämlich, so hieß es, "eine unmögliche Misere".
Auch Thomas F.M. Müller, der 1976/77 an der TU Berlin eine Diplomarbeit über die "Untersuchung zur Einrichtung einer Fußgängerzone in Kitzingen am Main" verfasste, stellte fest, dass das Fußwegenetz in der Altstadt "überwiegend fußgängerunfreundlich" sei.

Dass ausgerechnet in der Vorweihnachtszeit ein Probelauf für eine Fußgängerzone stattfinden sollte, gefiel nicht allen Geschäftsleuten. Da werde "der motorisierte Kunde die Mainstadt womöglich völlig meiden", so die Befürchtung. Der damalige Oberbürgermeister zog zwar nach dem Probetag ein positives Resümee, doch der Vorschlag, danach gleich einen zweiten Probetag festzulegen, setzte sich nicht durch, unter anderem mit der Begründung, es fehle an Ersatzparkplätzen. Die Idee einer Fußgängerzone für Kitzingen verschwand erst mal in der Schublade.

Ab und an wurde das Thema in den folgenden Jahren angesprochen, aber erst 1980 tauchte es wieder ernsthaft auf. Ein "Stück Idylle" solle sie bringen, die Fußgängerzone, hieß es damals. Wobei man sich über die Größe lange nicht einig war. Ein Hin und Her, ähnlich wie viele Jahre später bei der Verkehrsführung über die Alte Mainbrücke.

Zwei Jahre lang wurde debattiert, bis sich im Stadtrat zunächst eine "kleine Lösung" durchsetzte. Unter anderem wegen der Befürchtung, eine zu große Fußgängerzone könne nachts "veröden". Die Autos sollten erst mal nur vom Marktplatz direkt verschwinden, so der Beschluss im April 1982, und auch das nur auf Probe, für maximal drei Monate.
Große Lösung oder die Stadt mit der kleinsten Fußgängerzone?

Die Mini-Lösung, nur knapp 50 Meter lang, hielten aber weder Anwohner noch die Bürger für eine gute Idee. Daraufhin wurde doch die "große Lösung" mit Marktplatz und der gesamten Oberen und Unteren Marktstraße über mehrere Monate getestet. Um dann festzustellen, dass sich viele Bürger "massiv" gegen die große Lösung ausgesprochen hätten. Eine Mini-Zone sei vielleicht doch die bessere Lösung, so der Tenor daraufhin. Franz Böhm meinte im Oktober im Stadtrat, wenn es endgültig dabei bleibe, werde Kitzingen wohl ins Guinness-Buch der Rekorde kommen: als Stadt mit der kleinsten Fußgängerzone.

Anfang April 1983 folgte tatsächlich als "Entscheidung mit großer Tragweite" der Beschluss, den Inneren Markt als Fußgängerzone auszuweisen. Jene Mini-Lösung, mit der sich die Stadt nach Meinung einiger Stadträte lächerlich machte. Aber zugleich auch der Einstieg in eine Salami-Taktik. "Die große Lösung kommt so sicher wie das Amen in der Kirche", sagte OB Rudolf Schardt damals. Und er sollte Recht behalten.

Schon im Dezember des gleichen Jahres wurde die erste Erweiterung beschlossen. Die "Schnalle" und die Obere Marktstraße wurden zur Fußgängerzone, Untere Marktstraße, Obere Kirchgasse und Kirchplatz zur verkehrsberuhigten Zone. Später wurde die Untere Marktstraße einbezogen, und seit September 1991 dürfen auch durch die Schweizergasse und die Herrnstraße keine Autos mehr fahren. Was vor 50 Jahren als fortschrittliche Idee angegangen wurde, ist längst zur Selbstverständlichkeit geworden.
