Sie kommen von überall aus Deutschland her, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Chorprojekt St. Veit in Iphofen. Aus dem Landkreis Kitzingen, Würzburg, Tübingen, München, Friedrichsdorf, Berlin. Weite Wege nehmen sie auf sich, um Teil zu sein bei einem außergewöhnlichen Projekt: eineinhalb Wochen intensive Proben für "Ein deutsches Requiem" von Johannes Brahms, gefördert durch viele Sponsoren.
Christel Hüttner hat den Chor intensiv vorbereitet, ganz aus ihrer langen Tätigkeit und Erfahrung als Kirchenmusikerin schöpfend. Ungefähr 60 Sängerinnen und Sänger hat sie um sich versammelt. Insgesamt ist der Chorklang ausgeglichen, über einem sehr guten Fundament der Bässe und warmen Altstimmen heben sich die Tenöre und die hellen, jugendlich frischen Soprane hervor.
Hüttner hat für diesen Abend die von Heinrich Poos bearbeitete Fassung für zwei Klaviere und Pauken gewählt. Was am Anfang wie eine Sparversion aussieht, wird gleich zum Gewinn: Es entsteht ein filigraner Klang, der dem Chor eine größere Durchschlagskraft erlaubt. Michaela Schlotter und Rudolf Ramming spielen die beiden Seiler-Flügel sehr präzise und in großer Harmonie.
Satte, volltönende Akkorde tragen den Chor, perlende Läufe heben sich fein bis hoch ins Kirchenschiff, malen den Schrecken über die Vergänglichkeit des Menschen mahnend in den Raum. Scharfe Klänge vertiefen die Aussage wie bei: "Siehe, meine Tage sind einer Hand breit vor dir".
Projektchor hat sich in kurzer Zeit kleinste Detail des schwierigen Werks erarbeitet
Gergana Fasseva-Verna an den Pauken bringt noch einmal eine ganz andere Dimension mit in die Kirche. Von dumpf bis fordernd, auch schneidend mahnt das Pochen an die Flüchtigkeit des Daseins, wecken die Schläge eine tiefe Angst vor den Abgründen, die sich nach dem Tod auftun könnten.
Erstaunlich ist, wie der Projektchor in so kurzer Zeit zu einem homogenen Klangkörper gewachsen ist, der weitgehend sauber, wach und flexibel auf das Dirigat von Hüttner reagiert. Sie hat in akribischen stundenlangen Proben auch das kleinste Detail dieses schwierigen Werkes mit dem Chor erarbeitet, hat ihre Interpretation zu einer musikalischen Predigt über Trauer und Trost werden lassen.
Der Chor folgt ihr gerne, kann bei "Die Erlöseten des Herrn werden wiederkommen" auftrumpfen, die "ewige Freude" wahrhaftig in der Kirche wirken lassen und von bedrückenden, fahlen Momenten im Piano zu jubelnden Passagen wechseln – eine große, tiefgründig gearbeitete und ebenso tief anrührende Leistung.
Die Solisten sind im Wechsel mit dem Chor eingesetzt. Brahms verlangt vom Solobariton einerseits einen großen Umfang, andererseits einen intensiven Gestaltungswillen. Bariton Uwe Schenker-Primus füllt die Kirche mit seiner vollen und warmen Stimme und singt mit teils flehentlich leisen, aber auch aufbegehrenden Stellen im Forte Klagegebet und Prophezeiung des Jüngsten Gerichts sehr ergreifend.
Publikum reagiert gerührt und spendet begeistert Applaus
Sopranistin Jana Baumeister hat die ideale Stimme für die große Arie, in der sie wie ein Engel aus der Ferne Trost spendet: "Ihr habt nun Traurigkeit; aber ich will euch wieder sehen…". Völlig schwerelos, klar und ruhig auf dem Atem flutend, kommt ihre herrliche Stimme wie ein Segen aus anderen Sphären auf die Zuhörer herab. Souverän spielt sie mit den Farben, lässt ihren Sopran in der Höhe warm und tröstend aufblühen und vermittelt selbst im kaum noch hörbaren Pianissimo Trost. So manch einem Zuhörer und auch Chormitgliedern kommen da die Tränen.
Und so endet ein Projekt, wie es enden soll: Tief berührte Zuhörer spenden langen, begeisterten und stehenden Applaus. Die erschöpften Sängerinnen und Sänger sind glücklich und feiern mit den Mitwirkenden und allen, die mit ihrem organisatorischen Wirken alles erst ermöglicht haben, vor allem Erna Anderl-Fröhlich, einen wohlverdienten Abschlussabend und genießen "die köstliche Frucht der Erde".