Seit 1921, also seit 102 Jahren, besteht der Casteller Männergesangverein. Dieser Tage wird das 100-Jährige nachgeholt, das 2021 wegen der Pandemie ausfallen musste. Passend mit einem Liederabend am Samstag, 8. Juli, zu dem der Verein Gäste aus Eibelstadt, Schwebheim und Zeilitzheim eingeladen hat. Beginn ist um 18 Uhr im Schlosspark.
Im Vorfeld dazu probten die Gastgeber fleißig. Chorleiterin Michaela Kaul bescheinigte ihren Herren großen Eifer. "Sie machen alle prima mit, da gibt es keine Probleme, sie singen leidenschaftlich und gut", so die ausgebildete Musikerin. Michaela Kaul ist die einzige Frau, seit September vergangenen Jahres ist sie Leiterin des Chores.
Von der Aushilfe zur Dauerlösung
Sie kannte den Casteller Klangkörper bereits, singt doch ihr Mann Jürgen dort mit. Aushelfen für eine gewisse Zeit wollte Michaela Kaul zunächst, jetzt wird sie länger bleiben. "Mir macht es wirklich Spaß", schilderte die Musikerin, die außerdem zwei weitere gemischte Chöre leitet.
In Castell dirigiert sie die Männer. Der Klangkörper besteht aus 14 Aktiven, die jede Woche montags zur Singstunde ins Gemeindehaus kommen. Beim Proben fehlt so gut wie nie ein Sänger, die zwischen 48 und 88 Jahre alt sind. Aktuell beträgt das Durchschnittsalter stattliche 71 Jahre.
Ältestes Chormitglied ist Johannes Gernert mit 88 Jahren. Seit 1961 ist der Senior mit dabei. Er war lange Zeit Leiter, in den goldenen Jahren Anfang der Siebziger, als der Chor bis zu 43 aktive Sänger hatte. "Wenn wir heute die Hälfte hätten, das wäre schon was", meinte Gernert.
Zwar wollen die Augen nicht mehr so, doch Gernert verlässt sich auf sein Gefühl für die Musik. "Ich kann keine Noten mehr lesen, oder Orgel spielen. Aber das Singen möchte ich nicht missen, das macht mir heute noch Spaß."
Beim Treffen mit den Sängerkollegen Erhard Renz, Franz Schuster, Georg Schwarz und Helmut Kaul überlegte die Runde, warum es so schwierig ist, heutzutage Jüngere zum Singen im Chor zu begeistern. Ein Punkt: Es gebe einfach zu viel andere Ablenkungen, wie etwa das Internet. "Die Leute sind mobiler, sie fahren dorthin, wo ihr Hobby ist. Früher hat man das gemacht, was vor Ort war", forschte Michaela Kaul mit nach Ursachen.
Keine Brunnen vor dem Tore mehr
In den Schulen würden keine Volkslieder mehr gesungen, warf Franz Schuster als weiteren Punkt ein. Das traditionelle Liedgut sei einfach nicht mehr gefragt. "Heute lockt man mit 'Am Brunnen vor dem Tore' doch keinen mehr. Es muss mehr rhythmisch sein", meinte Johannes Gernert.
Welche Zukunft ihr Chor in Castell habe, der erst 2021 die Zelter-Plakette für "Verdienste um den Deutschen Männergesang" bekam? Da brauche man sich nichts vorzumachen, das werde schwierig, zeigte sich mit Erhard Renz der Ehrenvorsitzende realistisch. Zwar spreche man mögliche Kandidaten an, meist aber vergebens. Frischer Wind täte dem Verein gut, auch im Vorstand, gab Franz Schuster zu bedenken.
Die Frage nach dem Überleben
Welche Möglichkeiten gebe es für den Chor, in Zukunft zu überleben? Sich mit Sängern aus anderen Gemeinden zusammen tun, sei nicht einfach. Ob man Frauen mit aufnehmen solle? Das sei in der über 100-jährigen Geschichte nie Thema gewesen, dafür bestehe in Castell der Kirchenchor, den auch Michaela Kaul leitet.
Jetzt steht erst einmal der Liederabend zum Jubiläum an, auf den sich die Männer schon einmal einstimmten. Zehn Stücke umfasst das eigene, bis zu vierstimmige Repertoire. Ein spontanes Liedchen beim Pressetermin war kein Problem und diente als Vorgeschmack.