
Seit Generationen ist in Astheim ein alter Brauch lebendig. Es handelt sich um das so genannte "Neujahrsschreien." Folgendes hat es damit auf sich: Am Morgen des Neujahrstages treffen sich Kinder und Jugendliche, um gemeinsam durch den Ort zu ziehen. Sie klingeln an den Haustüren und sprechen den Bewohnern Glück und den Segen Gottes für das neue Jahr zu. In Astheim lautet der altbekannte Spruchvers: "Wir wünschen, wir wünschen ein glückseliges neues Jahr!"
Die Astheimer Bürger freuen sich in der Regel über den Besuch. Sie honorieren die guten Wünsche in Form von Kleingeld oder Süßigkeiten. In Astheim werden traditionell Geldmünzen an jedes einzelne Kind verteilt. Manche Hausbewohner, die gerade kein Kleingeld parat haben, übergeben der Gruppe eine einheitliche Spende. Diese Beträge sowie die Süßigkeiten werden am Abend nach der Aktion zwischen allen gerecht aufgeteilt.
Der Brauch des "Neujahrschreiens" ist nur noch in wenigen Ortschaften erhalten. Außer in Astheim wird er zum Beispiel in Kirchschönbach praktiziert: Dort allerdings gehen die Kinder nicht geschlossen, sondern aufgeteilt in Gruppen durch den Ort. Außerdem verwenden sie einen anderen Spruch.
Die historischen Wurzeln des "Neujahrsschreiens" sind nicht vollständig geklärt. Einer Theorie zufolge war es in früheren Zeiten für ärmere Kinder eine Möglichkeit, ihr karges Auskommen ein wenig aufzubessern: In diesem Zusammenhang sei auf den bekannten Roman "Krabat" von Otfried Preußler verwiesen, der im 17. Jahrhundert spielt: Krabat und andere Waisenjungen ziehen in der Neujahrszeit als Heilige Drei Könige verkleidet durch die Lausitz (Sachsen) und wünschen den Menschen mit einem Liedvers Glück und Gottes Segen. Zum Dank erhalten sie als Gegenleistung Nahrungsmittel, die ihnen ganz konkret das Überleben sichern.
Die Astheimer Kinder sind - Gott sei Dank - nicht mehr zum Überleben auf das "Neujahrsschreien" angewiesen. Trotzdem haben sie sich über das Geld und die Süßigkeiten gefreut. Wenn sie im nächsten Jahr wieder so zahlreich dabei sind, sind wir Astheimer(innen) durchaus ein wenig stolz, dass in unserem Ort dieser alte und schöne Brauch auch im 21. Jahrhundert noch lebendig ist.
Von: Uli Binzenhöfer (1. Vorsitzender, Gemeindeteam der katholischen Pfarrei St. Johannes, Astheim)