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Kitzingen
"Du eingeschlafen?" Warum sich der Vorwurf des Sekundenschlafs gegen einen 64-jährigen Unfallfahrer nicht halten lässt
Ein Autofahrer rast auf der Autobahn ungebremst unter einen Lkw. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, am Steuer eingeschlafen zu sein. Doch die Anklage hat einen Haken.
Ein Unfall am frühen Morgen auf der Autobahn brachte einen Autofahrer vor Gericht. Er war ungebremst auf einen Lkw geprallt (Symbolbild). 
Foto: Monika Skolimowska (ZB) | Ein Unfall am frühen Morgen auf der Autobahn brachte einen Autofahrer vor Gericht. Er war ungebremst auf einen Lkw geprallt (Symbolbild). 
Sigfried Sebelka
Siegfried Sebelka
 |  aktualisiert: 08.02.2024 14:43 Uhr

Der Mann hat einen schweren Unfall verursacht. Am Morgen des 17. September 2021 prallte der 64-Jährige auf der Autobahn bei Biebelried mit seinem Wagen ungebremst auf einen Sattelzug. Sein Auto wurde total zerstört, er selbst erheblich verletzt. Am Laster entstand ein Schaden von fast 8000 Euro. Das alles ist unbestritten. Offen ist die Frage nach der Ursache. Drei Verhandlungen waren dafür vor dem Amtsgericht Kitzingen angesetzt.

Die Anklage ging davon aus, dass Sekundenschlaf der Auslöser war. Mit etwa 140 km/h war der Mann ohne zu bremsen in einen rechts von ihm fahrenden Lastwagen geknallt. Der Vorwurf: Der Mann hätte vor dem Aussetzer erkennen müssen, dass er übermüdet war, und er hätte handeln müssen. Das habe er unterlassen. Damit sah er sich mit dem Vorwurf der fahrlässigen Gefährdung des Straßenverkehrs konfrontiert, einer Straftat mit empfindlichen Folgen.

Der lettische Lkw-Fahrer taucht vor Gericht nicht auf

Die Anklage stützte sich auf Aussagen von Zeugen unmittelbar nach dem Unfall. Polizisten gegenüber soll der Fahrer einen Sekundenschlaf nicht ausgeschlossen haben. Allerdings fasste einer das Ergebnis der Befragung so zusammen: "Die Aussagen waren feststellend oder vermutend, es war aber kein: Ich bin eingeschlafen." Und da war der Lasterfahrer: Der Lette soll den gerade aus dem völlig zerstörten Auto gekletterten Fahrer mit der Frage konfrontiert haben "Du eingeschlafen?" Der soll das wohl zumindest nicht verneint haben. Eine Bestätigung dafür gab es in der Verhandlung nicht: Der Zeuge fehlte.

Vor Gericht wollte der 64-Jährige von Sekundenschlaf nichts wissen. Er sei nach dem Unfall "völlig daneben" gewesen, sagte er. Die Version mit dem Sekundenschlaf sei ihm wohl eingeredet worden, nicht zuletzt durch den Lkw-Fahrer. Er selbst habe keinerlei gesundheitliche Probleme, lasse sich regelmäßig checken. An besagtem Tag wollte der passionierte Jäger in den Jagdurlaub nach Tschechien fahren. Er sei ganz normal um 22 Uhr ins Bett gegangen, um 5 Uhr aufgestanden und losgefahren. Sein Sohn bestätigte das und bezeichnete den Vater zu dem Zeitpunkt als fit und gut gelaunt. "Er hat sich auf den Urlaub gefreut."

Damit war das Gericht gefragt, und die Richterin schlug gleich mehrfach die Einstellung des Verfahrens vor – gegen eine Geldauflage von 3000 Euro. Zweimal lehnte die Staatsanwaltschaft ab. Sie wollte unbedingt den Lkw-Fahrer als Zeugen. Als der auch beim dritten Versuch nicht erschien, war die Einstellung plötzlich wieder Thema.

Die Staatsanwältin stimmt einer Einstellung nun doch zu

Die Richterin fasste noch einmal zusammen: Der Angeklagte habe Glück gehabt, dass er mit dem Leben davon gekommen sei. "Er ist im Prinzip der einzige Geschädigte", sagte Ingrid Johann. Der Schaden am Lkw sei reguliert. Zudem sei der 64-Jährige nicht vorbestraft, habe nicht einmal einen Eintrag im Fahreignungsregister. Das alles spreche für eine Einstellung. Diesmal war die Staatsanwältin dabei, auch weil sie in den Angaben der Zeugen keine klaren Aussagen, sondern eher "relativierende Vermutungen" sah.

14 Monate nach dem Crash stellte Johann das Verfahren gegen eine Auflage von 3000 Euro ein. Das ist exakt der Betrag (50 Tagessätzen zu 60 Euro), der im Strafbefehl gestanden hatte. Weil darin auch der Entzug der Fahrerlaubnis zu finden ist, gab es einen Einspruch. Erst deshalb war es zu dem Verfahren mit mehreren Anläufen gekommen. "Das lange Verfahren hat meinen Mandanten enorm belastet", sagte der Verteidiger. Diese Last ist er los. Sobald die 3000 Euro an das Rote Kreuz überwiesen sind, ist die Sache vom Tisch.

 
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