
Für den Beamten der Biebelrieder Autobahnpolizei war es ein ruhiger Vormittag gewesen. Bei Hörblach hatte er fünf Stunden lang an der B 22 in einer 60er-Zone gestanden, um aus dem Auto heraus die Raser zu blitzen. 15 "Porträts" waren bei der Radarkontrolle zusammengekommen. Bei einer ersten Auswertung noch vor Ort im Auto hupte es plötzlich. Was gar nicht so selten vorkommt, weil die von ihm öfter erwischte "Stammkundschaft" auf diese Weise gerne mal grüßt, wie der Polizist dem Gericht erzählt. Weil es in diesem Fall etwas kräftiger und länger hupte, schaute der Polizeihauptmeister aus dem Autofenster – und blickte direkt auf einen ausgestreckten Mittelfinger.
Der Huper und Mittelfingerzeiger ist ein 36-jähriger Berufskraftfahrer. Weil sich der Polizist das Kennzeichen merkt und sofort ein Gedächtnisprotokoll anfertigt, kommt man dem Rüpel schnell auf die Spur. Wenig später wird dem Mann ein Strafbefehl zugeschickt. 1400 Euro soll er für die Beleidigung bezahlen, der Betrag setzt sich aus 20 Tagessätzen zu je 70 Euro zusammen. Weil der Kraftfahrer das nicht einsieht, legt er Einspruch ein – und die Sache landet vor der Kitzinger Strafrichterin.
Den Daumen statt den Mittelfinger gezeigt?
Bei der Verhandlung versucht der Angeklagte alles, um ungeschoren davonzukommen. Einlassung Nummer eins geht so: Er habe gar nicht den Mittelfinger gezeigt, sondern den Daumen. Als positives Signal: "Weil ich es super finde, dass so viel kontrolliert wird!" Einlassung Nummer zwei: Er habe "einen Bekannten grüßen" wollen, der hinter ihm gefahren sei. Und schließlich, in seinem Schlusswort, liefert der 36-Jährige eine ganz neue Version: "Ich bin da gar nicht gefahren!"
Geglaubt wird ihm zu diesem Zeitpunkt schon lange nicht mehr. Zum einen wegen der Aussage des Polizisten. Er habe "direkten Blickkontakt" gehabt, und an dem Mittelfinger bestehe kein Zweifel: "Es war klar, wer gemeint war!" Zum anderen macht sich der Angeklagte mit seinen ständigen Ausflüchten das Leben selber schwer. Was dann zu unwirklichen Szenen führt: Einerseits entschuldigt er sich bei dem Polizisten, andererseits will er eben so gar nichts gemacht haben.
Die Beleidigung ist für die Richterin erwiesen
Für Staatsanwaltschaft und Gericht ist deshalb klar: Es gab die Beleidigung, gerade weil so viele Ich-war-es-nicht-Versionen präsentiert wurden. Die Verurteilung ist denn auch nur noch Formsache, allerdings ändert sich die Höhe der Geldstrafe. Weil der Mann uneinsichtig und nicht geständig ist, wird die Zahl der Tagessätze von 20 auf 25 erhöht.
Weil er allerdings – wie sich in der Verhandlung herausstellt – in desolaten finanziellen Verhältnissen lebt und nur über die Runden kommt, weil er bei den Eltern wohnt, verringert sich die Tagessatzhöhe von 70 auf 40 Euro. Was am Ende dafür sorgt, dass der Mittelfinger glatt mit 1000 Euro zu Buche schlägt.
Das können Sie gern im StGB nachlesen.
"... wird von der Staatsanwaltschaft in der Regel das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejaht, so dass es weitaus seltener zur Verweisung auf den Privatklageweg oder zur Einstellung des Verfahrens kommt..."