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Landkreis Kitzingen
Drei für die Demokratie: Ein Bündnis aus dem Landkreis Kitzingen setzt auf Frauen-Power und Lebenserfahrung
Lebenserfahrung, ein großes Herz und eine standhaft demokratische Gesinnung:  Verena Castell, Ingrid von Wietersheim und Reinhilde Holzmann (von links) wollen weder Rechts- noch Linksradikalen das Feld überlassen. 
Foto: Diana Fuchs | Lebenserfahrung, ein großes Herz und eine standhaft demokratische Gesinnung:  Verena Castell, Ingrid von Wietersheim und Reinhilde Holzmann (von links) wollen weder Rechts- noch Linksradikalen das Feld ...
Diana Fuchs
 |  aktualisiert: 24.03.2024 02:41 Uhr

Richtig glücklich sein können wir nicht, wenn es anderen schlecht geht: Diese Gewissheit teilen Ingrid von Wietersheim (66 Jahre), Verena Castell (72) und Reinhilde Holzmann (66). Die drei Fränkinnen, die in Castell (Kreis Kitzingen) und Stierhöfstetten (Neustadt/Aisch-Bad Windsheim) leben, gehören zu den "Omas gegen Rechts". Diese Vereinigung sieht die akute Gefahr, dass Extremisten die Demokratie in Deutschland zerstören. Dagegen wehren sich die "Omas" – auf ihre Weise.

Ist der Titel "Omas gegen Rechts" nicht ein bisschen unglücklich?

Ingrid von Wietersheim: Ja, denn mit "rechts" ist tatsächlich rechtsradikal oder rechtsextrem gemeint.

Warum ändern Sie den Namen nicht?

Wietersheim: Inzwischen ist "Omas gegen Rechts" einfach ein feststehender Begriff. Fakt ist: Wir sind gegen jeglichen Extremismus, egal ob von rechts oder links. Zu uns gehören Menschen aller demokratischen Parteien.

Die Regionalgruppe Kitzingen von "Omas gegen Rechts" bei einer Demonstration für Demokratie in Kitzingen.
Foto: Ingrid von Wietersheim | Die Regionalgruppe Kitzingen von "Omas gegen Rechts" bei einer Demonstration für Demokratie in Kitzingen.
Was ist das Besondere an den "Omas"?

Verena Castell: Unsere Lebenserfahrung. Als Mütter und Omas haben wir gelernt, was im Leben wichtig ist. Wir begegnen Menschen mit Respekt statt mit Verbitterung und Verbiesterung.

Wietersheim: Allgemein werden Omas positiv besetzte Begriffe zugeordnet, etwa gemütvoll und pädagogisch…

Castell: …oder freundlich und sorgend.

Wietersheim: Dass wir auch durchsetzungsfähig und nicht einfach nur "nett" sind, kann dann für eine Überraschung sorgen. Mit diesem Effekt können wir gut arbeiten (grinst). Wir stehen für klare Aussagen – und diese wollen wir ohne Hass vermitteln.

Was treibt Sie an, sich bei den "Omas" zu engagieren?

Reinhilde Holzmann: Ich bin dabei, weil die AfD hinterhältig gegen Migranten wettert. Sie behauptet zum Beispiel, das Bürgergeld sei ein Migrantengeld. Das stimmt nicht. Die AfD verbreitet mit Absicht falsche Informationen, um Angst zu schüren.

Castell: Ich finde den rauen Umgangston, der in Teilen der Bevölkerung herrscht und sogar den Bundestag erreicht hat, ganz schlecht. Da würdigen sich erwachsene Menschen gegenseitig auf üble Art herab.

Wietersheim: Mein Engagement hat auch viel mit meinem christlichen Glauben zu tun. Ich möchte, dass es in unserer Welt nicht nur unseren Kindern und Enkeln, sondern allen gut geht.

Bei einer Schüler-Demonstration gegen Rechtsradikalismus ist auch diese 'Oma gegen Rechts' dabei. 
Foto: Milena Schüssler | Bei einer Schüler-Demonstration gegen Rechtsradikalismus ist auch diese "Oma gegen Rechts" dabei. 
Ist unsere Demokratie wirklich bedroht?

Holzmann: Für mich hat die Bedrohung der Demokratie den kritischen Punkt erreicht, als für die AfD in einigen Bundesländern Wahlergebnisse von 30 Prozent prognostiziert wurden. Die NSDAP hatte damals zu Beginn des Dritten Reiches weniger als die Hälfte!

Wietersheim: Die AfD unterwandert systematisch unsere Demokratie. "Report München" hat recherchiert, dass über 100 Personen mit rechtsradikalem Hintergrund für Abgeordnete der AfD im Bundestag arbeiten – bezahlt mit unseren Steuergeldern. Antidemokratische Tendenzen können sich sehr sprunghaft entwickeln, das sehen wir am Beispiel Trump. Auch die NSDAP war nach kurzer Zeit etabliert und wurde demokratisch gewählt. Dieser Prozess ist mit der AfD heute in vollem Gange.

Können Sie konkrete Beispiele nennen?

Wietersheim: Die AfD spricht schon von einer geplanten Änderung der demokratischen Strukturen. Davon, dass der Parteienstaat abgeschafft werden soll. Mit dem Kampfbegriff "Parteienstaat" wurde schon einmal die parlamentarische Demokratie beseitigt, im Jahr 1933. Höcke & Co., die für den völkischen Flügel der AfD stehen, reden davon, dass die Deutschen unterdrückt würden, unter anderem von den USA. Sie stilisieren einen Opfermythos nach dem Motto: "Wir müssen das Volk befreien und ihm zur Macht verhelfen".

Gemeint ist eine vom Volk gewählte "Führerdemokratie", eine vom Volk unterstützte autokratische Regierung mit einem starken Anführer. Was daraus entstehen kann, kennen wir aus unserer deutschen Geschichte zur Genüge.

Mit Herz statt mit Hass – so wollen Verena Castell, Ingrid von Wietersheim und Reinhilde Holzmann (von links) anderen Menschen begegnen und sowohl Rechts- als auch Linksradikale im Zaum halten. 
Foto: Diana Fuchs | Mit Herz statt mit Hass – so wollen Verena Castell, Ingrid von Wietersheim und Reinhilde Holzmann (von links) anderen Menschen begegnen und sowohl Rechts- als auch Linksradikale im Zaum halten. 
Woran machen Sie die reale Gefahr fest?

Holzmann: Die AfD spricht mit gespaltener Zunge. Auf offiziellen Kanälen präsentiert sie sich klar antimuslimisch und bedient ihre Stammwähler mit ausländerfeindlichen Ressentiments. Gleichzeitig umwirbt sie zum Beispiel auf Social-Media-Plattformen potenzielle Neuwähler mit Migrationshintergrund, hat zum Beispiel jüngst den Hashtag "türkenindeutschland" geschaffen. Offensichtlich hinterfragen das viele junge Menschen nicht. Auf der speziell von Jugendlichen genutzten Plattform TikTok haben die AfD-Bundestagsabgeordneten 17 Millionen Likes. Im Vergleich dazu: Die Grünen haben 0,2, die SPD hat 0,3 und die Union 0,9 Millionen.

Wietersheim: Die Brandmauer gegenüber den Rechtsextremisten bröckelt. Zugleich bekämpft die AfD kritischen Journalismus massiv. In Thüringen macht sie schon lange keinen Hehl mehr daraus, was sie von unabhängigem Journalismus hält: Kritische Reporter werden mit Hass und Häme überzogen, ein "Monitor"-Team sollte vom Parteitag ausgeschlossen werden. Ich habe Freunde in Thüringen, die von einem Klima der Angst sprechen.

Sind die "Omas gegen Rechts" eine reine Frauenbewegung?

Wietersheim: Bei uns können alle mitmachen, auch Männer und jüngere Menschen. Ich würde aber trotzdem sagen, dass "Omas gegen Rechts" eine spezifische Frauenbewegung ist.

Castell: Wir bringen Leute zusammen, die sonst nicht zusammen demonstrieren würden. Breakdancer und Volkstänzer, Fahrradfahrer und Oldtimer-Fans.

Rund 3000 Menschen nehmen bei der Mahnwache von Omas gegen Rechts zum Thema 'Demokratie verteidigen – wir halten zusammen' am unteren Markt in Würzburg teil.
Foto: Silvia Gralla | Rund 3000 Menschen nehmen bei der Mahnwache von Omas gegen Rechts zum Thema "Demokratie verteidigen – wir halten zusammen" am unteren Markt in Würzburg teil.
Was tun die "Omas" – außer auf Demos zu gehen?

Castell: Zurzeit unterstützen viele von uns zum Beispiel eine Petition gegen rechtsradikale Inhalte bei TikTok. Wir entwerfen selbst Petitionen, schreiben Briefe an Verlage, die Öffentlich-Rechtlichen und an Politiker*innen, wir vernetzen uns mit anderen Demokrat*innen, organisieren Büchertische, Menschenketten. Ich bin mir sicher, dass da noch einiges entstehen wird.

Haben Sie politische Ambitionen?

Holzmann: Nein, gerade dass wir keine Partei sind, eröffnet uns Möglichkeiten.

Wenn Sie den berühmten Wunsch frei hätten...

Wietersheim: ...dann wäre es, dass alle Menschen verstehen und mitfühlen: In unserer Welt können wir nur gemeinsam mit den Herausforderungen fertig werden. Das betrifft den Klimaschutz, die Hilfe bei Flucht und Vertreibung, Frieden und soziale Gerechtigkeit. Wir können nur miteinander existieren. Richtig glücklich sein können wir nicht, wenn es anderen schlecht geht.

An den  'Demokratie verteidigen – wir halten zusammen'-Demos in Würzburg nahmen verschiedene Regionalgruppen von 'Omas gegen Rechts' teil.
Foto: Silvia Gralla | An den  "Demokratie verteidigen – wir halten zusammen"-Demos in Würzburg nahmen verschiedene Regionalgruppen von "Omas gegen Rechts" teil.

Omas gegen Rechts

Omas gegen Rechts: Die Vereinigung wurde am 27. Januar 2018 auf Facebook gegründet. Inspiriert von den in Österreich schon existierenden "Omas gegen Rechts" möchten sich die Mitglieder überparteilich in den politischen Diskurs einmischen.
Es geht ihnen um den Erhalt der parlamentarischen Demokratie, um den Einsatz für die gleichen Rechte aller in Deutschland lebenden Frauen, Männer und Kinder, um soziale Standards, um die Achtung gegenüber Mitbürgern, unabhängig von ihrer Religion und ethnischen Zugehörigkeit.
In Franken: Zu den gut 150 deutschen Regionalgruppen der "Omas gegen Rechts" zählen auch fränkische: Aschaffenburg, Bamberg, Coburg, Ebensfeld, Kitzingen, Nürnberg, Würzburg, Schweinfurt.
Treffen: Beim Kitzinger Frühlingsmarkt am Sonntag, 21. April, werden die "Omas gegen Rechts" mit einem Stand vertreten sein. Sie verteilen Oma-Plätzchen und bunt bemalte Steine.
Infos: omasgegenrechts.de; E-Mail an die Kitzinger Gruppe: ogrkt@mail.de
Quelle: ldk
 
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