2019 war ein ausgezeichnetes Jahr – das könnte Oliver Kienle im wahrsten Sinne des Wortes sagen. Vom gebürtigen Dettelbacher stammt das Drehbuch zur ZDF-Serie „Bad Banks“, die in diesem Jahr viele nationale und internationale Preise einfuhr. „Ein cooles Jahr“, sagt er stattdessen. Denn der 37-Jährige freut sich zwar sehr über die Auszeichnungen, findet es aber viel wichtiger, das Publikum mit seinen Geschichten zu begeistern.
Dass er 2019 so oft über den roten Teppich laufen würde, hätte Oliver Kienle nicht gedacht, als er bis vor drei Jahren am Drehbuch für „Bad Banks“ gearbeitet hat. Sechs Folgen, die Einblick geben in die hektische, komplexe, skrupellose Finanzwelt, in die menschlichen Abgründe, die sich dahinter auftun. „Ich bin davon ausgegangen, dass die Serie eine beschissene Quote haben wird“, gibt er offen zu. Er war überzeugt, dass die Serie in der Wahrnehmung der Zuschauer floppt, und hat mit dieser Meinung auch nicht hinter dem Berg gehalten. Dem ZDF ist er um so dankbarer, dass er das Projekt umsetzen konnte – und heute dürfte der Sender nicht weniger dankbar sein, das Wagnis eingegangen zu sein.
Fortsetzung ist abgedreht
Mehr als 30 nationale und internationale Auszeichnungen hat die erste Staffel von „Bad Banks“ erhalten, vom Deutschen Fernsehpreis über den Grimme-Preis bis zur Nominierung für den Emmy International. Den Emmy hat „Bad Banks“ nicht bekommen – ausgerechnet den hatte Oliver Kienle tatsächlich unbedingt haben wollen. „Das wäre der erste große internationale Preis gewesen.“ Dass es nicht geklappt hat, findet er aber letztendlich doch nicht schlimm, zumal er viele Leute aus der internationalen Branche treffen konnte. „Dabei zu sein, war toll.“
Die Auszeichnungen in der Filmbranche erfolgen zeitversetzt. Als das Team Preise für die erste Staffel entgegen nahm, wurde die zweite Staffeln ab Januar dieses Jahres bereits gedreht. Eine Fortsetzung, die für den Drehbuchautor nicht einfach war. Wie schon für die erste Staffel musste er viel recherchieren über die komplexe Welt, in die der Normalbürger wenig Einblick hat. Gespräche mit Bankern, Ex-Bankern, der Finanzaufsicht, aber auch mit Politikern gewährten im Hintergrundwissen, um die Story realitätsnah, glaubhaft, wahrhaftig zu gestalten.
Komödie „Isi & Ossi“ für Netflix
Die Reaktion der Finanzbranche auf die Serie war positiv. Er habe eine gute Balance aus Realismus und leichter filmischer Erhöhung gefunden, haben ihm Insider versichert. Und manch' einer hat Kienle von den viel kriminelleren Dingen erzählt, als den eher klassischen Betrügereien, wie sie in „Bad Banks“ stattfinden. „Das waren dann die, die ihre Namen nicht nennen wollten.“ Inzwischen ist die zweite Staffel abgedreht, darin geht es um die Zukunft der europäischen Bankenwelt, den Wandel und die Digitalisierung. „Viele der Banken wird es bald nicht mehr, oder nicht mehr in der klassischen Form geben“, ist Kienle überzeugt. Gesendet wird ab Februar.
Besonders in Erinnerung wird das Jahr 2019 dem 37-Jährigen aber nicht nur wegen „Bad Banks“ bleiben, sondern auch, weil er parallel zur Serie den ersten deutschen Netflix-Original-Movie drehen konnte. „Isi & Ossi“ erzählt die Geschichte von der Milliardärstochter Isi, die ein Leben in Saus und Braus führt, und Ossi, der sich Tag für Tag mit Geldsorgen herumplagt. Als beide sich treffen, wittern sie die Chance, den jeweils anderen für seine Zwecke auszunutzen. Eine Komödie, ein völlig anderes Genre als „Bad Banks“ – „das macht den Kopf frei“, findet der Drehbuchautor, der bei „Isi & Ossi“ zugleich Regie führt. Das Projekt habe ihm gezeigt, wie schnell und unkompliziert man mit einem mächtigen Player wie Netflix Filme machen kann, während für Kinofilme unzählige Fernseh-, Förderungs- und Verleihtöpfe nötig seien. „Hier war es ein Anruf und der Film war komplett finanziert.“
Wo die Ideen für seine Filme herkommen? „Keine Ahnung“, sagt Oliver Kienle und lacht. „Ich hatte noch nie eine Schreibblockade und ich bin dankbar dafür.“ Er kennt Kollegen, die immer nach Geschichten suchen, Artikel ausschneiden, nächtelang grübeln. Eine Situation, die ihm fremd ist. „Ich hatte schon immer einen starken Output.“ Dabei verwirklicht er längst nicht jede Idee, wirft viel wieder weg, was er geschrieben hat. Er feilt so lange an seinen Geschichten, bis sie ihm selbst zusagen. „Ich schreibe keine Konzepte oder Exposés, ich verkaufe keine Ideen“, sagt er. Weshalb Netflix auch zwei Jahre lang versucht hat, ihm eine Serienidee zu entlocken, an der er arbeitete. Stattdessen legte er ihnen irgendwann das fertige Drehbuch zu „Isi & Ossi“, also einem Film, auf den Tisch.
Druck verspürt Kienle trotz des Erfolges nicht. „Das kommt bestimmt irgendwann noch“, befürchtet er mit Blick auf die Karrieren einiger seiner Vorbilder, die irgendwann den Zenit erreicht und dann nachgelassen haben. „Im Moment habe ich davor keine Angst. Ich habe noch so viele Ideen.“
Sorgen bereitet ihm daher nicht sein Beruf an sich, sondern eher die Frage, wie lange eine solch Ressourcen verschwendende Branche noch haltbar ist. Da sind zum Beispiel die stromfressenden Gerätschaften, die vielen Flüge, die bei Dreharbeiten für die ganze Crew anfallen – so wurde die zweite Staffel von „Bad Banks“ in Berlin, Frankfurt, Luxemburg, London und auf Mauritius gedreht. Genauso die Flüge zu den Preisverleihungen. Kienle hat zwar den Flug nach New York zum Emmy International klimakompensiert, verliert den erschreckenden CO2-Ausstoß aber trotzdem nicht aus den Augen: „Allein für meinen Flug nach New York habe ich mehr verbraucht als ich in einem Jahr hätte verbrauchen dürfen.“ Jeder muss umdenken, findet er und hat auch da eine Idee im Kopf: einen klimaneutralen Film. Eine Herausforderung, sicherlich. Aber es sich einfach zu machen, ist schließlich nicht Oliver Kienles Ding.