Rainer Ott hat den Schritt nicht bereut. Im Gegenteil. „Das war auf jeden Fall die richtige Entscheidung“, sagt der Landwirt aus Unterickelsheim. 2011 hat er das erste Mal Dinkel ausgesät. Auf fünf Hektar. Mittlerweile erntet er das besondere Getreide auf 40 Hektar.
Der Dinkel-Anbau in Unterfranken und im Landkreis Kitzingen boomt. Das zeigen schon die Zahlen. Vor 20 Jahren wurde in Unterfranken auf rund 500 Hektar Dinkel angebaut. Jetzt sind es 11.136 Hektar, im Landkreis Kitzingen stieg die Fläche in den letzten zehn Jahren ungefähr um das Zehnfache: von 262 Hektar auf 2360 Hektar. Ein Grund hört auf den Namen „Schwäbische Landprodukte, kurz SLP“. Die Firma hatte vor rund zehn Jahren den insolventen Getreidehändler Engert übernommen und gehört heute zu den größten Dinkelhändlern in ganz Europa. Im Würzburger Hafen wird der Dinkel in großen Anlagen geschält und weiterverarbeitet.
Eine große Annahmestelle mit Silos und Lagerhallen befindet sich in Gnötzheim, ganz in der Nähe von Rainer Ott. „Am Anfang war ich trotzdem skeptisch“, erinnert er sich. Seit Jahren hatte er Gerste und Weizen angebaut, Viehhaltung betrieben. Mittlerweile hat er diese Betriebszweige aufgegeben, konzentriert sich voll auf Dinkel, erzeugt sogar eigenes Saatgut. „Der Dinkel braucht ein wenig mehr Fingerspitzengefühl als beispielsweise Weizen“, erklärt der erfahrene Landwirt. Die Flächen werden weniger gedüngt, dafür einmal mehr pro Jahr mit Fungizid behandelt. Im Endstadium steht der Dinkel deutlich höher im Feld als der Weizen. Die Ernte findet ein bisschen früher als die Weizenernte im Juli an. Regen während der Erntephase kann die Qualität und die Menge negativ beeinträchtigen. „Ist mir bislang aber nur einmal passiert“, sagt Ott.
Für das Kilo Dinkel erhält er etwas mehr als für ein Kilo Weizen. „Dafür ist der Ertrag ein wenig geringer“, erklärt er. Letztendlich habe sich die Umstellung aber auch finanziell rentiert. „Vor allem wegen der kurzen Wege.“ Weil der Dinkel zusammen mit dem sogenannten Spelz – das Hüllenblatt rund um das Korn – geerntet wird, ist er deutlich voluminöser als Weizen. „Deshalb braucht man auch so riesige Lagerkapazitäten“, erklärt Wilfried Distler, Geschäftsführer des BBV in Kitzingen. Auch der Transport kann zu einer Herausforderung werden. „Ich habe mir während der Ernte immer extra Anhänger ausgeliehen“, sagt Rainer Ott und lächelt. In der Dinkelschälmühle in Würzburg wird das Korn vom Spelz getrennt. Letzterer ist aber keinesfalls ein Abfallprodukt. Pellets zur Energiegewinnung werden daraus gemacht, er findet auch Verwendung als Füllmaterial für Kopfkissen.
Der Dinkel-Boom hängt eng zusammen mit aktuellen Entwicklungen in der Ernährung. „Eigentlich kommt der Dinkel ja aus dem ökologischen Anbau“, erinnert Thomas Karl, Fachberater am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Für Menschen mit einer Glutenallergie ist er eine Alternative für klassische Weizenprodukte. „Er ist glutenärmer und schmeckt vollwertiger“, ergänzt Werner Distler. Mittlerweile haben sich Dinkelprodukte längst aus der Öko-Nische heraus entwickelt. Nicht zuletzt zeigt sich das gestiegene Interesse der Verbraucher an der gestiegenen Anbaufläche im Landkreis Kitzingen.
Die ist allerdings endlich, prophezeit Thomas Karl. Auf 2360 Hektar wird Dinkel derzeit im Landkreis angebaut, bei 2500 Hektar sieht er die derzeitige Obergrenze. Nicht wegen fehlender Flächen, Dinkel hat keine allzu großen Ansprüche, wächst auch auf den etwas schlechteren Böden. „Das Problem ist eher die Erfassung, Lagerhaltung und Vermarktung“, erklärt er. Wenn der Anbauumfang stark über den Bedarf steigt, brechen die Preise für die Landwirte ein, wie zuletzt im Jahr 2015/2016.