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IPHOFEN
Die Vielfalt der Früchte droht verloren zu gehen
Publikumsmagnet: Das Saatgutfestival in Iphofen. Dicht umlagert war vor allem dieser Stand, an dem man Saatkartoffeln alter Sorten kaufen konnte.
| Publikumsmagnet: Das Saatgutfestival in Iphofen. Dicht umlagert war vor allem dieser Stand, an dem man Saatkartoffeln alter Sorten kaufen konnte.
Robert Haaß
 |  aktualisiert: 16.02.2014 13:56 Uhr

„Mein Traum bleibt: Es wäre schön, wenn es nicht in Iphofen eine große, sondern viele kleinere solche Veranstaltungen geben würde.“ Schon fast ein wenig verzweifelt klang Organisatorin Barbara Keller, angesichts des Riesenandrangs an Menschen vor allem in den ersten Stunden des Saatgutfestivals musste die Eingangstüre zur Karl-Knauf-Halle einige Male geschlossen werden, so viele Besucher waren in der Halle.

Und das, um bei „nur“ 18 Ausstellern in den Auslagen zu stöbern. Die repräsentierten allerdings, so Keller, schon den Großteil der freien Saatguthersteller in Mittel- und Süddeutschland. Renner waren, wie schon in den Vorjahren die Saatkartoffeln alter Sorten und die vielen verschiedenen Sämereien, allen voran Tomaten und Paprika, aber auch Gurken, Bohnen, Linsen oder Erbsen. Daneben beeindruckte die Vielzahl der alten Apfelsorten, die sich über viele Meter auf der Garderobentheke erstreckte. Hier gab es auch die Reiser der alten Apfelarten. Informationen über Quitten, verschiedene Weine und Literatur zum Thema Vielfalt rundeten das Angebot ab.

Mittendrin – und das die ganze Zeit – die Trägerin des alternativen Nobelpreises, Vandana Shiva. Die 62-jährige Atomphysikerin, die in der Quantentheorie promoviert hat, gilt als eine der Vorreiterinnen der Biodiversität, also der biologischen Vielfalt. Sie ist keine Unbekannte im Raum Kitzingen, war sie doch bereits 2009 in der Alten Synagoge in Kitzingen, beim Höhepunkt der Auseinandersetzung um den Genmais Mon 810. Die damals geknüpfte Verbindung nutzte Barbara Keller in diesem Jahr, Vandana Shiva, die auf der Biofach in Nürnberg zu Besuch war, nach Iphofen einzuladen.

Schon am Freitag war sie in Iphofen eingetroffen und zeigte sich, so Keller, richtig angetan von der historischen Altstadt. Gnocchi mit Roter Beete, Apfel und geriebenen Meerrettich zum Abendessen und dazu einen fränkischen Schoppen – die Inderin war wohl ganz begeistert.

Ruhe hatte sie am Samstag dann keine mehr: Immer wieder gingen Menschen in der Halle auf sie zu, wollten ein kürzeres oder längeres Gespräch, kamen Kamerateams für ein Interview – alles wurde mit großer Gelassenheit von Vandana Shiva absolviert. Und als sie Durst bekam, nahm sie wie selbstverständlich ihre Geldbörse und wollte sich in der Schlange am Getränkestand einreihen, was Barbara Keller allerdings zu verhindern wusste.

Ihre ganze Wirkung entwickelte Shiva dann aber auf der Bühne, bei ihren Vortrag am Nachmittag. Schlagartig wurde es still in der Halle, eine Aufmerksamkeit, die eine ganze Stunde lang anhielt.

Das „Herz der Bewegung für freies Saatgut“ (Barbara Keller), gab dabei ein deutliches Statement für die Vielfalt des Lebens. Sie erzählte von den über 200 000 verschiedenen Reissorten, die es einmal in Indien gab, die rot und violett waren, resistent gegen Überschwemmungen, dabei eine Höhe von über sechs Metern erreichten. Gerade diese Vielfalt, ein Ergebnis jahrtausendlanger Zucht der Bauern und dabei Anpassung an die lokalen Bedingungen, machten die Pflanzen auch weitgehend unempfindlich gegen Schädlinge. Es herrschte ein Gleichgewicht.

Durch das Gewinnstreben der großen Saatgutkonzerne wurde diese Vielfalt drastisch reduziert. Mit der Folge, dass nicht nur die Bauern in die Abhängigkeit der Konzerne gerieten. Die Pflanzen wurden anfälliger gegen Schädlinge, Gift, geliefert von den gleichen Konzernen, wie der Samen, musste in immer höherem Maße eingesetzt werden – eine verhängnisvolle Spirale und ein kaputtes Gleichgewicht.

Es sind etliche Beispiele, die Vandana Shiva an diesem Nachmittag anspricht, die deutlich machen, wie groß die Abhängigkeit von den großen Konzernen und wie groß auch der Verlust an Vielfalt dadurch ist. Und es kommt beim Publikum gut an, wenn sie etwa von der „Botox-Tomate“ spricht, die wochenlang gelagert werden kann, ohne zu runzeln, die aber auch nicht mehr verkocht und mehr ein Stein, als eine Frucht ist.

Begehrte Gesprächspartnerin: Die Trägerin des Alternativen Nobel-Preises Vandana Shiva nahm sich viel Zeit, um mit den Besuchern des Saatgutfestivals zu sprechen.
Foto: Robert Haass | Begehrte Gesprächspartnerin: Die Trägerin des Alternativen Nobel-Preises Vandana Shiva nahm sich viel Zeit, um mit den Besuchern des Saatgutfestivals zu sprechen.
Saatgutfestival in Iphofen beeindruckte mit großer Vielfalt an Gemüse- und Obstsorten       -  (roh)   Staunend nahmen die Besucher des Saatgutfestivals in Iphofen (Lkr. Kitzingen) die Vielfalt alter Gemüse- und Obstsorten zur Kenntnis. Vor den Auslagen der 18 Aussteller herrschte zeitweise so großer Andrang, dass die Pforten zur Karl-Knauf-Halle vorübergehend geschlossen werden mussten. Vandana Shiva, Trägerin des Alternativen Nobelpreises, bekam viel Beifall für ihr Plädoyer für den Erhalt der Biodiversität.Foto: R. Haass
| (roh) Staunend nahmen die Besucher des Saatgutfestivals in Iphofen (Lkr. Kitzingen) die Vielfalt alter Gemüse- und Obstsorten zur Kenntnis.
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Natürlich ist ihre Rede politisch und sie geht auch auf die aktuelle Diskussion in Europa und in Deutschland über die Zulassung von genmanipuliertem Mais ein – für sie einfach „eine dumme Idee“, die rein gar nichts mehr mit Technik zu tun hat.

 
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  • ... denn lebten wir auf einer Glückseligen Insel, würden über die unreinen Verpackungen aus aller Herren Länder keine fremden Viren und andere Schädlinge in die hiesigen Betriebe eingebracht. Die USA oder z.B. Australien sind hier Klassenprimus. Dort werden am Airport ohne wenn und aber für ein geschmuggeltes Salamibrot 500 Dollar Strafgeld verhängt, und entsprechende Spürhunde ausgebildet. Die afrikanische Schweinepest, die derzeit in Russland und Asien grassiert, bekämpft man erst dann, wenn die ersten Betriebe in der Uckermark befallen werden ...
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  • hans-martin.hoffmann@t-online.de
    stimmt im Endeffekt, aber dann bitte alle Aspekte berücksichtigen.

    Ist natürlich Klasse für Saatgut-Monopolisten, wenn es nur noch ein paar relevante (von ihnen vertriebene) Sorten von bestimmten Pflanzen gibt, zu denen man praktischerweise auch gleich das -zid liefert, mit dem dann andere (Un-)Kräutchen totgespritzt werden. Wenn die nach einiger Zeit resistent geworden sind und trotz zunehmender -zid-Anwendung unverdrossen weiter wachsen, braucht man halt eine neue Pflanze-zid-Kombination, aber macht nix, die Bauern (und die Verbraucher) werden das dann eben bezahlen (und die zunehmenden -zid-Rückstände in Kauf nehmen) müssen.

    Dass also (Saatgut-)Monopole Vorteile für Bauern und Verbraucher haben, werden wohl nur Lobbyisten behaupten; ich würde bei diesem Nonsens glatt von einer (gefährlichen) Milchmädchenrechnung sprechen.

    Gute fachliche Praxis und Artenvielfalt scheinen mir durchaus geeigneter, die Interessen einer größeren Zahl von Menschen dauerhaft bezahlbar zu sichern.
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  • Wir leben in Deutschland.
    Die beschriebenen Monopole gibt es hier nicht. Ich kann unter Zig Anbietern und hunderten Sorten wählen. Gerade die durch z.B. Kreuzung und Auswahl geschaffenen Resistenzen verhindern eine übermäßige Anwendung von Pflanzenschutzmitteln. Das hierzulande beste Beispiel, weil populär, wäre der einfache Kopfsalat. Jährlich werden unter großem Aufwand mehrere Sorten unter langjährigem Forschungsaufwand neu auf den Markt gebracht. Keine Genveränderung, keine bevorzugten Herbizide oder Fungizide empfohlen. Die Saatgutkonzerne agieren auch nicht so.
    Nicht so in den USA. Da hat, z.B. Monsanto mit der Verbesserung des Glyphostats, dann als Roundup vermarktet, gleichzeitig genveränderte, resistente Pflanzen geschaffen. Diese Gefahr gilt es zu bekämpfen.
    Die Problematik der mangelnden Sortenvielfalt, die Genlabore der USA, und die hiesigen Saatgutkonzerne kann man nicht in einen Top werfen. Das ist zu einfach und primitiv. Daher lehne ich solche Hetztpredigten ab...
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  • hans-martin.hoffmann@t-online.de
    es stimmt zwar, dass man zunächst weniger "Spritzmittel" braucht - nur dummerweise kriegt man niemals alle "Fressfeinde"/ "Unkräuter" kaputt, und die, die man nicht kaputt kriegt, entwickeln mit der Zeit Resistenzen. Um dem gegenzusteuern, muss man mehr "spritzen", und damit wiederum leistet man der Resistenz Vorschub. Im Endeffekt könnte man soviel "spritzen" wie man bezahlen kann, aber nützen würde es nichts mehr.

    Diese Erfahrung wurde in verschiedenen Ländern bereits gemacht und "wir" könnten daraus lernen. Die Erkenntnis lautet: Gentechnik bringt im Endeffekt soviel oder sowenig Nutzen wie konventionelle Züchtung - aber Kosten und Risiken sind größer. Und sich dafür von wenigen Anbietern abhängig machen?

    Weitere Info: (klick z. B. hier)
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  • ... mit neuen Züchtungen in Kombination mit geeigneten Pflanzenschutzmitteln, zu bekämpfen, das wäre selbstverständlich ein Musterbeispiel für praktizierte Gentechnik. Nein, bei den hiesigen Züchtungen geht es mehr um temporäre Resistenz gegen Virosen, Bakterienbefall, die Anpassung an verschiedene Gegebenheiten, (unter Glasanbau, Freiland, Böden verschiedenster Bonität und Lage), vor- oder nachgelegte Erntezeitpunkte, Aussehen (Markttauglichkeit) , und letztlich um Ertragssicherung ...
    Man muss zwischen neuen Züchtungen, und der Gentechnik unterscheiden können. Fakt ist, das neue Sorten in der Regel weniger chemischen Pflanzenschutz benötigen. Wenn der bevorzugte Züchter seine Hausaufgaben gemacht hat. Fressfeinde und Unkräuter haben diese Erkenntnis nicht, denen ist es egal, ob eine tausendjährige oder eine neu gezüchtete Pflanze oder damit kultivierte Flächen befallen werden ...
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  • ... und selbsternannte Spezialisten. Ich bin mir sicher, das die Landwirte gerne unter den tausenden Sorten resistenter Früchte, die man dann ja auch selbst kostenlos nachbauen könnte, wählen würden. Jedem Verbraucher sollte aber bewusst werden, das sich der gewerbliche Anbau von Lebensmitteln rechnen muss. Zum einen für den Bauern, aber noch wichtiger - für den Kunden. Wenn die Städte, allem voran die großen nach BIO rufenden Hipster-Metropolen Insellösungen schaffen, könnte man eine Beispielhafte Wende schaffen. Verzichtet man auf das Auto, zuverlässige Energieversorgung und andere nicht relevante Industriegüter, ist das auf jedem Fall machbar. Luft nach unten, und da muss man der alternativen Nobelpreisträgerin rechtgeben, ist da. Wenn ein Friedensnobelpreisträger seine Armen revolutionär Krankenversichert und gleichzeitig in anderen Ländern Angst, Schrecken und Tod verbreitet, verlieren diese ganzen Titel ihre Glaubwürdigkeit. Ob von der RLA, KSA, NSA oder vom ADAC verliehen ...
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