Mittwoch und Samstag, wenn die Kitzinger Tafel Lebensmittel ausgibt, treffen neben der allgemeinen Bedürftigkeit auch sonst viele Probleme zusammen. Da gibt es beispielsweise Flüchtlinge, die sich partout nicht von Frauen bedienen lassen wollen. Auf der anderen Seite gibt es langjährige Hilfebedürftige, quasi Stammkunden, die aus Protest nicht mehr oder nur ungern kommen, weil die Tafel auch anerkannte Flüchtlinge mitversorgt, mit denen man nicht in einer Schlange stehen möchte. Samt der dazugehörigen Vorwürfe: „Den Ausländern gebt ihr alles – wir bekommen nichts!“ Mittendrin: Manfred Seigner und sein 42-köpfiges Team.
Die vielschichtigen Probleme vermitteln den Helfern regelmäßig das Gefühl, zwischen den Fronten zu stehen. Prellbock zu sein für alles und jeden. Irgendwie gehört das inzwischen zum Alltag. Die Tafel-Mitarbeiter mussten lernen, damit umzugehen und sich mit derlei Befindlichkeiten zu arrangieren.
Nürnberger Tafel kapitulierte vorübergehend
Zumal es weit größere Probleme gibt: Da ist beispielsweise die nicht wegzudiskutierende Altersstruktur der Helfer. Vor einigen Tagen hatte genau dieses Thema dafür gesorgt, dass die Nürnberger Tafel – zumindest vorübergehend – aufgeben musste. Erstmals kapitulierte damit eine Tafel in Deutschland. Der ehrenamtliche Vorstand war wegen Überlastung geschlossen zurückgetreten.
Die Arbeit für die Versorgung von rund 6000 Bedürftigen ließ sich mit ehrenamtlichem Einsatz nicht mehr bewältigen. Nicht zuletzt, weil der Helferkreis längst überaltert war. Die 150 Ehrenamtlichen, die in Nürnberg wöchentlich 25 Tonnen Lebensmittel an Bedürftige ausgaben, konnten nicht mehr.
Tafeln, die deutschlandweit 1,7 Millionen Menschen helfen, geraten selbst in Not – hört sich nach Treppenwitz an. Doch die Sache ist ernster, als man denken könnte. Zwar beruhigt Kitzingens Tafel-Chef Manfred Seigner: Ein Schritt wie in Nürnberg droht in Kitzingen in absehbarer Zeit nicht. Aber klar ist auch: „Wir brauchen jüngere Helfer!“
Altersdurchschnitt liegt bei Ende 60
Die Überalterung macht auch vor dem Kitzinger Tafel-Team nicht halt, die Zahlen sprechen für sich: Der Altersdurchschnitt liegt bei Ende 60. Der Chef selber, eines von noch vier übrig gebliebenen Gründungsmitgliedern, ist zwar noch voller Tatendrang – aber auch schon 73 Jahre.
Deshalb soll verstärkt um Nachwuchs geworben werden. Bereits in Schulen könnte sich Seigner mehr Werbung für die gute Sache vorstellen – was aber scheinbar nicht gewünscht ist. Wenigstens schwappte zuletzt über einen anderen Weg frisches Blut nach Kitzingen: über den Bundesfreiwilligendienst. Drei so genannte Bufdis packten je ein Jahr mit an, eine Teilnehmerin blieb anschließend als Helferin erhalten.
Und dann ist da noch ein Problem, das sich seit sieben Jahren hinzieht und viel über die oft fehlende Wertschätzung der Tafel erzählt: Es findet sich einfach keine Ausgabestelle in der Stadt. Nichts zu machen. Der Tafelladen hatte zunächst in Etwashausen ein Zuhause gefunden. Nach dem dortigen Aus richtete sich die Kitzinger Tafel vor sieben Jahren im Bauhof in der Äußeren Sulzfelder Straße neu ein. Was als Übergangslösung gedacht war, wurde ungewollt zur festen Einrichtung. Als Lagerplatz liefern Garage und Keller zwar wertvolle Dienste – doch als Ausgabemöglichkeit hätte man lieber ein Plätzchen in der Stadt. Die entsprechende Suche verläuft seither vergeblich – Dauereinrichtung statt Provisorium.
Irgendwann sind auch Ehrenamtliche am Ende
Sowohl Helfer als auch die nicht mobilen Hilfesuchenden müssen seither schauen, wie sie zum städtischen Bauhof kommen, der einen knappen Kilometer vom Zentrum entfernt liegt. Zumal es auf dem Rückweg einiges zu tragen gibt.
Seigner erlebt diese Denkweise oft: Die Tafel? Die macht das schon. Nur: Irgendwann sind auch Ehrenamtliche am Ende. Zumal die Tafeln auch bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise mithelfen sollen – etwa die Hälfte der 800 Bedürftigen sind aktuell Flüchtlinge. Auch das bringe die Helfer „an die Grenze des Machbaren“, so Seigner. Aber noch beißen die Mitarbeiter die Zähne zusammen – damit mittwochs und samstags zumindest ein wenig die Not gelindert werden kann.
Die Kitzinger Tafel
Gründung: Vor 13 Jahren, zehn Jahre nach der ersten Tafel in Deutschland, fanden sich im Februar 2003 in Kitzingen 13 Bürger zusammen, um die Kitzinger Tafel zu gründen. Erste Vorsitzende war Erika Möhres-Moser.
Ziel: Bedürftige, denen das Geld hinten und vorne nicht zum Leben reicht, mit Lebensmitteln zu versorgen.
Die Tafel heute: Die Kitzinger Tafel ist eine von über 900 in Deutschland. In Bayern gibt es über 160. Der Verein hat aktuell 167 Mitglieder, von denen 43 aktiv bei der Sammlung, Sortierung und Ausgabe der gespendeten Lebensmittel für bis zu 800 Bedürftige mithelfen. Es gibt zwei Ausgabetage.
Standort: Zunächst befand sich der Tafel-Laden in der Balthasar-Neumann-Straße. Seit Mitte 2009 befindet sich die Tafel samt Laden im Bauhof in der Äußeren Sulzfelder Straße. Der Verein sucht seither vergeblich einen neuen Laden in der Stadtnähe.
Ansprechpartner: Manfred Seigner, Tel. (01 72) 5 82 71 75. fw
Wieviele jüngere haben das nicht mehr mitgemacht und sind aus dem Verein wieder ausgetreten. Eine abweichende Meinung, als die des Vorsitzenden, zu vertreten wird als Palastrevolution angesehen. Ich erinnere an die vor Jahren stattgefundene Hauptversammlung, in der einige jüngere Mitglieder eine Satzungsänderung erzwungen haben. Die Reaktion des damaligen und heute noch agierenden Vorsitzenden war furchtbar.
Ein Beispiel für das selbstherrliche Wirken des Vorsitzenden: Im Frühjahr sollten Wahlen stattfinden, er trat zurück aus gesundheitlichen Gründen und dann wieder zurück vom Rücktritt. Die fälligen Wahlen haben bis heute noch nicht stattgefunden.