
Generalproben überall: Musiker und Chöre setzen den letzten Schliff an ihre Weihnachtslieder. Aus vielen Kehlen erklingt das vierstrophige Lied mit der Nummer 261 aus dem Gotteslob "Stern über Bethlehem, zeig uns den Weg, führ uns zur Krippe hin…". Textautor und Komponist Alfred Hans Zoller orientierte sich 1963 ganz am Matthäus-Evangelium: Demnach folgten Sterndeuter aus dem Osten dem Stern, den sie hatten aufgehen sehen und der vor ihnen herzog. Bis zu dem Ort, wo das Kind war – dort blieb er stehen.
Diesen Stern über Bethlehem halten auch heute gläubige Menschen für eine echte Himmelserscheinung. Vor allem für Kinder ist dieser Stern ein "Wegweiser für die Heiligen Drei Könige", ein Stern "ganz hell und größer als die anderen" – so stellen ihn sich etwa die zwölfjährige Antonia und ihr neunjähriger Bruder Valentin vor. Haben die Geschwister Recht? Gab es den Stern von Bethlehem tatsächlich? Lässt sich der Stern über Bethlehem astronomisch so erklären, wie das Matthäus-Evangelium in zwölf Versen die Geschichte um die Sterndeuter beschreibt?

Fragen, die gerade die Astronomen des Papstes, die ja dem Himmel besonders nahe sind, problemlos beantworten sollten. Und tatsächlich häufen sich in der Advents- und Weihnachtszeit in der Sternwarte des Vatikans vor den Toren Roms die Nachforschungen aus aller Welt. Denn wenn es zur Zeit der Geburt Jesu vor über zweitausend Jahren ein außergewöhnliches Ereignis, ein Naturphänomen am Himmel gab, müssten doch Astronomen eine wissenschaftlich plausible Erklärung parat haben.
Vatikan-Astronom hat jahrelang über den Stern nachgedacht
Der Chefastronom von Papst Franziskus und Direktor der Sternwarte des Vatikans in Castel Gandolfo/Albano, Guy Consolmagno, zuckt lächelnd mit den Schultern. "Zum Glück habe ich gar keine Erklärung für den Stern von Bethlehem", sagt der Jesuit. Er finde es weitaus spannender, dass überhaupt so ein großes Interesse für diesen Stern herrsche, der ja so etwas wie ein Bindeglied zwischen Glauben und Naturwissenschaft darstellt.

Guy Consolmagno räumt ein, dass er jahrelang über diese biblische Geschichte vom Stern über Bethlehem nachgedacht und eine Erklärung gesucht habe. Der Astronom, der sich auf planetare Physik und Geologie spezialisiert hat und unter anderem die Evolution kleiner Körper im Sonnensystem erforscht, schließt zum Beispiel eine Supernova, einen explodierten massereichen Stern also, als Stern von Bethlehem aus.
Schließlich könne er berechnen, erzählt Consolmagno weiter, wie weit sich ein Supernova-Nebel in zweitausend Jahren ausbreiten und verdünnen würde: "Ganz davon abgesehen gibt es keine undefinierten Supernova-Reste aus der damaligen Zeit."
Ein anderes spektakuläres Zeichen am Himmel sind Kometen. Eine Handvoll, darunter der Halleysche Komet, kehren regelmäßig wieder und lassen sich vorhersagen. Es sei möglich, so der Chefastronom, dass genau im richtigen Moment vor zweitausend Jahren ein besonders heller Komet vorbeizog. Doch in der Antike hätten Kometen eigentlich als Vorboten eines Unglücks gegolten. So stellt sich Consolmagno nur schwer vor, dass jemand einen Kometen als Boten eines freudigen Ereignisses interpretieren würde, wie es die Geburt eines Königs oder des Messias ja wäre.
Der Vatikan-Wissenschaftler spricht von einem Wunder
Was um alles in der Welt hat es dann mit diesem Stern von Bethlehem auf sich? Wissenschaftler Consolmagno, der auch Theologie und Philosophie studiert hat, sagt: "Es könnte ganz einfach ein Wunder gewesen sein oder eine erfundene Geschichte, um die Wichtigkeit der Geburt Jesu Christi zu unterstreichen."
Ohne eine Zeitmaschine sei es unmöglich, die richtige Lösung, die richtige Erklärung zu finden. "Die einzige Sicherheit, die wir haben, ist die Gewissheit, dass es diese Geschichte gegeben hat und dass wir uns alle sehr für diese Geschichte interessieren." Irgendwie unglaublich, dass diese Forschungseinrichtung der römisch-katholischen Weltkirche zugibt, etwas nicht zu wissen. Könnte es gar sein, dass die päpstlichen Astronomen irren?

Zurück aus Rom in der fränkischen Heimat nagt diese Vorstellung. Und so führt der Weg – ganz ohne die Hilfe eines Kometen – zur Klostersternwarte der Abtei Münsterschwarzach. Pater Christoph Gerhard ist nicht nur wirtschaftlicher Leiter (Cellerar) des Klosters und studierter Elektroingenieur Informationstechnik, er kann im Kloster auch seiner Leidenschaft Astronomie nachgehen. Ist er vielleicht tiefer in die Materie eines Sterns von Bethlehem eingedrungen als sein Vatikan-Kollege Guy Consolmagno?
Der Stern von Bethlehem ist astronomisch nicht zu fassen
"Es gibt keine astronomischen Anhaltspunkte, den Stern von Bethlehem irgendwie dingfest zu machen", bestätigt Pater Christoph den Direktor der "Specola Vaticana". Als Astronom müsse er sagen: "Ich weiß es nicht genau." Und doch glaubt er eine Erklärung dafür zu haben, warum der Evangelist Matthäus den Stern von Bethlehem in seine Erzählung vom Weihnachtsgeschehen aufgenommen hat. "Matthäus hat mit diesem Stern seinen Hörern von damals erklärt, wer dieser Jesus ist, nämlich der König der Juden."
Die große Klammer im Evangelium bildeten die heidnischen Sterndeuter an der Krippe, die darin den Sohn Gottes erkennen und bekennen, und der heidnische Hauptmann unter dem Kreuz, der Jesus auch als Sohn Gottes bekennt. Pater Christoph sagt: "Mit solchen Bildern konnten die Menschen damals etwas anfangen – mehr als wir heute, weil wir nach der Naturwissenschaft fragen." Und einen glaubhaften Beweis für die Existenz des Sterns über Bethlehem wollen.