Eingeritzte Jahreszahlen, prachtvoller Stuck und 25 Farbschichten erzählen von einer wechselvollen Historie: Das Götzhaus am Dettelbacher Marktplatz nimmt Architekt Friedrich Staib derzeit unter die Lupe. Das Gebäude von 1577 ist Teil eines Ensembles mehrerer alter Bürgerhäuser, denen Kirche und Kirchenzinne gegenüberstehen – und die den Marktplatz dominieren. Die Gegenwart des Götzhauses ist geprägt von Leerstand und Ansätzen von Verfall. Wie soll seine Zukunft aussehen? Diese Frage ist noch offen.
„Bevor wir entscheiden, was werden soll, müssen wir wissen, was war und ist“, erläutert Bürgermeisterin Christine Konrad. Deshalb beauftragte der Stadtrat Friedrich Staib aus Sulzfeld, einen Spezialisten für alte Gebäude, mit einer Bestandsuntersuchung. Die ist in vollem Gang und hat schon höchst interessante Erkenntnisse erbracht, ist aber noch nicht abgeschlossen. Nach Aussage des Architekten wird das jedoch noch vor Ablauf des Jahres sein. Erst dann könne man sich an ein Nutzungskonzept herantasten. Dabei wolle man die Bevölkerung mitnehmen, erklärte die Bürgermeisterin.
Staib vergleicht seine Arbeit mit einem Arztbesuch. Durch genaue Untersuchungen erfährt er, was das Haus schon alles erlebt hat und wo es Probleme gibt. Manches weiß man aus schriftlichen Überlieferungen, vieles aber erzählt das Haus selbst, ist der Architekt überzeugt. Eingeritzte Jahreszahlen, Bautechnik, Farbigkeiten und andere Spuren erlauben oft eine Einschätzung.
Das stattliche Gebäude wurde 1577 fertig gestellt und ist damit jünger als das 1478 errichtete Baumannshaus in der Nachbarschaft. Nicht nur die eingeritzten Jahreszahlen verdeutlichen dies, sondern auch konstruktive Elemente. Während im Baumannshaus die Balken des Fachwerks durch Verplattung verbunden sind, ist das Gebälk im Götzhaus verzapft, was eine deutliche Verbesserung darstellt.
Um den ursprünglichen Zustand erfassen zu können, mussten neuzeitliche Einbauten wie Gipskartonplatten entfernt werden. Unter der abgehängten Decke im Erdgeschoss tauchte wie erwartet eine ältere Decke aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts auf. Aber auch diese war nur eine abgehängte Decke. Darüber entdeckte Staib die ursprüngliche Decke aus der Bauzeit von 1577. Diese ist teilweise gut erhalten und auch die Originalfarbgebung ist bestens zu erkennen. In anderen Räumen verbergen sich unter abgehängten Decken ebenfalls ältere Decken mit Konstruktionsmerkmalen aus der Bauzeit. Und nicht nur die Raumaufteilung änderte sich im Lauf der Zeit mehrfach, auch die Putz- und Farbgestaltung wechselte des Öfteren. Stellenweise liegen 25 Farbschichten übereinander.
Nicht freigelegt werden musste die Decke der guten Stube im zweiten Obergeschoss des Vorderhauses. Diese zeigt prächtige Stuckverzierungen, deren Details aber durch häufige Übermalungen allmählich die Konturen verlieren. Neben den kräftigen Stuckrahmungen sind Muschelmotive, Osterlamm, Taube mit Zweig und diverse Ranken gerade noch zu erkennen. Nach der Restaurierung werden alle Einzelheiten des Kunstwerks aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wieder zu erkennen sein.
„Das größte Rätsel birgt das Hinterhaus“, stellt der Architekt fest. Es war ursprünglich doppelt so breit wie das Vorderhaus. Dies ist noch an der westlichen Fassade und an einigen zugemauerten Durchgängen zur Nachbaradresse erkennbar. Heute verbirgt sich unter leicht abgenutztem Linoleum eine Betondecke und darunter wiederum ein Gewölbekeller. Ursprünglich lag der Boden tiefer, worauf die niedrigen Durchgänge zum Vorderhaus und zum benachbarten Anwesen ebenso hindeuten wie die Fenster auf Fußbodenniveau.
Das Götzhaus verdankt seinen heutigen Namen der letzten Besitzerfamilie. Wie Konrad Reinfelder in den Dettelbacher Geschichtsblättern 03/2014 schreibt, übernahm Bernhard Götz 1921 das Kaufhaus durch Heirat der Tochter des Vorbesitzers Johann Hauck. Er verkaufte „Kurz-, Weiß-, Woll-, Textil-, Spielwaren“. Sohn Oskar Götz führte das Textilkaufhaus weiter. Nach seinem Tod 1992 gab es noch einige episodische Nutzungen, bevor es endgültig leer stand. 2013 ging es in den Besitz der Stadt Dettelbach über.
Wie die Eigentumsverhältnisse, so wechselten auch die Nutzungen und der bauliche Zustand. Im Urzustand war schon von außen zu erkennen, dass der Eigentümer zu den Wohlhabenden gehörte. Die großen, schönen Fenster im Ostgiebel sagten dem Betrachter: „Ich habe in jedem Stockwerk eine gute Stube.“ Damals waren die Fenster das teuerste am Bau und deshalb meist nur klein.
Im Erdgeschoss waren meist Wirtschaftsräume untergebracht, die oberen Stockwerke dienten Wohnzwecken. In der Barockzeit war das Fachwerk unmodern und wurde deshalb überputzt. Die Größe und Anordnung der Fenster änderte sich und mit Hilfe von Holzverkleidungen täuschte man Gewände vor. Es dominierten die Farben ocker und rot. Größere Veränderungen gab es wieder im 19. Jahrhundert, als im Erdgeschoss ein Laden eingerichtet wurde. Eingänge und Fenster erfuhren erneut einen Wandel und eine andere Farbgebung kam ins Spiel, Staib vermutet einen Grünton. Dieser ist jedoch noch nicht belegt.
Mit Akribie und beinahe kriminalistischem Spürsinn will Architekt Staib im Laufe der nächsten Monate auch noch die letzten Rätsel des Götzhauses lösen. Seine Entdeckungen und Erkenntnisse will die Bürgermeisterin der Bevölkerung zugänglich machen, damit diese bei der Entwicklung eines Nutzungskonzepts qualifizierte und praxistaugliche Vorschläge machen kann.