
An diesem Samstag, 20. Februar, findet zum sechsten Mal das Saatgut-Festival in Iphofen statt. Bei der Veranstaltung in der Karl-Knauf-Halle von 11 bis 17 Uhr dreht sich alles um Saatgut und Biodiversität. Das Festival wird seit 2011 von Barbara und Martin Keller, den Gründern der Projektwerkstatt open house in Mainstockheim, organisiert.
Martin Keller: Einige, denn es gibt immer wieder Menschen, die uns ihre Haussorten anvertrauen. Wir nehmen das ernst und vermehren diese Sorten, die es sonst nirgends gibt – und wir verteilen sie weiter. Vielfalt braucht Viele, nur wenn die Sorten an verschiedenen Orten wachsen und von Menschen gepflegt werden, bleiben sie erhalten.
Keller: Die Saatgutbank ist unser Schatz. Sie befindet sich in unserem Keller und in einem speziellen Samenzimmer. Dort lagern mehrere hundert verschiedene Sorten, gut beschriftet, trocken, kühl und dunkel in verschlossen Schraubgläsern.
Keller: Dass Erwin Pelzig sich für Saatgut interessiert. Und der Pflücksalat Ricciolina Catalonga – für mich der schmackhafteste Salat überhaupt.
Keller: Open house hat sich aus dem Gentechnikwiderstand entwickelt. Wir verstehen uns als ein Verein, der Alternativen zu Kommerz und Globalisierung realisiert. Freies Saatgut steht im Mittelpunkt unserer Arbeit. Wir wollen Menschen inspirieren, selbst Initiative zu ergreifen. In der Saatgutarche findet das besonderen Ausdruck, denn als offene Gruppe bietet sie allen Interessierten eine Plattform, Saatgut zu tauschen.
Keller: Wir wären ja gerne in Iphofen geblieben, aber die Halle war zu klein geworden. Als uns dann die Stadt Iphofen die Möglichkeit geboten hat, auch noch einen Teil der Sporthalle zur ursprünglichen Veranstaltungshalle dazu zu mieten, waren wir begeistert. Hier gehören wir hin. Iphofen ist deutschlandweit die Keimzelle des Saatgut-Festivals.
Keller: Die internationalen Gäste aus Griechenland, Frankreich, Italien, Österreich – und Erwin Pelzig.
Keller: Das bleibt mein Geheimnis – wir freuen uns unglaublich, dass er mitmacht.
Keller: Die ganze Vielfalt der Kulturpflanzen! Von der Apfel- über die Kartoffelausstellung über hunderte von Tomatensorten – einfach alles was man für einen Vielfaltsgarten braucht. Auch typische Franken, wie die Quitte, sind vertreten.
Keller: . . . würde ich am liebsten ein paar schöne Sorten dazu legen, damit die Käufer mal was Gescheites zu essen bekommen.
Keller: Absolut. Ich finde, dass die Verbraucher oft hinters Licht geführt werden. Wenn die Menschen wüssten was da in ihrem Einkaufwagen liegt, würden sie darauf verzichten oder nach Alternativen suchen. So müssen CMS Hybriden beispielsweise weder auf dem Samenpäckchen noch als Gemüse als solche gekennzeichnet werden.
CMS bedeutet zytoplasmatische männlich Sterilität. Das heißt, die männlichen Pflanzenteile dieser Sorten sind unfruchtbar. Das erreicht man mit Methoden wie Elektroschock oder dem Einfluss von Chemikalien. Bei Kohl ist das mittlerweile verbreitet. Weil das aber als konventionelle Züchtung angesehen wird und nicht gekennzeichnet ist, wissen die meisten gar nicht, dass es das gibt und dass der Blumenkohl, den sie im Supermarkt kaufen, wahrscheinlich so eine CMS Hybride ist.
Keller: Nein, natürlich nicht, weil auch ich mal was auf die Schnelle einkaufe. Aber im Großen und Ganzen ernähren wir uns aus unserem Garten, da kommen nur samenfeste Sorten zur Aussaat. Wir kaufen Bio und regional beim Bauern, Gärtner und Winzer ein. Diese Menschen kenne ich und weiß, dass nicht nur das Biosiegel für Qualität steht, sondern der Mensch, der es anbaut.
Keller: Ganz klar! Es ist von zentraler Bedeutung, was wir essen. Essen ist der Brennstoff, der uns gesund und am Leben hält. Schlechtes Essen macht krank. Deshalb ist es wichtig, gut informiert zu sein und das Richtige zu essen. Das sind samenfeste Gemüse und Getreide aus Bioanbau. Nur aus gutem, samenfestem Saatgut können Lebensmittel wachsen, die diesen Namen verdienen. Hybriden werden für die industrielle Landwirtschaft gezüchtet, da steht Masse im Focus, nicht Klasse.
Keller: Beim Gemüse kann man sagen, dass die alten, samenfesten Sorten in der Regel mehr Vitamine, Mineralstoffe und sogenannte sekundäre Pflanzenstoffe beinhalten. Einige dieser sekundären Pflanzenstoffe sollen sogar krebsvorbeugend sein.
Keller: Es soll weltweit über 5000 Kartoffelsorten geben. Ich habe etwa 40 bis 50 Sorten probiert und baue zwölf Sorten in meinem Garten an.
Keller: . . . frage ich sie: ,Wer hat Euch das angetan? Ihr Armen müsst auf alles verzichten was eine gute Tomate ausmacht: Den guten Geschmack, die farbenfrohen Früchte und die interessanten Formen der samenfesten Sorten.' Ich freue mich immer auf meine Freilandtomaten.
Keller: Vieles ist verloren gegangen. Wer kennt noch den Kitzinger Wirsing? Wir konnten gerade noch eine Pflanze retten! Weltweit sind drei Viertel der Sorten ausgestorben und mit ihnen das Wissen über sie.
Keller: Ich esse Erdbeeren, wenn sie in meinem Garten reif sind, und Tomaten solange ich eigene habe, aber dann so viel davon, dass es mir reicht bis zum nächsten Jahr. Wenn ich doch mal schwach werde und mir Weihnachten Tomaten kaufe, weiß ich nach dem ersten Bissen, dass ich das nicht mehr tun werde, so enttäuschend ist der Geschmack.
Keller: Oh nein, wir haben schon viel erreicht. Die Vielfalt kommt zurück – sowohl politisch als auch auf der gärtnerischen Ebene konnten wir einiges ändern. Der industriefreundliche Gesetzesentwurf der EU-Kommission zum Saatgutrecht wurde vom EU Parlament abgelehnt, ein Erfolg! Überall sprießen Saatgut-Festivals aus dem Boden, davon hätten wir vor Jahren nur träumen können.
Keller: Ich gehe in meinen Garten.
Keller: Die samenfesten, alten Sorten müssen wieder zurück in die Gärten, auf die Felder und in die Küchen. Die Vielfalt muss gleichberechtigt neben den kommerziellen Sorten stehen. Die dänische Regierung geht da voran. Sie hat ein Saatgutgesetz erlassen, das die alten Sorten frei lässt. Das wünsche ich mir in Deutschland und in Europa – und dafür werden wir uns einsetzen.