
Bahnhöfe werden nicht umsonst als Visitenkarten für Städte und Gemeinden betrachtet. Deshalb war die Initiative von OB Stefan Güntner und dem Kitzinger Stadtrat, das denkmalgeschützte Bahnhofgebäude für die Stadt zu erwerben, ein wichtiger Erfolg. Dieses Bauwerk ist historisch, architektonisch und städtebaulich für Kitzingen von großer Bedeutung. Einige Anmerkungen zu Geschichte und Architektur des Bahnhofgebäudes.
Nord-Süd-Verbindung
Durch den Neubau der Bahnstrecke Fürth/Rottendorf wurde die kurze und direkte Süd-Nord-Verbindung Nürnberg – Würzburg in der Bauzeit von 1862 bis 1865 hergestellt. Parallel zur Errichtung der neuen, 86,6 Kilometer langen Bahnlinie entstanden zeitgleich zahlreiche Bahnhöfe. Am 19. Juni 1865 fand die feierliche Einweihung aller an der Strecke liegenden Bahnhöfe statt.

Der größte und der wirtschaftlich bedeutendste Ort an der Strecke zwischen Fürth und Rottendorf war Kitzingen mit damals etwa 5400 Einwohnern. Entsprechend seiner Einwohnerzahl, seiner Wirtschaftskraft und dem daraus zu erwartenden Transportaufkommen erhielt Kitzingen ein beeindruckend großes Bahnhofgebäude mit repräsentativem Charakter.
Es wurde weit vor den Toren der alten Stadt errichtet, mit Blick über das weite Maintal. Zeitgleich mit der Bahnerschließung erfolgte eine städtebauliche Erweiterung des gesamten Gebietes, dem Mühlberg mit dem Bau von repräsentativen Bürgerhäusern, Villen, Weinhandlungen und Mietshäusern.
Von dieser gründerzeitlichen Bebauung ist durch die Bombardierung Kitzingens am 23. Februar 1945 ein Großteil zerstört worden. Der Bahnhof, das eigentliche Ziel des Bombardements, wurde stark beschädigt, Gleisanlagen vollkommen zerstört, der Zugverkehr unterbrochen. Das Bahnhofshauptgebäude selbst hatte jedoch, wie Zeitzeugen berichten, keinen allzu großen Schaden genommen. Lediglich die Bahnhofgaststätte, der linke Flügelbau, war zu großen Teilen zerstört. Der Gebäudeteil wurde nach dem Krieg wieder sorgfältig aufgebaut.
Betrachtet man das Bahnhofsgebäude heute, so hat man den Eindruck, das originale Erscheinungsbild aus der Bauzeit vor Augen zu haben. Es gab jedoch eine Reihe von Eingriffen in die Architektur. Dazu gehören die Verlängerung des südlichen Seitenflügels, der Anbau des Bahnwärter-Kabinetts mit der technischen Einrichtung im Westen zum Bahnsteig hin sowie die nüchterne Überdachung des Eingangsbereiches hin zur Stadt im Stil der 70er Jahre.
Zum Westen hin wurde beidseitig die romantische historische Pergola zur Überdachung des Bahnsteigs abgerissen. Im Erdgeschoss wurden auf der Länge des Bahnsteigs an der Westwand die ursprüngliche Fenster-Wand-Gliederung durch eine neue ersetzt. Der Innenraum erfuhr im Erdgeschoss entsprechend neuer Nutzungsanforderungen große Veränderungen.
Architektur von Bahnhofgebäuden der königlichen Staatsbahn
Durch die industrielle Revolution im 19. Jahrhundert war ein regelrechter Bauboom in Deutschland entstanden, verbunden mit vollkommen neuen Anforderungen an Baumeister und Architekten.

Dies gilt ausnahmslos auch für die schnell steigende Zahl von Bahnhofgebäuden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Königreich Bayern. Es entstanden Bahnhöfe im Stil des Neobarock, der Neorenaissance, des Neoklassizismus oder der Neogotik.
Für Gebäude der königlich Bayerischen Staatsbahn wurden zentral, gleichsam nach einer Art Baukastensystem, eine Serie von Bahnhofgebäuden entwickelt. Zu den bedeutendsten Baumeistern, die im Königreich Bayern für Bahnhofplanungen verantwortlich waren, gehörten Eduard Rüber, Friedrich von Bürklein und Gottfried von Neureuther, sie waren die verantwortlichen Architekten der staatlichen Eisenbahnbau-Kommission.
Die Bahnhöfe der Ludwigs-Westbahn wurden weitgehend von Gottfried von Neureuther entworfen. Die Bahnhöfe der späteren Verbindung von Fürth nach Rottendorf wohl ebenfalls. Betrachtet man das Normtyp-Prinzip der Staatsbahnbauten – sie reichen von Typ I bis zum kleinsten Gebäudetyp VI – zeigen diese durchaus die Handschrift des Baumeisters Friedrich von Bürklein, so auch der Kitzinger Bau.
Das Kitzinger Bahnhofsgebäude entsprach dem Normtyp der Gattung II. Dieser Normtyp scheint nur einmal ausgeführt worden zu sein. Die Bahnhofgebäude Dettelbach, Mainbernheim und Emskirchen hingegen zeigen alle den Normtyp der Gattung IV mit jeweils kleinen Modifikationen.
Alle Normtypen in unserem Bereich sind im sogenannten „italienischen“ Stil entstanden, einem historistischen Stil mit starkem Anklang an die italienische Architektur der Frührenaissance.
Architektur des Bahnhofgebäudes in Kitzingen
Das Kitzinger Bahnhofgebäude ist ein dreigeschossiges Bauwerk zu fünf Achsen mit Mansarddach und zur Stadt hin vorspringendem Mittelrisalit zu drei Achsen. An den Seiten wird das Hauptgebäude jeweils von einem eingeschossigen Flügelbau flankiert, der die Rundbogenarchitektur des Erdgeschosses weiterführt. Sie besitzen flache Satteldächer, die Giebel waren tempelartig mit Akroteren aus Sandstein geschmückt.
Ursprüngliche Nutzung des Kitzinger Bahnhofgebäudes
In den Obergeschossen waren die Bediensteten-Wohnungen nach sozialer Hierarchie untergebracht. Im niedrigeren Zwischengeschoss wohnten gewöhnlich Bahnhofsmeister und Stationsdiener. Im zweiten Obergeschoss mit hohen repräsentativeren Räumen wohnte der „Expeditor“ (Verwalter) mit einem eigenen Zimmer für den Assistenten. Insgesamt war das Betreiben eines Bahnhofes sehr personalintensiv. In Kitzingen gab es im Jahr 1902 deshalb gleich 18 Bahnangestellte.