Zum allerersten Mal in seinem Leben verließ er seine Heimat Nepal. Vier Wochen ist das jetzt her. Ram Kumar Basnet reiste nach Deutschland, um hier unter anderem das Schulsystem kennen zu lernen. Kaum einen Tag lang war der Direktor der Seti-Devi-Schule in Marktbreit, da bebte daheim in Nepal die Erde. Die Sorge um seine Familie und seine Schüler in Seti Devi, einem Dorf am Rande der Hauptstadt Kathmandu, war riesengroß. Doch Basnet erlebte in der Fremde auch eine ungeahnte Hilfsbereitschaft.
„Wenn die Natur sich ein bisschen schüttelt, ist der Mensch machtlos“, sagt die Marktbreiter Hobby-Bergsteigerin und Nepal-Kennerin Margret Thalmann. „Aber dass es ausgerechnet die wirklich Armen trifft, ist eine Katastrophe.“
Hilfe für 50 Kinder
Seit vielen Jahren ist die Marktbreiterin Patin von vier Seti-Devi-Schülern. Der Gegensatz zwischen den majestätischen Gipfeln des Himalaya und der tiefen Armut der Bevölkerung hat sie von jeher berührt. Insgesamt finanziert sie gemeinsam mit Freunden, Verwandten und Bürgern aus und rund um Marktbreit 50 Kindern unter anderem die Schulbildung. Um Hilfe zur Selbsthilfe zu geben und den kulturellen Austausch zu fördern, hatte die 77-Jährige den Schuldirektor zu sich nach Hause eingeladen.
Am 24. April kam er hier an, gemeinsam mit Prami Shresta, der Vorsitzenden des gemeinnützigen Hattiban-Förderkreises e.V., dem auch Margret Thalmann angehört. Der Hattiban-Förderverein hatte die Flugkosten nach Deutschland übernommen – Basnet sollte bei der Jahreshauptversammlung in Wetzlar seine nepalesische Modell-Schule vorstellen. „Er war das erste Mal überhaupt aus Nepal weg und schon richtig aufgeregt, weil er so gern Schulen und Lehrer hier kennen lernen wollte.“
Leider blieb dazu zunächst keine Zeit. „Schon am ersten Morgen nach seiner Ankunft in Marktbreit kam die Schreckensnachricht von dem verheerenden Erdbeben mit tausenden Toten.“ Basnet war geschockt. Margret Thalmann erinnert sich: „Er rannte in der Wohnung hin und her, immer wieder liefen ihm Tränen übers Gesicht.“ 24 Stunden lang versuchte er vergeblich, Kontakt nach Seti Devi zu bekommen. „Die Ungewissheit war eine Qual!“
Die erlösende Nachricht
Am Sonntagmorgen um 7 Uhr gelang es endlich, eine telefonische Verbindung herzustellen. Dem 47-jährigen Nepalesen war die Erleichterung anzusehen, als er erfuhr: Seine Frau, seine Kinder und seine Schüler haben alle überlebt, die Schule steht, aber 22 Familienhäuser wurden beschädigt, einige komplett. „Er wollte sofort heimfliegen“, berichtet Margret Thalmann. „Aber es gab ja keine Flüge.“
In Marktbreit sprach sich unterdessen herum, dass der nepalesische Schuldirektor bei Margret Thalmann wohnte. „Etliche Leute haben mich angerufen und gesagt, sie würden mir gern ein bisschen Geld für den Wiederaufbau in Nepal in den Briefkasten werfen“, erzählt Margret Thalmann. „Ich habe allen gesagt: Nein, kommt lieber persönlich vorbei!“ Das taten viele dann auch. „Im Gespräch mit Ram Kumar Basnet traten ihnen dann nicht selten Tränen in die Augen.“
Insgesamt kamen innerhalb von zehn Tagen 6 856 Euro zusammen. „Einfach so! Das ist doch toll, oder?“ Margret Thalmann freute sich riesig über die enorme Hilfsbereitschaft von allen Seiten. „Das hätte ich nicht erwartet. Es ist ein echter Vertrauensbeweis, auch in unsere ehrenamtliche Nepalhilfe!“ Mit fast 7000 Euro könne man in Nepal zahlreiche Häuser wieder aufbauen. Sie sei „stolz auf unser Land“, sagt die 77-Jährige: „Wenn die Not groß ist, helfen die Leute.“
Ram Kumar Basnet war überwältigt, als Thalmann ihm vor seinem Rückflug das Geld übergab. „Er will sich mit dem Lehrerkollegium zusammensetzen und schauen, wo Hilfe am dringendsten nötig ist. Einige Schüler und ihre Familien brauchen besondere Unterstützung beim Wiederaufbau.“
Margret Thalmann selbst wird im September wieder nach Nepal reisen. Nachdem die leidenschaftliche Bergsteigerin im Jahr 2008 schon das Mount-Everest-Basislager auf nepalesischer Seite erreicht hat, ist heuer das 5200 Meter hoch gelegene Basislager auf der tibetischen Seite ihr Ziel. Genauso sehr freut sie sich aber darauf, ihre Patenkinder zu besuchen und sich vor Ort ein Bild von der Lage in Seti Devi machen. Sie hofft, dass der schwierigste Teil des Wiederaufbaus bis dahin geschafft ist.
Und Direktor Basnet? Bevor er nach zwölf Tagen in Marktbreit zurück nach Nepal flog, konnte er sich im Gymnasium und in der Grundschule doch noch ein Bild vom Unterricht in Deutschland machen. „Er hat sich ganz leidenschaftlich mit Schülern und Lehrern ausgetauscht“, berichtet Margret Thalmann.
Infos/Spenden: Konto-Inhaberin Margret Thalmann leitet Spenden an die Seti-Devi-Schule weiter: VR-Bank Kitzingen, DE49 79 19 00 00 00 09 44 80 63. Verwendungszweck: Seti-Devi-Schule. Info-Telefon: 09332/9107. Informationen über den Hattiban-Förderkreis e.V. gibt es im Internet unter www.hattiban-kinderhilfe.de Foto: *ldk*