Wütendes Grunzen und zarte Melodienbögen. Passt nicht? Passt doch. Amorphis können das. Das demonstrierten die Finnen den 700 Fans in der Geiselwinder Music Hall wieder einmal eindrucksvoll. Melodic Death Metal ist ja inzwischen salonfähig geworden, bedenklich nahe am Mainstream. Bei Amorphis ist’s immer noch authentisch, schließlich hat die Band dieses Genre maßgeblich mitgeprägt in den letzten zweieinhalb Jahrzehnten.
„Under the red Cloud“ – schon beim Titeltrack des aktuellen Albums wird klar: Die Truppe aus Helsinki ist bemüht, die Death-Metal-Wurzeln von 1990 nicht zu verleugnen. Obwohl da längst eine ganze Menge progressive Elemente mitschwingen. Anders als beispielsweise die Kollegen von Opeth schwören die beiden Gitarristen und Gründungsmitglieder Esa Holopainen und Tomi Koivusaari nach wie vor auf fette, tief gestimmte Bretter. Und haben in Tomi Joutsen, der auch schon über zehn Jahre sein seltsames Mad-Max-Mikro schwingt, einen kongenialen Partner: Tiefe, bei aller Aggressivität angenehm klingende Growls mischen sich mit wohl dosierten Klargesang-Passagen – die keinesfalls so aufgesetzt daherkommen wie bei vielen Melodic Deathern und Metalcore-Kapellen, die in den letzten Jahren wie Pilze aus dem Boden schießen.
Klar, auf der aktuellen Tour kommt auch viel aktuelles Material. Aber Amorphis versorgen in Geiselwind auch die frühen Fans aus der Zeit, als das Band-Logo noch bedeutend wilder aussah: „Drowned Maid“ vom 94er Meisterwerk „Tales from the Thousand Lakes“, „My Kantele“ oder „On Rich and Poor“ von der Nachfolgescheibe „Elegy“ – da gehen Old-School-Headbangern die Herzen auf. Neues wie „Bad Blood“ oder die erste Zugabe „Death of a King“, wo Keyboarder Santeri Kallio arabische Klang-Einsprengsel einfließen lässt, fügt sich harmonisch ein – und mit „The Smoke“ geht ein starker Auftritt zu Ende.
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Ebenso gelungen: die auf den ersten Blick gewöhnungsbedürftige Vorgruppen-Konstellation. Doomig-verträumt eröffnen die Griechen von Poem, mit wilden Rhythmussprüngen packen anschließend die holländischen Textures selbst Skeptiker. Eine Ouverture, die zu Amorphis passt – vielschichtig eben.