Plötzlich sind sie wieder Schüler mit langen Haaren und großen Träumen. "Ich hatte nur noch Beatmusik im Kopf. Die Schule war mir ziemlich wurscht", erzählt der Kitzinger Stadtrat Wolfgang "Mike" Popp (74). Seinem Vater missfiel das derart, dass er die Gitarre des Juniors zertrümmerte.
Das freilich änderte nichts daran, dass Popp mit zwei weiteren Kitzinger Jungs – Hans Dieter "Pip" Hufnagel und Karlheinz "Pre" Hückmann – 1964 die Band "The Falcons" gründete. Heute feiern vier gestandene Männer – ein Zahnarzt, zwei Lehrer und ein Chemiker – den sagenhaften 60. Geburtstag der Band.
Wolfgang Popp: Nein, 1964 haben wir uns gegründet, aus den Pfadfindern heraus. Es war kein Selbstläufer! Mein Vater zum Beispiel hat mir lange Zeit gar nicht erlaubt, auf Zeltlager zu gehen oder Gitarre zu spielen. Als ich trotzdem immer wieder gespielt habe, hat er seinen Ärger an der Gitarre ausgelassen.
Hans Dieter Hufnagel: Es war die Zeit, in der sich die Musikrichtung geändert hat. Der Rock’n’Roll war schon fast am Ende, es kamen die Beatles – und mit ihnen ein ganz neues, freies Lebensgefühl. Für die Eltern war das "Yeah, Yeah, Yeah" der Beatles ein schreckliches Geplärre.
Popp: Unsere Ausbildung? Learning bei doing! Und watching! Wir haben uns in die Hill-Billy reingeschlichen, La Paloma oder die Havanna-Bar und haben geguckt, wie und was die Bands dort spielen – bis wir rausgeflogen sind.
Hufnagel: Wir hatten kein Geld, waren allesamt noch Schüler mit 14, 15 Jahren. Mikes erste Basstrommel war eine umgedrehte Babybadewanne, auf die er mit Kochlöffeln einhämmerte. Das "Schlagzeug" bestand weiterhin aus umgedrehten Töpfen, Eimern und einem Abdeckblech als Crash-Becken.
Popp: Anfangs haben wir an zwei alte Radios per Bananenstecker kleine Mikrofone im TA-Ausgang angeschlossen und im Bauch der Wandergitarren befestigt. Das Dröhnen war einzigartig… Später haben uns der Hüllers Edi und der Böhms Herbert dann echte Verstärker zur Verfügung gestellt.
Popp: Spätestens, als Arnold Frey zu uns stieß – er hatte ein echtes Schlagzeug –, ging es qualitativ aufwärts. Ich stieg auf die Bass-Gitarre um. Meistens probten wir Samstagnachmittag. Immer häufiger kamen Zuhörer und abends gab es Partys mit Mädchen, Orangentanz und Kusswalzer…
Popp: Die Orangen mussten beim Tanzen zwischen zwei Stirnen gehalten werden. Und Kusswalzer ist ja klar. Vor jeder Party gab es aber immer erst ein Konzert. Zu unserem ersten Song "Wipe Out" von den Surfaris kamen Hits der Beatles, der Rolling Stones, der Kinks, der Lords und der Ventures. Geprobt haben wir im Keller meines Opas am Bernbeckplatz oder in der Waschküche bei Familie Hückmann in der Talstraße. In der Aula der Kitzinger Wirtschaftsschule hatten wir unseren ersten Auftritt – unvergesslich!
Hufnagel: Wir haben Apache gespielt – spielen wir immer noch. Shakin' All Over und Long Tall Sally in der Beatles-Fassung. Der Saal hat getobt, alle standen auf den Tischen! Zugaben wurden vom Veranstalter aus Sicherheitsgründen untersagt.
Hufnagel: Es herrschte auf jeden Fall ein irres Gefühl damals. Wir haben ein paarmal im Studentenhaus in Würzburg und bei der Tanzschule Hartung gespielt, es war eine tolle Zeit.
Popp: Es gab rund um Kitzingen eine richtig gute Band-Szene!
Hufnagel: Die Shakers waren die Besten! Aber da waren auch die Hemlocks, dann Scara Brae – später Crazy Papas –, Sunset, Albatros, Rattlefour and Rattlefive und viele andere.
Popp: Pre hat uns leider nach über einem guten Jahr verlassen, er ging zu Rattlefour. Wir fanden keinen adäquaten Ersatz – das war’s dann. Pip hat sich dann verstärkt seiner Zahnarztkarriere gewidmet, ich habe immer in vielen Bands gleichzeitig gespielt…
Hufnagel: 2008 haben wir die Falcons in Verbindung mit der "Wild Times"-Ausstellung aufleben lassen. Ich hatte 40 Jahre keine Gitarre in der Hand gehabt, dann kamen die Wild Times! Ich nahm nochmal Gitarrenunterricht – und seither spielen wir immer wieder zusammen, unsere Jugendzeit lebt auf.
Popp: Vor dem "Wild Times 2" im Jahr 2013 starb leider unser Gründungsmitglied und Freund, der Rhythmusgitarrist Karlheinz Hückmann. Für ihn kam mit Robert Brussig ein langjähriger Musikerfreund in die Band. Seit etwa zwei Jahren haben wir auch einen neuen Schlagzeuger: Roland Gack. Mit ihm spielen wir noch immer die Melodien der Shadows und Spotnicks. Für uns das Wichtigste ist: Wir haben Spaß! Wir waren dreimal Opener des "Wild Times"-Festivals und laden heuer, zum 60. Band-Geburtstag, zum dritten "Twist & Shout – Kitzi rockt" ein.