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Kitzingen
Die Falcons gehen wieder auf Jagd: Kitzinger Kult-Band feiert 60. Geburtstag mit "Twist & Shout - Kitzi rockt"
Orangentanz und Kusswalzer, die Babybadewanne als Trommel und zertrümmerte Gitarren: Fünf Jahre vor Woodstock war Kitzingen Hotspot für Musik und Party. Ein Revival.
Hans Dieter Hufnagel und Wolfgang Popp denken gern an die Band-Gründung vor 60 Jahren zurück.
Foto: Diana Fuchs | Hans Dieter Hufnagel und Wolfgang Popp denken gern an die Band-Gründung vor 60 Jahren zurück.
Diana Fuchs
 |  aktualisiert: 20.03.2024 02:52 Uhr

Plötzlich sind sie wieder Schüler mit langen Haaren und großen Träumen. "Ich hatte nur noch Beatmusik im Kopf. Die Schule war mir ziemlich wurscht", erzählt der Kitzinger Stadtrat Wolfgang "Mike" Popp (74). Seinem Vater missfiel das derart, dass er die Gitarre des Juniors zertrümmerte.

Das freilich änderte nichts daran, dass Popp mit zwei weiteren Kitzinger Jungs – Hans Dieter "Pip" Hufnagel und Karlheinz "Pre" Hückmann – 1964 die Band "The Falcons" gründete. Heute feiern vier gestandene Männer – ein Zahnarzt, zwei Lehrer und ein Chemiker – den sagenhaften 60. Geburtstag der Band.

Frage: 60 Jahre auf der Bühne – haben Sie sich da nicht verzählt?

Wolfgang Popp: Nein, 1964 haben wir uns gegründet, aus den Pfadfindern heraus. Es war kein Selbstläufer! Mein Vater zum Beispiel hat mir lange Zeit gar nicht erlaubt, auf Zeltlager zu gehen oder Gitarre zu spielen. Als ich trotzdem immer wieder gespielt habe, hat er seinen Ärger an der Gitarre ausgelassen.

Kennen Sie den?  In den 60ern, als junger Mann, hatte Wolfgang Popp mehr Bock auf Musik als auf Schule. Eins hat sich bis heute kaum geändert: seine Frisur (Ausschnitt aus dem Buch Wild Times).
Foto: Wolfgang Popp | Kennen Sie den?  In den 60ern, als junger Mann, hatte Wolfgang Popp mehr Bock auf Musik als auf Schule. Eins hat sich bis heute kaum geändert: seine Frisur (Ausschnitt aus dem Buch Wild Times).
Warum denn? Was war verwerflich an der Musik?

Hans Dieter Hufnagel: Es war die Zeit, in der sich die Musikrichtung geändert hat. Der Rock’n’Roll war schon fast am Ende, es kamen die Beatles – und mit ihnen ein ganz neues, freies Lebensgefühl. Für die Eltern war das "Yeah, Yeah, Yeah" der Beatles ein schreckliches Geplärre.

Und wie war die musikalische Qualität der jungen Falken?

Popp: Unsere Ausbildung? Learning bei doing! Und watching! Wir haben uns in die Hill-Billy reingeschlichen, La Paloma oder die Havanna-Bar und haben geguckt, wie und was die Bands dort spielen – bis wir rausgeflogen sind.

Hufnagel: Wir hatten kein Geld, waren allesamt noch Schüler mit 14, 15 Jahren. Mikes erste Basstrommel war eine umgedrehte Babybadewanne, auf die er mit Kochlöffeln einhämmerte. Das "Schlagzeug" bestand weiterhin aus umgedrehten Töpfen, Eimern und einem Abdeckblech als Crash-Becken.

Eine umgedrehte Babybadewanne diente Wolfgang Popp in den Anfangszeiten der Falcons als Basstrommel. Hans Dieter Hufnagel und Karlheinz Hückmann hatten Wandergitarren.
Foto: Wolfgang Popp | Eine umgedrehte Babybadewanne diente Wolfgang Popp in den Anfangszeiten der Falcons als Basstrommel. Hans Dieter Hufnagel und Karlheinz Hückmann hatten Wandergitarren.

Popp: Anfangs haben wir an zwei alte Radios per Bananenstecker kleine Mikrofone im TA-Ausgang angeschlossen und im Bauch der Wandergitarren befestigt. Das Dröhnen war einzigartig… Später haben uns der Hüllers Edi und der Böhms Herbert dann echte Verstärker zur Verfügung gestellt.

Und das Ergebnis der Proben?

Popp: Spätestens, als Arnold Frey zu uns stieß – er hatte ein echtes Schlagzeug –, ging es qualitativ aufwärts. Ich stieg auf die Bass-Gitarre um. Meistens probten wir Samstagnachmittag. Immer häufiger kamen Zuhörer und abends gab es Partys mit Mädchen, Orangentanz und Kusswalzer…

Orangentanz und Kusswalzer?

Popp: Die Orangen mussten beim Tanzen zwischen zwei Stirnen gehalten werden. Und Kusswalzer ist ja klar. Vor jeder Party gab es aber immer erst ein Konzert. Zu unserem ersten Song "Wipe Out" von den Surfaris kamen Hits der Beatles, der Rolling Stones, der Kinks, der Lords und der Ventures. Geprobt haben wir im Keller meines Opas am Bernbeckplatz oder in der Waschküche bei Familie Hückmann in der Talstraße. In der Aula der Kitzinger Wirtschaftsschule hatten wir unseren ersten Auftritt – unvergesslich!

Inwiefern unvergesslich?

Hufnagel: Wir haben Apache gespielt – spielen wir immer noch. Shakin' All Over und Long Tall Sally in der Beatles-Fassung. Der Saal hat getobt, alle standen auf den Tischen! Zugaben wurden vom Veranstalter aus Sicherheitsgründen untersagt.

Vor den Star-Schnitten: die Schülerband Falcons Mitte der 60er-Jahre.
Foto: Wolfgang Popp | Vor den Star-Schnitten: die Schülerband Falcons Mitte der 60er-Jahre.
Fünf Jahre vor Woodstock schon ein bisschen Woodstock-Feeling?

Hufnagel: Es herrschte auf jeden Fall ein irres Gefühl damals. Wir haben ein paarmal im Studentenhaus in Würzburg und bei der Tanzschule Hartung gespielt, es war eine tolle Zeit.

Popp: Es gab rund um Kitzingen eine richtig gute Band-Szene!

Hufnagel: Die Shakers waren die Besten! Aber da waren auch die Hemlocks, dann Scara Brae – später Crazy Papas –, Sunset, Albatros, Rattlefour and Rattlefive und viele andere.

Wie ging es mit den Falcons voran?

Popp: Pre hat uns leider nach über einem guten Jahr verlassen, er ging zu Rattlefour. Wir fanden keinen adäquaten Ersatz – das war’s dann. Pip hat sich dann verstärkt seiner Zahnarztkarriere gewidmet, ich habe immer in vielen Bands gleichzeitig gespielt…

Doch dann gab es ein Revival!

Hufnagel: 2008 haben wir die Falcons in Verbindung mit der "Wild Times"-Ausstellung aufleben lassen. Ich hatte 40 Jahre keine Gitarre in der Hand gehabt, dann kamen die Wild Times! Ich nahm nochmal Gitarrenunterricht – und seither spielen wir immer wieder zusammen, unsere Jugendzeit lebt auf.

Die Falcons heute: Hans Dieter Hufnagel, Robert Brussig, Roland Gack und Wolfgang Popp.
Foto: Michael Zink | Die Falcons heute: Hans Dieter Hufnagel, Robert Brussig, Roland Gack und Wolfgang Popp.

Popp: Vor dem "Wild Times 2" im Jahr 2013 starb leider unser Gründungsmitglied und Freund, der Rhythmusgitarrist Karlheinz Hückmann. Für ihn kam mit Robert Brussig ein langjähriger Musikerfreund in die Band. Seit etwa zwei Jahren haben wir auch einen neuen Schlagzeuger: Roland Gack. Mit ihm spielen wir noch immer die Melodien der Shadows und Spotnicks. Für uns das Wichtigste ist: Wir haben Spaß! Wir waren dreimal Opener des "Wild Times"-Festivals und laden heuer, zum 60. Band-Geburtstag, zum dritten "Twist & Shout – Kitzi rockt" ein.

Aktuell sitzt Roland Gack für die 'Falcons' am Schlagzeug. Er ist im Jahr der Band-Gründung, 1964, geboren.
Foto: Michael Buttmann | Aktuell sitzt Roland Gack für die "Falcons" am Schlagzeug. Er ist im Jahr der Band-Gründung, 1964, geboren.

Twist & Shout

Twist & Shout – Kitzi rockt: Mit alten Songs, aber auch neuen Arrangements feiern die Falcons am Freitag, 19. April, ihren 60. Band-Geburtstag. Um 19.30 Uhr beginnt im Roxy-Kino eine musikalische Zeitreise. Für 20 Euro Eintritt spielen die "Falcons" live wie in den 60ern (Beatles, Stones, Shadows, Ventures, Spotnicks, Hank Marvin…).
Es werden historische und aktuellere Filmaufnahmen namhafter Kitzinger Bands gezeigt (etwa der Shakers, Hemlocks, Wirsching & Krauts, Sunset, Albatros, Illegals, Falcons, Scara Brae, Crazy Papas, Falcons). Dazu schenkt Hans Ruck bei einer Weinprobe verschiedene Rebensäfte aus.
Reservierung: Tickets gibt es ab sofort im Roxy, Tel. 09321/1409600.
Quelle: ldk
 
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