Mit einer Gedenkstunde haben Vertreter aus Politik, Kirche und Gesellschaft in Kitzingen an die Opfer und Gräuel der Pogromnacht in Deutschland erinnert.
"Auch 86 Jahre nach der unfassbaren Reichspogromnacht ist der Antisemitismus in Deutschland nach wie vor stark verbreitet, sowohl in der eigenen Bevölkerung als auch im Kreise derer, die in den letzten Jahren nach Deutschland eingewandert sind", sagte Kitzingens Oberbürgermeister Stefan Güntner am Samstagabend vor der Alten Synagoge. Leider falle die Bilanz im laufenden Jahr traurig aus, habe es doch bislang deutschlandweit 3200 als antisemitisch eingestufte Straftaten gegeben.
Güntner erinnerte an den 9. November 1938, als im gesamten Deutschen Reich Synagogen gebrannt und organisierte Schlägertrupps jüdische Geschäfte in Brand gesteckt hatten. Es sei der Tag gewesen, an dem Tausende Juden misshandelt, verhaftet oder gar getötet worden seien. "Diese Nacht war damals der Startschuss zum größten Völkermord in unserer Geschichte", sagte der Oberbürgermeister.
Die Pogromnacht stehe als Sinnbild für Antisemitismus
Nach Schätzungen von Historikern hätten während und unmittelbar nach diesen Ausschreitungen 1300 Menschen sterben müssen. Die Reichspogromnacht stehe als Sinnbild für den Antisemitismus in Deutschland und für die damals entwickelte "Endlösung der Judenfrage" in Form der Ermordung der europäischen Juden im deutschen Machtbereich.
In München habe heuer ein Mann mit Schusswaffe im Bereich des israelischen Generalkonsulats von der Polizei gestoppt werden müssen. Auch in Kitzingen gebe es Menschen, die das Existenzrecht Israels bestreiten, sagte der OB. So richtig bewusst geworden sei ihm das durch Kommentare in sozialen Medien nach dem Terrorangriff der palästinensischen Hamas auf Israel im Oktober 2023. Ihn stimmten die Polizeieskorten nachdenklich, die es bei Veranstaltungen wie der Reichspogromnacht oder Stolpersteinverlegungen bedürfe.
Für Güntner ist es weiterhin notwendig, an die schrecklichen Ereignisse von 1938 zu erinnern. In diesem Zusammenhang bedankte er sich bei den Verantwortlichen und Mitgliedern des Fördervereins Alte Synagoge mit Margret Löther an der Spitze für deren Engagement.
Kirchenvertreter rufen zum Miteinander von Christen und Juden auf
Die evangelische Dekanin Kerstin Baderschneider wandte sich gegen antisemitische Stereotype und verurteilte die Hetze gegen Menschen. Der katholische Diakon Jörg Kornacker betonte, dass die Juden das Volk Gottes waren, und sagte: "Die Berichte der Opfer beschämen uns." Er hoffe darauf, dass der Zusammenhalt von Juden und Christen gefestigt werde. Margret Löther kam auf die Stolperstein-Verlegung für die Familie Sonder vom Freitag zu sprechen.
Nach einem weiteren Stück des evangelischen Posaunenchors gingen die rund 80 Anwesenden mit Bilder deportierter Menschen in die Alte Synagogen, um sie dort aufzustellen und einer Geschichte von Gabriele Brunsch zu lauschen.