Näher kann man dem Ursprung der Milch nicht kommen: Keine 30 Meter vom Stall mit den rund 60 Kühen steht die Frischmilch-Zapfanlage. Das blaue Häuschen mit der schwarz-rot-goldenen Kuh davor nennt sich offiziell Milchtankstelle, ist 24 Stunden geöffnet und gehört Familie Hörner.
Ideen hat Bernd Hörner viele
Der Ortsrand von Kleinlangheim. Hier hat die Familie ihr landwirtschaftliches Anwesen, schon der Vater bewirtschaftete den Aussiedlerhof. Jetzt hat Bernd Hörner mit seiner Frau Sabine und den drei Töchtern das Sagen. Ideen, was sich ergänzend zur Milchwirtschaft machen ließe, hatte der 43-Jährige schon länger. Eine eigene Käserei zum Beispiel geisterte ihm im Kopf herum. Bis er schließlich von einem Ausflug nach Oberbayern die Milchtankstellen-Idee mitbrachte. Davon machten deutschlandweit in den vergangenen Jahren einige Hundert auf. Die von Familie Hörner gehört seit genau einem Jahr dazu.
Nach reichlicher Überlegung und mehrfacher Einberufung des Familienrates war klar: Die Kleinlangheimer Familie würde den Schritt wagen, die Investition lohnt sich. So kam es, dass die Hörners im Februar 2016 zu Selbstvermarktern wurden und ein Teil der produzierten Milch in Sichtweite der Ställe selbst verkaufen. Direkt ab Hof, frisch aus dem Milchautomaten – das war eine Premiere im Landkreis Kitzingen.
Mit Milch wieder Gewinn erzielen
Die Idee dahinter ist einfach: Auf der einen Seite sind da sinkende Milchpreise. Auf der anderen Seite gibt es ein steigendes Interesse an regionalen Produkten – genau das könnte für den Ausgleich und dafür sorgen, dass mit Milch endlich wieder Gewinn erzielt werden kann.
Die Milchtankstelle selber ist einfach zu bedienen. Eine Schiebetüre gibt den Weg frei. Der Automat erklärt sich von selber, ein schlauer Kasten, der sogar Rückgeld rausgeben kann. Ein Liter der auf fünf Grad heruntergekühlten Milch kostet ein Euro. Geld einwerfen, Behälter hinstellen, Taste drücken – läuft.
Rohmilch vor dem Verzehr abkochen
Wer hier zapft, kann sich auf den denkbar kürzesten Weg der Milch verlassen – die Kühe sind in Hörweite. Nach dem Melken kommt die Milch in einen gekühlten Tank auf dem Hof. Dort werden bis zu 100 Liter abgezapft und in eine Wanne gefüllt, die dann im Bauch des Automaten landet. Die Kunden können sich so viel Milch abzapfen, wie sie wollen. Das alles erklären Schilder an und neben dem Automaten. Dort steht auch der Hinweis, dass man Rohmilch vor dem Trinken abkochen sollte. Und wie man den Besitzer der ungewöhnlichen Tankstelle telefonisch erreichen kann, falls doch mal etwas sein sollte.
Die Transportgefäße bringen die Profis unter den Frischmilch-Käufern meist selbst mit. Man kann die Flachen aber auch vor Ort kaufen. Seit vergangenen Dezember gibt es nämlich einen zweiten Automaten – ein guter Beleg, dass der Zapf-Plan aufgegangen ist.
Weitere Angebote
In dem neuen Automaten gibt es – neben Milchflaschen – zusätzliche Frische-Produkte: Eier, Hausmacher-Eiernudeln, Honig und demnächst auch Apfelsaft. „Wir probieren gerade aus, was geht und was nicht geht“, so der Landwirt. Was auf alle Fälle geht ist Käse. Zwar nicht aus der eigenen Käserei, aber immerhin aus eigener Milch, die in einer Käserei in Neustadt/Aisch zur Leckerei heranreift.
Dass hier alles aus einer Hand kommt, wissen die Abnehmer zu schätzen. Die kommen aus Volkach, Ochsenfurt und Würzburg. Mittlerweile gibt es sogar so etwas wie Sammelbestellungen und es werden auf einen Schlag 20 Liter geholt, hat Hörner beobachtet. Überraschend viele junge Leute tauchen auf, aber auch ehemalige Landwirte, die ihre Milchviehhaltung aufgeben mussten und sich jetzt freuen, weiterhin nicht auf dem Rohmilchgeschmack verzichten zu müssen.
Die Rund-um-die-Uhr-Öffnungszeiten locken zusätzlich: Scheinbar gibt es genügend Menschen, denen Sonntagmorgen ihre Frischmilch fehlt oder die Mitternacht Heißhunger auf Spiegelei bekommen. So eine Milchtankstelle scheint jedenfalls ein bisschen an die „gute, alte Zeit“ zu erinnern und macht gute Laune: „Wenn sich die Kunden freuen, freut man sich auch“, sagt Hörner.
Mit dem ersten Jahr sind die Hörners durchaus zufrieden. Dass die Betreuung der Milchtankstelle etwa eine Stunde Zeit am Tag kostet, nehmen sie in Kauf. Wenn überhaupt, ärgert man sich eher darüber, den Schritt nicht schon einige Jahre früher gewagt zu haben. Warum, lässt sich an der schwarz-rot-goldenen Kuh vor der Milchtankstelle ablesen. Auf der steht in weißen Buchstaben „Die faire Milch.“