
Kurz vor Weihnachten, Redaktionskonferenz. Ich gestehe ein Geheimnis, einen unerhörten Traditionsbruch. Meine Kollegin ist geradezu erschüttert: "Was? Du hast noch nie 'Drei Haselnüsse für Aschenbrödel' gesehen?" Ja, ich gebe es zu. Ich bin nicht #TeamAschenbrödel. Ich habe Jahr um Jahr mit Faszination, aber Unverständnis die Social-Media-Postings von Freunden und Freundinnen mit den Sendeterminen verfolgt. Und mit eher soziologischem Interesse die Tiktok-Tänze zur Flötenmusik vom Königshof.
Hohe Erwartungen an den Film von 1973
Für meine Kollegin gehört die tschechisch-ostdeutsche Märchenverfilmung zu Weihnachten dazu. "Wenn ich an den Film denke", sagt sie, "denke ich an einen gemütlichen Sonntagnachmittag vor dem Fernseher und alle sind zufrieden." Eine hehre Aussicht. Und nachdem ich eine haselnussfreie Kindheit verbringen musste, diesen Verlust eingerechnet offenbar eine tragische, nehme ich mir vor, zu Weihnachten endlich diesen Film zu sehen. Mit hohen Erwartungen.
Meinen Partner spanne ich auch ein, der allerdings wenig begeistert ist. "Schnaps ist da", sagt er nur. So sitzt er also mit verschränkten Armen neben mir und motzt. Der Vorspann und das Titellied erfüllen ihn mit einer Gänsehaut. Von innen. Und: "Das sind Dialoge wie aus einem Bud Spencer Film: "Warten wir auf den Morgen – der Morgen ist klüger als der Abend!" Tiefe Zufriedenheit sieht anders aus.
Wir können zum Glück gemeinsam über seine Einwände lachen. Doch ich muss ein zweites Geständnis machen: Anders als die drei Haselnüsse auf das Aschenbrödel, hat der Film keine magische Wirkung auf mich. Das liegt vor allem an den offenen Fragen.
Die ungenutzte Macht der Haselnüsse
Was, wenn Aschenbrödel eine schwere Haselnussallergie hätte? Warum nutzt sie die Haselnüsse nicht für sinnvollere Dinge? Warum läuft dieser Film an Weihnachten in Dauerschleife, obwohl er nichts mit Weihnachten zu tun hat? Warum pfeift das Aschenbrödel nicht auf den Prinzen, der sich nur wegen des geheimnisvollen Auftritts in sie verliebt? Der sie und ihr schönes, wildes Wesen bis zum Schluss nicht erkennt und so eben nicht: kennt?
So ist es eine halbgare Liebesgeschichte. Glücklicherweise gibt es genug andere Verfilmungen des Cinderella-Stoffs, laut Wikipedia mindestens 37. In der ruhigen Zeit zwischen den Jahren habe ich also genug mit der Suche nach dem besten Aschenputtel-Film zu tun. Meinen Prinzen habe ich zum Glück schon.