Eine Wanze? Josef Mend war sich nicht ganz sicher, was da vor ihm auf dem Boden des Possenheimer Bürgerhauses kreuchte.
Der Ortssprecher Jürgen Adler erhob sich von seinem Platz neben Mend, um des Insekts habhaft zu werden. Da spreizte es seine Flügel und wurde aufsässig – nun hockte es auf des Bürgermeisters Zwirn. Für einen Moment hielt Mend inne und verfolgte amüsiert die kurze Jagd. Ganz so lässig wie eine lästige Fliege oder Wanze ließ sich das Thema des Abends nicht vom Tisch wischen. Schon am Tag zuvor, bei der Bürgerversammlung in Birklingen, standen die Straßenausbaubeiträge auf der Agenda – mit einem feinen Unterschied: Die Birklinger werden sie wohl nicht mehr bezahlen müssen, die Possenheimer haben die letzte Rate im November 2017 überwiesen, zu jener Zeit, als das Thema im Freistaat durch ein angekündigtes Bürgerbegehren rasant an Fahrt gewann.
„Bezahlt ist bezahlt“
„Ich kann verstehen“, sagte Iphofens Bürgermeister am Mittwochabend, „dass das bei einigen Unmut auslöst.“ So viel Unmut aber löste das Thema unter den 35 Possenheimern im Saal des Bürgerhauses gar nicht aus. „Bezahlt ist bezahlt“, sagte einer in der vorderen Reihe. Von Helmut Fink kam der Hinweis, die Kommunen würden sich, wenn ihnen die Straßenausbaubeiträge als Einnahmequelle wegbrächen, das Geld auf andere Weise holen, etwa über eine höhere Grundsteuer, und er sagte: „Wir möchten nicht noch einmal bezahlen.“
Genau das aber werde sich nicht vermeiden lassen, erwiderte Mend. Er wiederholte, was er schon in anderen Stadtteilen sagte: dass die von den Freien Wählern, also seiner Partei, angestoßene und von der CSU bereitwillig aufgegriffene Debatte um die Abschaffung der Beiträge „absoluter Schwachsinn“ sei; dass den Kommunen ein „bewährtes Finanzinstrument“ wegbreche; und dass es politisch klüger gewesen wäre, die Beiträge zu behalten und nur die Härtefälle zu mildern.
Noch nichts konkretes
Dafür ist es nun zu spät. Die Beiträge werden abgeschafft, das steht fest – viel mehr aber auch nicht. Der jüngste Vorschlag der Freien Wähler sieht vor, den Bürgern Beiträge zu erstatten, die nach dem 1. Januar 2014 geleistet wurden, die CSU lehnt das ab. Und so konnte der selten so ratlose Bürgermeister den Leuten nur sagen, dass er eben „nichts Konkretes“ sagen könne, weil noch „sehr viele Fragen offen“ seien und „viele unterschiedliche Modelle diskutiert“ würden.
Auch andere Dinge blieben an diesem Abend im Dunkeln, etwa Antworten darauf, wie es mit den leer stehenden Immobilien im Dorf weitergeht. Das ehemalige Gasthaus Goldene Krone (Poststraße 1) ist eines der Objekte, für das die Stadt derzeit ein vom Freistaat gefördertes Wohnraumkonzept erstellen lässt. Und nachdem die Possenheimer im vorigen Jahr bereits eine „Abrissparty“ gefeiert haben, ist die alte Schule nun endgültig dem Untergang geweiht. An ihrer Stelle sollen noch dieses Jahr drei Bauplätze entstehen. Das Dorf braucht Bauland, es wächst, und das weit schneller als alle anderen Iphöfer Stadtteile. Seit 1990 ist die Einwohnerzahl um 20 Prozent gestiegen, auf heute 218.
Pulsierende Keimzelle
Das liegt auch daran, dass die Ortsgemeinschaft aktiver und vitaler ist als anderswo. Mit dem Bürgerhaus ist vor 18 Jahren nicht nur ein bauliches Kleinod entstanden, sondern auch eine pulsierende Keimzelle für alles dörfliche Leben. Eine der treibenden Kräfte für dessen Sanierung war der damalige Ortssprecher Karl Hofmann. Er hat am Mittwochabend ein paar Anekdoten aus längst vergangenen Zeiten zum Besten gegeben. Damit sie nicht ganz vergessen werden, will er sie demnächst in einem Büchlein herausgeben, das stetig fortgeschrieben werden soll. Vielleicht steht dort irgendwann auch die Geschichte, als dem Bürgermeister eine vermeintliche Wanze erschien, der Flügel entsprossen.