Eigentlich wollte der Prichsenstädter Hermann Schlossnagel gar kein Nachtwächter, Prichsenstadts Symbolfigur, werden. Dass er es doch wurde, „verdankte“ er einem Weinfest. Das wollte der etatmäßige Nachtwächter und Prichsenstadts Unikat, Christoph Wolf, nicht verpassen und schickte stattdessen Schlossnagel zum Treffen der europäischen Nachwächtergilde ins polnische Krakau. Dort wurde Schlossnagel prompt aufgenommen. Das war am 10. Juni 1989. Und 25 Jahre später, am 11. Juli 2014, durfte sich Schlossnagel bei einem feierlichen Akt im Goldenen Buch der Stadt Prichsenstadt verewigen. Die Bürgermedaille war Schlossnagel schon vor einiger Zeit verliehen worden.
Neben dem Dank von Herwig Hinney für den Verein Alt Prichsenstadt betonte Bürgermeister René Schlehr in seiner Laudatio vor allem die erbrachte Leistung. Dieser Begriff finde sich nicht nur in der Physik, im Recht, in der Psychologie oder im Sport wieder, sondern auch und vor allem im Ehrenamt. „Sie sind grundsätzlich immer freundlich, immer nett, nie böse – das hat Sie ausgezeichnet“, sagte Schlehr vor den geladenen Gästen im historischen Trauzimmer des Rathauses. Mit seiner Art sei er ein „Werbeträger für die Stadt“, zumal er nicht nur Nachwächter sei, sondern sich auch als Leiter des Posaunenchores und als Sänger im Männergesangverein einsetze. „Das ist mehr als ein normales Einsetzen, das ist vorbildlich“, so Schlehr.
Zu den ungezählten Gästen seiner Führungen gehörten auch viele hochrangige Persönlichkeiten, von denen der Bürgermeister nur die wichtigsten aufzählte. Das waren unter anderem der ehemalige Bundespräsident Roman Herzog, Altbundeskanzler Helmut Kohl, der ehemalige Ministerpräsident Edmund Stoiber und auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, letztere sogar zweimal. Dass er diese Personen führen durfte, „lag wohl daran, dass in Prichsenstadt der ehemalige Bundesminister Michael Glos lebt und die Kontakte geknüpft hatte“, mutmaßte Schlossnagel. Aber auch Hannelore Elsner, Carolin Reiber und Ruth-Maria Kubitschek ließen sich von ihm durch die historische Altstadt führen.
In die damals 60 Personen zählende Gilde selbst, sagte Schlossnagel, „war ich in dem Moment aufgenommen worden, als ich das erste Mal dabei war“. Der damalige Gildemeister hatte gesagt, Schlossnagel sei der Nachfolger Wolfs. „Wir nehmen ihn jetzt auf. Ist jemand dagegen? Nein, also: aufgenommen“, zitierte Schlossnagel den Meister. Seitdem hat der Prichsenstädter keins der Treffen der europäischen Gilde versäumt, egal wo auf dem Kontinent sie auch gewesen sind.
Auch in den gastronomischen Betrieben des Ortes war Schlossnagel jederzeit sehr gern gesehen. Nicht, um nach einer Führung dort einzukehren, sondern um den Gästen, darunter viele Touristen, die Zeit und einige lustige Verse zu singen. Dafür ließen die Gastwirte ein eigenes Geschenk springen, als Anerkennung für seine Arbeit.
Schlossnagel ist nicht der einzige Prichsenstädter, der die Symbolfigur darstellt. Martin Assel, Peter Zidek und sein ehemaliger „Lehrling“ Willi Eich waren ebenfalls zum feierlichen Akt geladen worden. Für Schlossnagels Lebensgefährtin Lieselotte Hansch hielt Schlehr einen Blumenstrauß bereit, für den Geehrten selbst einen verschlossenen Umschlag „mit einer kleinen Anerkennung seitens der Stadt“.
Nach dem offiziellen Teil blieb noch genug Zeit, um den vielen Anekdoten des Nachtwächters zu lauschen.
