Höhepunkt dieser Leidenschaft - der Spartathlon in Griechenland Ende September diesen Jahres. Der härteste Non-stop-Lauf der Welt, sagt Witzko. 245,3 Kilometer von Athen nach Sparta, dazwischen Zeitlimits, die die Harten von den Härtesten trennen.
"Man muss schon ein bisschen crazy sein"
Otmar Witzko Extremläufer
Witzko quält sich nachts auf Geröllwegen über einen Pass auf 1000 Metern, holt sich Blasen, ein Gelenk schwillt bei Kilometer 220, aber der Finanzbeamte kommt durch. Nach gut 35 Stunden ist er im Ziel, als 68. von 279 Läufern (nur 97 kommen an). Die Belohnung für den Brutalo-Trip: Tausende von Zuschauern am Ziel in Sparta toben. Witzko badet in Glückshormonen.
Der Weg zum Gipfel des Extrem-Laufs in Sparta begann bodennah. Ganz bodennah. Mit Volkswandern. Witzko ist 16, als ihn der Virus Laufen vom Fernseher wegzerrt. Er nimmt gleich 20 Kilometer unter die Füße. Und kriegt die Quittung: zwei Wochen Muskelkater. Die steckt er weg, bleibt beim Volkswandern am Ball. Sechs Jahre lang ist er fast jedes Wochenende unterwegs.
Die Strecken werden immer länger - bis der erste 100-Kilometer-Lauf lockt. November 1979 in Belgien. Mit einem Freund und 120 weiteren "Verrückten" macht sich Witzko bei bitterer Kälte auf die Strecke. Mit dem zweiten paar Socken an den Händen und im Nacken das Zeitlimit: 24 Stunden. Witzko quält sich, kommt mit gut 19 Stunden durch, fängt sich wieder einen Zwei-Wochen-Muskelkater ein und schwört sich: nie wieder.
Das Nie-wieder hält drei Jahre. Schuld ist ein Mann, der bei einem Volkswandertag mit einem T-Shirt antritt, auf dem steht: "100 km Todestour." Die Herausforderung ist zu viel. Witzko macht 1982 den Hunderter, braucht 16 Stunden und 30 Minuten, hängt fünf Wochen später den nächsten Ultra-Lauf an und setzt sich ein Ziel: 100 Hunderter müssen es sein.
Die Ausdauer für die Endlos-Strecken holt sich der Finanzbeamte bei Volkswander-Marathons und knackigen Trainingseinheiten. Runde 70 Kilometer pro Woche sind die läuferische Normalkost, vor dem Spartathlon habe er drei Monate lange 100 Kilometer pro Woche die Laufschuhe durchgetreten. Weil das alleine fürs Ultra-Laufen nicht reicht, gibt's noch Hantel-Training zur Rückenstärkung - bis zu drei Mal pro Woche.
Der Lauf-"Verrückte" packt ein Riesenpensum auf seine Füße - reißt gar in einem Jahr zehn Hunderter runter. Wie das geht? "Ich bin nur ganz selten an meine Grenzen gegangen", betont Witzko. Auch nicht bei den Marathons, die er zwischen seine Ultra-Rennen einstreute. Nach dem Peking-Marathon und einer kurzen Dusche habe er die Stadt ein paar Stunden lang besichtigt.
Apropos besichtigt: 25 Länder auf fünf Kontinenten hat der 49-Jährige für seine Hunderter unter die Füße genommen. Und sich dabei einen Namen als Original gemacht. Beispielsweise in Frankreich, wo er im Dauerregen elf Stunden mit dem Regenschirm lief. Oder als Mann mit dem Beutel: Witzko läuft seine Ultras mit einem Säckchen in der Hand, in dem neben der Trinkflasche Sonnencreme, Pflaster und Kohlehydrat-Pulver stecken.
Mit dem Beutel ist jetzt Schluss. Und mit den Extrem-Läufen. Das hat Witzko seiner Freundin versprochen. Der 49-jährige will mehr Zeit mit ihr verbringen, mehr Zeit für seinen Garten und sein Eigenheim am Rand von Wiesentheid haben und überhaupt etwas kürzer treten. Nur noch ein paar Marathons machen. Schließlich hat er "erst" 69 abgespult. 110 sollen es werden, wenn möglich alle unter einer Zeit von drei Stunden und zehn Minuten - und dieses Ziel muss abgehakt sein vor dem 60. Geburtstag. Vorerst macht Witzko Urlaub. In Asien. Und natürlich - wie versprochen - ohne Hunderter. Trotzdem gönnt sich der Mann vom Kitzinger Finanzamt ein wenig Bewegung. Erst läuft erst die 42 Kilometer und ein paar Zerquetschte in Bangkok und später in Singapur. Wie sagte er so schön: "Man muss schon ein bisschen crazy sein."