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BRÜNNAU
Der letzte Wanderschäfer seiner Art im Landkreis Kitzingen
370 Mutterschafe und 60 Jungtiere stehen derzeit bei Schäfer Heinz Schmidt im Stall in Brünnau. In wenigen Wochen gehen sie wieder auf Wanderschaft – und darauf freut sich der letzte Vollzeit-Wanderschäfer im Landkreis Kitzingen genauso wie seine Tiere. Fotos: Daniela Röllinger
Foto: Daniela Röllinger | 370 Mutterschafe und 60 Jungtiere stehen derzeit bei Schäfer Heinz Schmidt im Stall in Brünnau. In wenigen Wochen gehen sie wieder auf Wanderschaft – und darauf freut sich der letzte Vollzeit-Wanderschäfer im ...
Daniela Röllinger
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:41 Uhr

Heinz Schmidt setzt den Hut auf, nimmt den langen Stab in die Hand und sofort laufen die Schafe Richtung Tor. Sie wollen raus, in die Natur, genauso wie der Schäfer auch. Der Brünnauer liebt das harte Leben des Berufsschäfer, das in seiner Familie bereits sechs Generationen zurückreicht. „Mindestens“, sagt der 60-Jährige. Von den früheren Kollegen im Landkreis ist keiner mehr übrig. „Heinz Schmidt ist hier der Letzte seiner Art“, sagt Wolfgang Thomann, Fachberater für Schafe, Ziegen und Gehegewild am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Kitzingen-Würzburg (AELF).

„Ich bin ein kleiner Schäfer“, erklärt Heinz Schmidt, „mini sogar“. Wer mit ihm im Stall bei den Tieren steht, mag das kaum glauben. 430 Schafe sind dort derzeit untergebracht – 370 Mutterschafe und 60 Tiere für die Nachzucht. „Die Größe liegt am unteren Ende der Existenz“, sagt Wolfgang Thomann. 500 Muttertiere seien ein guter Mittelwert, der Trend gehe aber zu 800 bis 1000 Schafen. Der Fachberater verfolgt die Entwicklung der Schäfereien seit Jahren mit großer Sorge. „Die Zahl der Wanderschäfereien nimmt immer mehr ab .“ Im Jahr 1980 gab es 135 in Unterfranken, jetzt sind es nur noch 48, die meisten Betriebe sind im Landkreis Main-Spessart ansässig, die wenigsten im Landkreis Kitzingen, nämlich nur der von Heinz Schmidt.

Erst vor einer Woche ist er mit den erwachsenen Tieren in den Stall im Prichsenstädter Ortsteil Brünnau zurückgekehrt. Er musste von den Wiesen runter, die er beweidet, zugleich mussten die Schafe geschoren werden. Recht kahl sehen sie jetzt aus, wie sie da im Stall stehen und hoffnungsvoll Richtung Tor laufen, als ihr Schäfer für ein Foto zu Hut und Stock greift. Doch der Stall bleibt geschlossen, zu kalt ist es ohne die wärmende Wolle. „Die Schafe würden erfrieren“, erklärt Heinz Schmidt. Zwei bis vier Wochen noch, dann geht es wieder raus.

Im Sommer hütet er seine Tiere auf dem Truppenübungsplatz Hammelburg, die Winterweide ist im Steigerwald. Tagsüber ist der Schäfer bei ihnen, nachts kommen sie in einen Pferch. Die geeignete Stelle dafür zu finden ist nicht immer leicht, vor allem, wenn es regnet und stürmt. Fehlt ein geschützter Platz, wird zum einen die Wolle nass. Zum anderen legen sich die Schafe nicht zum Schlafen hin, wenn der Boden zu nass ist. „Dann schlafen sie tagsüber und fressen zu wenig“, erklärt der Schäfer. Der 60-Jährige selbst fährt abends nach Hause nach Brünnau. „Oft kommt er nicht vor halb zwölf“, erzählt seine Frau, „und früh geht's wieder raus.“ Allein die Fahrt im Sommer dauert zwei Stunden – das Leben eines Schäfers ist hart und trotzdem könnte sich der Schäfermeister nicht vorstellen, etwas anderes zu machen. „Ich wusste schon mit fünf Jahren, dass ich das mache, das war und ist meine Leidenschaft.“ Urlaub? „Kennen wir nicht“, sagt seine Frau. Das Paar nimmt es gelassen, strahlt überhaupt viel Ruhe aus.

Anders Wolfgang Thomann. Er kann sich in Rage reden, wenn es um die Berufsschäfereien geht. Seit den 1980er Jahren verfolgt er die Entwicklung und sieht mit Bedauern, wie sich die Zahl der Schäfereien drastisch vermindert hat. Koppelschafhalter, ja die gibt es nach wie vor, aber es gibt „dramatische Verschiebungen auf Kosten der Wanderschäferei“. Es fehlt an großen zusammenhängenden Weideflächen, die langfristig für den Betrieb der Schäfereien gesichert werden können. Sind die Flächen zu klein, sind sie schnell abgegrast, über frisch bestellte Felder können die Tiere nicht laufen, da stellt sich die Frage: Wohin des Wegs? In der Landschaftspflege, für die eine Schafbeweidung nach Ansicht von Wolfgang Thomann ideal wäre, gibt es Konkurrenz durch andere Tierarten – Ziegen und Alpakas zum Beispiel. Und statt Schafe auf ihre Trocken- und Magerrasenflächen zu lassen, setzt so manche Kommune lieber auf Landwirte aus der Landschaftspflege. Nachvollziehen kann Thomann das nicht. Genausowenig wie die „zunehmende Bürokratie, Willkür, Bevormundung und oft Schikane“, der Schäfer ausgesetzt seien. Viele junge Leute hätten darauf keine Lust mehr, gäben ihre Familienbetriebe auf.

Mehr Kosten, weniger Einnahmen

Auch steigenden Kosten und zugleich sinkende Einnahmen spielen dabei eine große Rolle. Der Preis für die Wolle, der früher bei 1,50 bis 2 Euro pro Kilogramm lag, ist auf jetzt 50 Cent gesunken. Bei 3 Kilogramm Rohwolle pro Schaf macht das 1,50 Euro Einnahmen für die Wolle. Zugleich kostet die Schur 2,50 Euro pro Schaf. Der Schäfer legt drauf – wenn er denn die Wolle überhaupt verkaufen kann. „Aber keiner will mehr Merinowolle“, sagt Heinz Schmidt. „Dabei ist das gute, saubere Ware.“

Neben Milch und Wolle liefert die Schafhaltung natürlich auch Fleisch. Zu Ostern kommt vielerorts Lamm auf den Tisch. Schmidt verkauft seine Tiere an Viehhändler, vermarktet nicht selbst. Dabei war das mal anders gedacht. „Vor ungefähr 25 Jahren haben wir extra ein Schlachthaus gebaut“, berichtet der Brünnauer. Doch die Vorschriften haben sich mit den Jahren immer mehr verschärft, für die nötige EU-Zulassung hätte er eine Umkleide, Desinfektionsvorrichtungen, Toilette und mehr gebraucht. „Die Auflagen sind genauso wie bei einem Großbetrieb“, erklärt Claus Schmiedel vom AELF. Viele Schäfer würden gern direkt vermarkten, wenn die Auflagen und Rahmenbedingungen anders wären. „Die Nachfrage wäre da.“

Hauswirtschaftslehrerin Ruth Halbritter kann das nur bestätigen. Die Mittelfränkin weiß, wie gefragt die Lamm-Gerichte sind, die in den Gaststätten der Frankenhöhe auf der Speisekarte stehen – „nicht nur zu Ostern“. Das Fleisch der Weidelämmer sei gutes Fleisch, langsam gewachsen. Es schmecke anders als Rind und Schwein, bestätigt sie, aber nicht so intensiv wie manch Älterer es noch in Erinnerung hat.

Früher ging es bei der Schafhaltung in erster Linie um die Wolle, erklärt Wolfgang Thomann. Geschlachtet worden seien die Tiere daher erst spät, mit zwei bis fünf Jahren. „Das waren alte, kastrierte Tiere, die haben dann gehammelt“, so der Fachmann. Grund dafür sei, dass sich mit den Lebensjahren das Fett von Wiederkäuern verändere. „Ist das Schaf älter als ein Jahr, wird das Fett talgig und das Fleisch verändert sich.“ Heute werde das Fleisch von älteren Tieren zu Salami oder Hackfleisch verarbeitet – „und dafür wird das ganze Fett weggeschnitten und durch Schweinebauch ersetzt.“ Für Lammhaxe, -rücken, -schulter, -koteletts oder andere Gerichte werde nur das Fleisch von Tieren genutzt, die höchstens ein Dreivierteljahr alt sind. „Das schmeckt auch kurzgebraten wunderbar“, betont Ruth Halbritter.

So sind die Osterlämmer, die an den Feiertagen auf den Tisch kommen, im Dezember geboren. Die Lämmer im Stall von Heinz Schmidt dagegen, die vor vier Wochen zur Welt kamen, werden im September geschlachtet. Wenn die Wolle bei Müttern und Kindern dick genug ist, geht es also erst mal für mehrere Monate auf die Weide. Gemeinsam mit Heinz Schmidt, dem Schäfer mit Leib und Seele. Die nächsten Jahre wird er das auf jeden Fall noch machen. Ob die Tochter ihm nachfolgt, ist noch nicht klar, die Entscheidung liegt allein bei ihr, auch wenn die Eltern darauf hoffen, dass der Traditionsbetrieb erhalten bleibt. Genauso wie Wolfgang Thomann – weil er sonst aus der 1 auf der Schäferliste im Landkreis eine Null machen müsste.

ONLINE-TIPP

Ein Rezept für Lammrücken unter Nuss-Kräuter-Kruste mit Selleriepüree und buntem Ofengemüse finden Sie unter www.inFranken.de

Gerichte vom fränkischen Lamm – nicht nur zu Ostern

Ein Beispiel, wie Lamm aus der Region lecker zubereitet werden kann, verrät Ruth Halbritter vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Kitzingen-Würzburg mit folgendem Rezept:

Lammrücken unter Nuss-Kräuter-Kruste: 0,8 kg Lammrücken ausgelöst, 2 Zweige Rosmarin (frisch), 2 Knoblauchzehen, 30 g Butterschmalz. Zutaten für die Nuss-Kräuter-Kruste: 60 g Butter (weich), 1 EL Semmelbrösel, 1 EL Petersilie, 1/2 TL Kräutersalz und Pfeffer (gemischt), 50 g Walnüsse (gehackt), 1 EL Rosmarin/Kräuter (gehackt). Die Butter mit einem Rührgerät cremig rühren und die restlichen Zutaten zugeben. In einer Frischhaltefolie kann die Masse auf einem Backblech ca. 0,5 cm dick in einem Rechteck aufgedrückt werden. Danach kaltstellen (Kühltruhe). Das Fleisch waschen, parieren (Sehnen, Silberhaut und Fett mit einem scharfen Messer entfernen), 3 Minuten auf jeder Seite mit Knoblauch und Rosmarin anbraten. Nach dem Anbraten wird die Krusten-Masse entsprechen der Fleischstücke aufgeteilt, auf das Fleisch gelegt und im Backofen mit Grillfunktion (höchste Stufe) zirka 8 Minuten gegrillt. Danach aus der Hitze nehmen und abgedeckt ruhen lassen. Das Fleisch in Scheiben schneiden und mit Selleriepüree und buntem Ofengemüse anrichten.

Selleriepüree: Zutaten: 0,8 kg Sellerie, 20 g Butter, 100 g Schalotten gewürfelt, 100 ml Mineralwasser, Salz, Muskat, 100 ml Sahne, 100 ml Milch, Salz, Pfeffer. Zubereitung: Schalotten andünsten, Sellerie in Stücke schneiden, zugeben und kurz weiter dünsten. Mit Mineralwasser aufgießen, mit Salz und Muskat würzen, 30 Minuten köcheln lassen. Derweil Milch und Sahne erhitzen, das Wasser dann abgießen, die Selleriestücke mit dem Pürierstab zerkleinern und das Milch-Sahne-Gemisch zugeben. Mit etwas Butter verfeinern und abschmecken.

Buntes Ofengemüse: Zutaten: 150 g Rote Rüben rot, 150 g Rote Rüben gelb, 500 g Gelbe Rüben verschiedene Farben, 150 g Sellerie, 50 g rote Zwiebel, 50 g weiße Zwiebel, 30 ml Sonnenblumenöl, Salz, Pfeffer, Rosmarin, Thymian.... Zubereitung: Gemüse waschen und schälen, in große Stücke schneiden, mit Öl und Gewürzen marinieren. Dann auf einem Backblech verteilen und im Ofen bei 160 Grad Heißluft zirka 30 Minuten garen.

Die Lämmer sind erst wenige Wochen alt und noch zu klein, um schon jetzt raus in die Natur zu gehen. Aber in drei, vier Wochen nimmt Heinz Schmidt auch den Nachwuchs mit auf Wanderschaft.
Foto: Daniela Röllinger | Die Lämmer sind erst wenige Wochen alt und noch zu klein, um schon jetzt raus in die Natur zu gehen. Aber in drei, vier Wochen nimmt Heinz Schmidt auch den Nachwuchs mit auf Wanderschaft.
Die Zahl der Schäfereien in Unterfranken geht immer weiter zurück. 1980 waren es noch 135, in diesem Jahr sind es nur noch 48. Im Landkreis Kitzingen ist Heinz Schmidt in Brünnau der letzte Schäfer im Vollerwerb.
Foto: Daniela Röllinger | Die Zahl der Schäfereien in Unterfranken geht immer weiter zurück. 1980 waren es noch 135, in diesem Jahr sind es nur noch 48. Im Landkreis Kitzingen ist Heinz Schmidt in Brünnau der letzte Schäfer im Vollerwerb.
Frisch geschoren stehen die Schafe im Stall. Sie können erst wieder raus, wenn die Wolle ein bisschen nachgewachsen ist.
Foto: Daniela Röllinger | Frisch geschoren stehen die Schafe im Stall. Sie können erst wieder raus, wenn die Wolle ein bisschen nachgewachsen ist.
370 Mutterschafe und 60 Jungtiere stehen derzeit bei Schäfer Heinz Schmidt im Stall in Brünnau. In wenigen Wochen gehen sie wieder auf Wanderschaft – und darauf freut sich der letzte Vollzeit-Wanderschäfer im Landkreis Kitzingen genauso wie seine Tiere.
Foto: Daniela Röllinger | 370 Mutterschafe und 60 Jungtiere stehen derzeit bei Schäfer Heinz Schmidt im Stall in Brünnau. In wenigen Wochen gehen sie wieder auf Wanderschaft – und darauf freut sich der letzte Vollzeit-Wanderschäfer im ...
Die Zahlen von Wolfgang Thomann, beim AELF Kitzingen-Würzburg zuständig für Schafhaltung, zeigen: Es gibt immer weniger Schäfer und immer weniger Schafe in Unterfranken. Und seit 2019 sind die Zahlen noch weiter zurückgegangen.
Foto: Daniela Röllinger | Die Zahlen von Wolfgang Thomann, beim AELF Kitzingen-Würzburg zuständig für Schafhaltung, zeigen: Es gibt immer weniger Schäfer und immer weniger Schafe in Unterfranken.
370 Mutterschafe und 60 Jungtiere stehen derzeit bei Schäfer Heinz Schmidt im Stall in Brünnau. In wenigen Wochen gehen sie wieder auf Wanderschaft.
Foto: Daniela Röllinger | 370 Mutterschafe und 60 Jungtiere stehen derzeit bei Schäfer Heinz Schmidt im Stall in Brünnau. In wenigen Wochen gehen sie wieder auf Wanderschaft.
Die Lämmchen wurden erst vor kurzem geboren – bis sie hinaus dürfen, werden noch einige Wochen vergehen.
Foto: Daniela Röllinger | Die Lämmchen wurden erst vor kurzem geboren – bis sie hinaus dürfen, werden noch einige Wochen vergehen.
370 Mutterschafe und 60 Jungtiere stehen derzeit bei Schäfer Heinz Schmidt im Stall in Brünnau. In wenigen Wochen gehen sie wieder auf Wanderschaft.
Foto: Daniela Röllinger | 370 Mutterschafe und 60 Jungtiere stehen derzeit bei Schäfer Heinz Schmidt im Stall in Brünnau. In wenigen Wochen gehen sie wieder auf Wanderschaft.
Schmeckt nicht nur zu Ostern: Lammrücken unter Nuss-Kräuter-Kruste mit Selleriepüree und buntem Ofengemüse.
Foto: Ruth Halbritter | Schmeckt nicht nur zu Ostern: Lammrücken unter Nuss-Kräuter-Kruste mit Selleriepüree und buntem Ofengemüse.
 
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