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LANDKREIS KITZINGEN
Den Biobauern blüht Ärger
Genauer Blick: Johannes Scharvogel prüft die Qualität seiner Braugerste, einen Abnehmer hat er in der Oberpfalz gefunden.
| Genauer Blick: Johannes Scharvogel prüft die Qualität seiner Braugerste, einen Abnehmer hat er in der Oberpfalz gefunden.
Ralf Dieter
 |  aktualisiert: 06.03.2015 16:25 Uhr

„Bio-Bauern fürchten um ihre Zukunft“ – „Bio-Bauern kapitulieren vor EU-Regeln.“ Zwei von vielen Überschriften der letzten Tage. Ganz so dramatisch sieht es der Fachberater für ökologischen Landbau beim Amt für Landwirtschaft und Forsten, Bernhard Schwab, freilich nicht. Auch wenn eine gewisse Unsicherheit zu spüren ist.

Von einem Nord-Süd-Gefälle ist im Freistaat immer wieder die Rede. Beim Ökolandbau ist dieser Terminus neu. Und er kehrt die übliche Richtung um. Während in Südbayern die Zahl der Ökobetriebe in den letzten zwei Jahren leicht zurückgegangen ist, hat sie in Franken zugenommen. Im Voralpenland haben etliche Betriebe wieder auf konventionell umgestellt, weil sie die Folgen einer abgelaufenen Ausnahmegenehmigung nicht stemmen konnten. Mittlerweile müssen Öko-Landwirte ihren Tieren auch im Winter einen Auslauf garantieren. Die Strohhaltung reicht nicht mehr aus. „Gerade kleine Betriebe in beengten Lagen können das gar nicht leisten“, sagt Schwab.

In Franken gibt es solche Fälle so gut wie nie. Hier drücken eher die Reformvorschläge der EU-Kommission die Stimmung. Bis ins Jahr 2017 soll die Reform verabschiedet sein. Wenn sie so kommt, wie sie derzeit diskutiert wird, sieht nicht nur Bio-Landwirt Hans Plate viel Unheil aufziehen.

Dabei will EU-Kommissar Dacian Ciolos eigentlich nur Gutes. Er will das Vertrauen der Bürger in Bioprodukte stärken: mit einer staatlichen Kontrolle an Stelle einer verbandsinternen, mit dem Stopp von Ausnahmegenehmigungen für Pflanz- und Saatgut und mit einer Senkung der Grenzwerte.

Bio-Produkte sollen nach dem Willen der Kommission bis 2017 keine Rückstände von Pestiziden mehr aufweisen. Ein Ding der Unmöglichkeit, wie Plate betont. „Wir arbeiten ja nicht unter einer Käseglocke.“ Will heißen: Wenn auf dem benachbarten Acker Pflanzenschutzmittel ausgebracht werden, dann finden sich auch auf dem biologisch bewirtschafteten Feld nebenan Rückstände. „Das kann ja auch gar nicht anders sein“, bestätigt Schwab. „Eine thermische Abdrift beispielsweise lässt sich beim Spritzen doch gar nicht verhindern.“ Der Präsident des Anbauverbands Bioland, Jan Plagge, spricht angesichts dieser Diskussion denn auch von einem Verhinderungsvorschlag für mehr Bio in Deutschland.

Dabei steigt die Nachfrage nach ökologisch erzeugten Lebensmitteln seit Jahren kontinuierlich. Zwischen 2002 und 2008 betrug die Steigerungsrate zwischen fünf und zehn Prozent. „Seither geht der Anstieg ein wenig langsamer voran“, sagt Schwab. Der Umsatz, der sich deutschlandweit mit ökologisch erzeugten Lebensmitteln generieren lässt, stieg von 6,6 Milliarden Euro in 2010 auf 7,5 Milliarden Euro in 2013. Die Vorschläge der EU könnten diesen Aufschwung bremsen. Schwab befürchtet jedenfalls, dass Betriebe abgeschreckt werden, die sich bislang mit einer Umstellung auf Bio beschäftigt haben.

Johannes Scharvogel hat vor fünf Jahren auf Bio umgestellt. Er hat den Schritt nie bereut. Auch wenn er in manchen Bereichen ein Mehr an Arbeit bedeutet. Den Absatzmarkt muss er beispielsweise selbst „beackern“. Große Abnehmer, wie bei seinen konventionell arbeitenden Kollegen, gibt es in der Regel nicht. Scharvogel liefert seine Braugerste beispielsweise an eine Oberpfälzer Brauerei, die sich auf Ökobier spezialisiert hat. „Man muss Kontakte aufbauen“, sagt er. „Und Qualität liefern. Bio alleine reicht nicht aus.“

Das Spritzen mit Pflanzenschutzmittel war dem Martinsheimer „unbehaglich“, wie er selber sagt. Und die Preise für Getreide sehr schwankend. Also hat er den elterlichen Betrieb vor fünf Jahren komplett auf Bio umgestellt. Mineralische Düngung und chemischer Pflanzenschutz sind seither auf den rund 45 Hektar passé. Stattdessen hat er Erbsen und Wicken als Zwischenfrüchte angepflanzt. Die sorgen auf natürlichem Weg für eine Stickstoffanreicherung des Bodens.

Finanziell kommt der Nebenerwerbslandwirt gut zurecht. Etwa den doppelten Preis braucht er für seine Erzeugnisse, um mit den konventionellen Landwirten konkurrieren zu können. Gerade beim Getreide funktioniert das. Scharvogel will seinen Weg auf jeden Fall weiter gehen, auch wenn er die Pläne der EU genau so kritisch sieht wie sein Willanzheimer Kollege Hans Plate. „Null-Toleranz kann nicht gehen“, sagt er. „Wir leben schließlich unter einem freien Himmel.“ Rückstände von den konventionell betriebenen Nachbarfeldern ließen sich niemals vermeiden.

Noch ist Zeit, bis die EU-Reform tatsächlich greift. Hans Plate wünscht sich, dass die bestehende Regelung und Denkweise aus dem Jahr 1991 auch weiter Bestand hat. „Wir haben immer von einer Prozess-Zertifizierung gesprochen“, sagt er. Mit anderen Worten: Der Bio-Landwirt garantiert, dass bei seiner Arbeit keine weitere Agrochemie wie Dünge- oder Pflanzenschutzmittel eingebracht wird. Und genau darauf hin werden seine Arbeit und seine Produkte auch untersucht.

Mit der Reform in ihrer aktuellen Fassung würde den Bio-Bauern eine unlösbare Aufgabe gestellt. Schwab hofft deshalb auch auf „zähe Verhandlungen.“

Daten und Fakten

Die Entwicklung: Im Zeitraum von 2006 bis 2014 ergab sich eine deutliche Zunahme an Ökobetrieben in allen Landkreisen Unterfrankens. Die Zahl stieg von rund 320 auf 510 Betriebe. Im Landkreis Kitzingen stieg die Zahl von 11 Betrieben in 1991 auf 48 im Jahr 2014. Der Flächenanteil der Ökobetriebe an der gesamten landwirtschaftlich genutzten Fläche liegt in Unterfranken bei rund 5,8 Prozent. Der durchschnittliche Ökobetrieb in Unterfranken bewirtschaftet 45 Hektar.

Alles im Blick: Johannes Scharnagel betrachtet die Erbsen und Wicken, die er auf einem der Felder gepflanzt hat. Vor fünf Jahren hat der Nebenerwerbslandwirt, der eine zweite Ausbildung zum Steuerberater gemacht hat, auf Bio umgestellt. Hündin Ela begleitet ihn auf jedem Schritt.
Foto: R. Dieter | Alles im Blick: Johannes Scharnagel betrachtet die Erbsen und Wicken, die er auf einem der Felder gepflanzt hat.
 
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