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Kitzingen
Das ZDF-Traumschiff besitzt, was der Deutschen Bahn fehlt
Satire zwischen den Jahren: Die Welt hat sich verändert, das Traumschiff nicht. Es atmet noch immer den Duft der großen weiten Welt. Unser Autor Eike Lenz hat sich von ihm tragen lassen.
Das ZDF-Traumschiff bricht in diesen Tagen gleich zweimal zu neuen Ufern auf und überbrückt auf bewährte Weise die Zeit zwischen den Jahren.
Foto: Dietmar Hasenpusch, dpa | Das ZDF-Traumschiff bricht in diesen Tagen gleich zweimal zu neuen Ufern auf und überbrückt auf bewährte Weise die Zeit zwischen den Jahren.
Eike Lenz
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:44 Uhr

Zwischen den Jahren, das ist wie ein Augenblick freien Falls. Wie loslassen und sich treiben lassen. Wie der Aufbruch aus einem sicheren Hafen zu neuen unbekannten Ufern. Womit wir beim „Traumschiff“ wären. Was wäre die Zeit zwischen den Jahren ohne diesen Luxusdampfer? Aufgeladen mit ein bisschen Abenteuerlust sowie Spuren von Witz und Liebe, schaukelt es uns zielsicher von Weihnachten nach Neujahr. Gäbe es ein besseres Transportmittel, um von der einen Zeit in die andere zu gleiten? So geschmeidig, so geräuschlos und in der Gewissheit, dass am Ende schon alles irgendwie gut werden wird? Und das zuverlässig seit 40 Jahren!

Dieses Schiff kommt so unaufdringlich in deutsche Wohnstuben wie früher der Herr Kaiser von der Hamburg-Mannheimer, und es vermittelt so wohlige Kaminofenwärme, wie es sonst nur die „Schwarzwaldklinik“ vermochte. Es hat keine Mission und keinen Anspruch – außer ein bisschen gute Laune und Fernweh zu verströmen. Man kann sicher sein: Auch wenn mal wieder einer das Schiff verpasst, wenn im Regenwald ein Baum oder am Strand ein Herz zu brechen droht, wenn Romeo und Julia nicht zusammenfinden: Dieses Schiff ist so unschuldig wie sein blütenweißer Anstrich. Es ist die stählerne Sänfte, mit der wir uns gerne durch diese hektischen Tage tragen lassen. Die Jahresendrallye, sie klingt an Bord so stressfrei, so lakonisch aus, wie es die Deutsche Bahn in ihren besten Tagen nicht hinbrächte.

Träume von Sommer, Sonne, Urlaub

Traumschiff-Kapitän Florian Silbereisen entführt uns zweimal 90 Minuten aus dem deutschlanddauergrauen Alltag.
Foto: Dirk Bartling, dpa | Traumschiff-Kapitän Florian Silbereisen entführt uns zweimal 90 Minuten aus dem deutschlanddauergrauen Alltag.

Nie hat das Schiff die Abfahrt verpasst. Und es braucht nicht viel, um in Stimmung zu kommen. Endlose Weiten in Türkisblau, gleißend glitzerndes Meer, weiße Sandstrände, Meeres-Halbgötter in Weiß, ein bisschen Happy Sound von James Last und am Ende Klatschmarsch mit Wunderkerzen, schon sind wir mittendrin in 90 Minuten Urlaubsgefühl mit Florian Silbereisen, Käpt’n Iglo und all den anderen Leichtmatrosen. Allein dafür, für dieses in 40 Jahren konservierte Stück öffentlich-rechtlicher Fernsehunterhaltung, lohnt es sich, Rundfunkgebühr zu zahlen. Handlung und Dialoge so flach wie das knietiefe Wasser vor einem Malediven-Eiland, aber mal ehrlich: Darauf kommt es nicht an. Einfach nur raus aus dem Deutschland-Dauergrau. Sich hinreißen lassen von mit Sommer und Sonne aufgewärmten Träumen.

Und wenn man am zweiten Weihnachtstag nach sieben Millionen verglühten Wunderkerzen, nach all dem Rausch und Luxus und Fernweh-Flash wieder aufwacht, stellt man zufrieden fest: Das war’s noch lange nicht. Noch einmal wird das Traumschiff in See stechen, die Strände dann noch weißer, der Himmel noch blauer, und man wird wieder einchecken am Neujahrsabend. Spätestens dann wird einem bewusst: Die herrliche Zeit zwischen den Jahren ist schon wieder vorbei. Jetzt heißt es: gut anschnallen, um die lange Zeit bis zur nächsten Reise irgendwie zu überbrücken. Ahoi!

 
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