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MAINBERNHEIM
Das etwas andere KaDeWe: Ein Besuch im Mainbernheimer Kaufhaus für Ukraine-Flüchtlinge
Geballte Frauenpower: Doro Esper, Cindy Frischholz, Stefanie Hüser, Anna Poser, Burgl Holzner-Nathan und Barbara Lehnert (von links) bilden den harten Kern von „Kitzingen hilft“.
Foto: Stefanie Hüser | Geballte Frauenpower: Doro Esper, Cindy Frischholz, Stefanie Hüser, Anna Poser, Burgl Holzner-Nathan und Barbara Lehnert (von links) bilden den harten Kern von „Kitzingen hilft“.
Nina Grötsch
 |  aktualisiert: 06.06.2022 02:25 Uhr

Was die vergangenen Wochen in ihrem Leben passiert ist, kann Stefanie Hüser irgendwie selbst noch nicht glauben. Was als spontaner Hilfsaufruf für die Ukraine-Flüchtlinge in ihrem WhatsApp-Status begann, nahm so schnell an Fahrt auf, dass der quirligen Kitzingerin noch im Nachhinein schwindelig wird. Fakt ist: Was mit zwei, drei Kleiderspenden begann, füllt inzwischen ein ganzes Kaufhaus – beheimatet in Räumen der ehemaligen Firma Bärenschmidt in Mainbernheim und deshalb intern liebevoll als „KaDeBä“ (Kaufhaus des Bärenschmidt) betitelt.

Es hat längst nicht die Ausmaße wie das berühmte KaDeWe (Kaufhaus des Westens) in Berlin – und dennoch ist es für die ukrainischen Flüchtlinge das Größte. Geballt an einem Standort finden sie dort alles, was sie zum Ankommen in Deutschland benötigen: Kleidung, Schuhe, Hygieneartikel, Spielsachen, Haushaltswaren, aber auch Schulsachen und Lebensmittel. Alles ist übersichtlich nach Größen sortiert. Regelmäßig wird aufgefüllt und aufgeräumt. Die ehrenamtlichen Helfer schleppen Kisten, füllen Regale auf, falten Klamotten wieder zusammen und dolmetschen – mit Händen und Füßen und meist auch dem Google Translater. Sie begleiten die Flüchtlinge durchs Kaufhaus und helfen ihnen bei der Auswahl. Bezahlen müssen die Ukrainer für die Dinge nichts.

Doch wer sind diese ehrenamtlichen Helfer eigentlich? Und wie haben sie zusammengefunden? Hier kommt Stefanie Hüser ins Spiel, die den Ball ins Rollen gebracht hat. Als die ersten Kriegsnachrichten zu hören waren, hätte sie Radio und Fernsehen am liebsten aus ihrem heilen Leben verbannt. Doch es kam, wie es kommen musste: Beim Durchzappen am Abend blieb sie letztlich doch bei den schrecklichen Bildern aus der Ukraine hängen. Es folgten eine schlaflose Nacht und eine Fahrt auf der Autobahn, bei der ihre Gedanken immer wieder um die Nachrichten vom Vorabend kreisten. „Das hat irgendwas mit mir gemacht“, sagt sie heute und erzählt von ihrem Dilemma: sich irgendwie mit der Situation abfinden oder aktiv etwas dagegen tun? Spontan entschied sie sich für die zweite Variante, sprach einer Freundin, „die für jeden Spaß zu haben ist“, eine Nachricht auf WhatsApp und schlug vor, Spenden zu sammeln. „Ein Statusbild genügte und eine halbe Stunde später stand der harte Kern“, erzählt Stefanie Hüser.

Sie und sechs weitere Frauen bilden seit diesem Tag den „Inner Circle“ von „Kitzingen hilft“, wie sich die Hilfsorganisation inzwischen nennt. Dazu kommen acht bis zehn feste Helfer und unzählige Unterstützer.

In den ersten Tagen und Wochen stapelten sich die Kisten bei den Helferinnen. „Die Spendenbereitschaft war – und ist – enorm“, erzählt Anna Poser. Ihr Carport in Mainbernheim war in Windeseile bis unter die Decke vollgestellt. Bei Stefanie Hüser glich der Hausflur einem Paketzentrum. „Meine Töchter waren heilfroh, als sie endlich wieder in den Garderobenspiegel sehen konnten“, erzählt die Kitzingerin lachend. Über die Freiwilligenagentur GemeinSinn bekam die Gruppe schließlich die Räumlichkeiten in Mainbernheim zur Verfügung gestellt.

Und so nahm das Projekt „Kitzingen hilft“ immer mehr an Fahrt auf. Mit dem BRK und dem Landratsamt steht die Initiative in ständigem Austausch. Weitere Privatpersonen, Firmen und Organisationen boten ihre Hilfe an. Der Lions Club unterstützt mit finanziellen Mitteln den Einkauf von Lebensmitteln für die Familien, die noch keine Gelder erhalten haben, und die Damen von Inner-Wheel sorgen für die Erstausstattung der ukrainischen Schüler mit Schulmaterial für die gespendeten Büchertaschen und Schulrucksäcke, die von der Kitzinger Reinigung Thüncher vorher alle gereinigt wurden.

Weil die Organisatoren mit Kleiderspenden fast überrannt wurden, gibt es hier vorerst einen Annahmestopp. Wenn gezielt etwas gebraucht wird, postet es das Team in den sozialen Medien. „Wenn wir Hausschuhe in Größe 25 suchen, haben wir die eine halbe Stunde später“, erzählt Anna Poser schwer beeindruckt. Was nach wie vor immer angenommen wird, sind Hygieneartikel oder Einkaufsgutscheine. Von Geldspenden kauft das Team beispielsweise neue Unterwäsche. Aus Erfahrung weiß Poser, dass viele Flüchtlinge lange warten müssen, bis sie das erste Geld bekommen. „Sie sind deshalb unendlich dankbar für das, was sie hier bekommen.“ Eine Puppe für die Tochter? Zwei Knäuel Wolle? Einen Damenrasierer? Umarmungen und Freudentränen sind keine Seltenheit. Neben den Sachspenden sei es aber auch einfach wichtig, da zu sein. Mal zuzuhören, jemandem eine Stütze zu sein oder mit einem Rat zu helfen.

Auch wenn die beiden Frauen in letzter Zeit öfters das Gefühl hatten, ihr Ehrenamt jetzt hauptberuflich und den eigentlichen Job nebenher zu machen, bereuen sie es dennoch keine Minute, sich so für die Flüchtlinge zu engagieren. „Auch wenn dazu gehört, dass ich noch nie in meinem Leben so viel mit anderen zusammen geweint habe“, gibt Stefanie Hüser zu. Die einzelnen Schicksale seien bewegend. Selbst wenn man zu deren Linderung auch nur einen Bruchteil beitragen kann, sei dies so unendlich erfüllend, dass jeglicher Aufwand von Zeit und Nerven vergessen sei.

Das Netzwerk von „Kitzingen hilft“ wächst immer weiter. „Wir optimieren unser Kaufhaus von Woche zu Woche“, sagt Stefanie Hüser. Inzwischen gibt es sogar einen Schichtplan für die Helfer und seit kurzem auch eine Abteilung im Freien mit Fahrrädern. „Ich bin sooooo stolz auf unsere Helfer, ich könnte sie jeden Tag auf einen Sockel stellen!“

Wer ist „Kitzingen hilft“?

Bei „Kitzingen hilft“ handelt es sich um einen Zusammenschluss aus ehrenamtlichen Helfern, die schnell und unbürokratisch den hier ankommenden ukrainischen Geflüchteten helfen möchten. Diese bekommen im „KaDeBä“ in Mainbernheim (hinter dem Corona-Testzentrum) Kleidung, Schuhe, Hygieneartikel, Kinderspielzeug, Kinderwagen u.v.m. Aktuell wird an einer Vereinsgründung gearbeitet.

Kontakt: Wer etwas benötigt, kann unter Tel. 0151/41829586 (Anna) oder 0171/1460233 (Stefanie) einen Termin vereinbaren. Auf Instagram und Facebook ist „Kitzingen hilft“ ebenfalls zu finden. Dort werden auch aktuelle Gesuche eingestellt. Vor der Abgabe von Sachspenden wird ebenfalls um vorherige telefonische Absprache gebeten.

Spendengelder werden weiterhin dringend benötigt. Spendenkonto: BRK KV Kitzingen; IBAN: DE41 7905 0000 0000 0035 74; Verwendungszweck (wichtig!): UkraineHilfe-KitzingenHilft (für eine Spendenquittung bitte im Verwendungszweck Name und Adresse angeben und den Zusatz „bitte Spendenquittung“). (lni)

Von Kleidung und Schuhen über Spielsachen und Haushaltswaren bis zu Schulsachen und Lebensmitteln – im „KaDeBä“ finden ukrainische Flüchtlinge alles, was sie brauchen. Zahlreiche Ehrenamtliche packen dafür mit an. Im Bild bringen Alan Wali und Robert Rudolf die Abteilung für Hygieneartikel auf Vordermann.
Foto: Nina Grötsch | Von Kleidung und Schuhen über Spielsachen und Haushaltswaren bis zu Schulsachen und Lebensmitteln – im „KaDeBä“ finden ukrainische Flüchtlinge alles, was sie brauchen.
Die ukrainischen Kinder haben all ihre Spielsachen zurücklassen müssen. Im „Kaufhaus“ im ehemaligen Bärenschmidt in Mainbernheim dürfen sie sich gerne ein neues Puzzle oder Kuscheltier aussuchen.
Foto: Nina Grötsch | Die ukrainischen Kinder haben all ihre Spielsachen zurücklassen müssen. Im „Kaufhaus“ im ehemaligen Bärenschmidt in Mainbernheim dürfen sie sich gerne ein neues Puzzle oder Kuscheltier aussuchen.
Aktuell sind Schuhe in allen Größen vorrätig.
Foto: Nina Grötsch | Aktuell sind Schuhe in allen Größen vorrätig.
 
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