„Haribo macht Kinder froh und Erwachsene ebenso.“ Dieser Satz klingt am letzten Februartag wie Hohn in den Ohren vieler Mainbernheimer (Lkr. Kitzingen). Ihr Haribo-Werk stellt zum 1. März die Produktion ein. Bis Ende September werden die Hallen ausgeräumt. 93 Mitarbeiter verlieren ihre Jobs. Und ein Traditionsunternehmen verschwindet.
Wenig Hoffnung auf neue Jobs
Obwohl nach Auskunft der Konzernzentrale alle Beschäftigte das Angebot eines Sozialplans angenommen haben, so ist doch klar: Für eine ganze Reihe von ihnen wird es schwierig, eine neue Arbeit zu finden. „Viele sind zwischen Mitte 50 und 60 und arbeiten seit Jahrzehnten hier im Werk. Die nimmt doch keiner mehr“, sagt eine ältere Mitarbeiterin, die selbst noch nicht weiß, wie es weitergehen soll. Dieses Schicksal trifft vor allem die angelernten Arbeiterinnen. Busweise fuhren sie immer zu den Schichten ins Werk. Mehr Glück haben vielleicht die Facharbeiter, denn der Arbeitsmarkt in der Region Würzburg/Kitzingen ist wie leer gefegt.
Finanzieller, existenzieller und emotionaler Verlust
Doch neben dem finanziellen und existenziellen Verlust für die Belegschaft ist die Werksschließung für die 2150 Einwohner auch ein emotionales Ereignis. „Das ist ein Stück Kindheitsgeschichte für mich“, erinnert sich Susanne Bergner, die Chefin des Cafés „Bärenstark“ in der Altstadt. „Wir durften als Kinder die Lebkuchenherzen mit Zuckerschrift beschreiben. Damals waren die Hygienevorschriften noch nicht so streng.“ Später sei sie mit ihren Kindern ins Werk gepilgert, um sich im Fabrikverkauf aus offenen Dosen ihre eigenen Süßigkeitentüten zusammenzustellen. So sind Generationen durch das Traditionsunternehmen Bären-Schmidt, das 1971 vom Haribo-Konzern übernommen wurde, geprägt. Bis 1863 reicht die Firmengeschichte zurück.
Wo alles begann
Johanna Krüninger verbindet eine enge Beziehung mit den Lebkuchenbäckern, deren Spruchherzen internationale Verbreitung erfuhren. Ihr gehörte lange Zeit das Haus der aus Nürnberg zugewanderten Familie Schmidt, mitten im Altort. Bereitwillig zeigt Krüninger die alte Backstube, den Verkaufsraum, den Bürotrakt und den Kohlenkeller. Alles ist reichlich angegriffen und wirkt wie aus der Zeit gefallen, aber man kann sich noch vorstellen, wie die Bäcker die süßen Leckereien produziert und im vorderen Teil des Ladens verkauft haben. Dort hat das Zuckerbäckerimperium seinen Anfang genommen. Krüninger hat heute noch ein Lebkuchenherz aus alten Tagen – „mindestens 20 Jahre alt“ sagt sie. Es dürfte bald ein Souvenir mit Seltenheitswert sein.
Steuereinnahmen und Renommee sinken
Für den Mainbernheimer Bürgermeister Peter Kraus hat die Aufgabe des Standorts handfeste Folgen. Er verliert den größten Gewerbesteuerzahler in der Stadt und etwa 30 Mainbernheimer Bürger sind ihre Arbeitsplätze los. Der Rest der Belegschaft kam von außerhalb. Auch der Bekanntheitsgrad des Städtchens wird sinken. „Bären-Schmidt hat unseren Namen in alle Welt getragen“, sagt der Bürgermeister. „Den Steuereinnahmenverlust kann der kommunale Finanzausgleich des Freistaats nur zum Teil ausgleichen“, hat Kraus schon mal nachrechnen lassen, aber dennoch blickt er gelassen in die Zukunft. Die Stadt stemmt sich mit neuen Bauplätzen gegen den Einwohnerrückgang, sorgt für Investitionen in die Altstadt, um Leerständen zu begegnen und sucht sich Nischen im Wettbewerb mit anderen Kommunen durch attraktive Bürger-Gärten an der historischen Stadtmauer oder eine spezielle Radlerherberge für die Touristen.
Was geschieht mit den Werkswohnungen?
Deshalb blickt Kraus nach vorn: Er will Haribo beim Verkauf des Werkgeländes unterstützen, um möglichst bald wieder einen Arbeitgeber für die Stadt an Land zu ziehen. Auch einen Gewerbepark könnte er sich vorstellen, „wenn denn ein Investor käme“. Und etwas anderes treibt ihn um: Haribo besitzt die alte Unternehmer-Villa, sechs Doppelhaushälften und das Pförtnerhäuschen auf dem Firmengelände sowie ein Sechs-Familienhaus in der Stadt. Da es hohen Bedarf an Wohnungen gibt, glaubt Kraus, dass sie schnell zu vermarkten wären.
Für ihn selbst ist der Abschied von Bären-Schmidt und Haribo „mit Emotionen besetzt“: Die Mutter des Bürgermeisters arbeitete 40 Jahre im Betrieb, davon 30 als Chefsekretärin. Mit ihr ging Kraus als Bub in der Schmidt-Villa und im Werk ein und aus. „Dort habe ich als Ferienjobber gearbeitet und die Gummibärchen-Wagen hin- und hergefahren.“ Erst Bären-Schmidt, dann Haribo – das Süßwarenwerk passte perfekt zum „Bernemer Bären“, dem Wappentier der Stadt, das sich auf Wanderwegen und in der Gastronomie wiederfindet. Doch nun hat der Goldbär seiner fränkischen Heimat für immer den Rücken gekehrt.