Über 35 Jahre bestimmte Ellen Räßler die Geschicke der Kitzinger Stadtbücherei. Nach dem Abitur 1972 studierte sie am Bibliothekar-Lehrinstitut in Köln, von 1976 bis 1981 arbeitete sie in der Landesfachstelle für Öffentliche Büchereien in Regensburg, bevor sie nach Kitzingen kam. Zum Abschied – am Mittwoch, 28. März, hat sie ihren letzten Arbeitstag – ein Gespräch über die wichtigsten Einschnitte, künftige Entwicklungen und natürlich die Lieblings-Autoren.
Frage: Können Sie sich noch an Ihren ersten Arbeitstag erinnern?
Ellen Rässler: Da habe ich die Bücherei nur ganz kurz in Augenschein genommen und mich bei meinen Mitarbeiterinnen vorgestellt. Meine Aufgabe der ersten sechs Wochen bestand darin, im ziemlich kalten Museum die ersten Vorbereitungen für die künftige „Rotherstube“ zu treffen. Richard Rother war mir zum damaligen Zeitpunkt völlig unbekannt.
Wie kamen Sie zu dem Job?
Rässler: Ich hatte bereits fünf Jahre als Bibliothekarin in Regensburg gearbeitet und wollte mich verändern. Die Stelle als Leitung war in unserer Fachzeitschrift ausgeschrieben, ich habe mich beworben und bekam den Zuschlag.
Ab wann war klar, was Sie einmal werden wollen?
Rässler: Erst ziemlich spät. Und dann schwankte ich zwischen Grundschullehrerin und Bibliothekarin. Kinder liebte ich, lesen liebte ich. Und dachte, dass ich in der Bibliothek beides ganz gut verbinden könnte.
Lesen bedeutet für mich . . .
Rässler: . . . Neugier auf Geschichten, in andere Gedankenwelten einzutauchen, Freude an Sprache und Wortakrobatik, über den Tellerrand zu blicken.
Wie viele Bücher haben Sie schätzungsweise gelesen?
Da bin ich überfordert.
Die Top 5 Ihrer Lieblingsbücher?
Rässler: Nicht Lieblingsbücher, eher, Autoren, die mich immer wieder gefesselt haben wie Robert Gernhardt, Hanns-Josef Ortheil oder Maarten't Hart oder einzelne Titel wie „Berg im Feuer“ der indischen Autorin Anita Desai oder „Die Tänzerin im Schnee“ von Daphne Kalotay.
Die Bücherei zu Beginn Ihrer Karriere und heute - was hat sich alles geändert?
Rässler: Der größte Einschnitt war die Einführung der EDV 1994 und das Internet. Das hatte Auswirkungen auf alle klassischen Arbeitsabläufe. Aber auch auf die zunehmende Vielfalt der Medien bis hin zu den digitalen Medien musste reagiert werden. Neue Präsentationsformen, Marketinginstrumente, die Verbesserung der Aufenthaltsqualität – Stichwort Lesecafé – und vor allem die Aktualität des Angebots wurden immer wichtiger. Der zweite Einschnitt war die Einführung der Budgetierung vor über 15 Jahren als Folge der städtischen Verwaltungsreform, die sich nachhaltig auf interne Abläufe und Strukturen auswirkte.
Wurde früher mehr gelesen?
Rässler: Ich bin mir nicht sicher. Die Menschen lesen anders, nutzen mehr und unterschiedlichere Quellen. Es gibt nach wie vor die Vielleser, die sich ein Leben ohne Bücher nicht vorstellen können. Aber die Jugendlichen und Jüngeren zwischen Mitte 20 und 40 erreichen die Büchereien tatsächlich nicht so.
Wir das Buch bleiben – oder läuft ihm das e-Book den Rang ab?
Rässler: Ich glaube, das „analoge“ Buch wird nicht verschwinden, der Reiz des Haptischen wird bleiben. Das e-Book ist eine tolle Ergänzung. Das zeigen auch unsere Ausleihzahlen 2017 mit über 13 000 Downloads.
Wie ist die Kitzinger Stadtbücherei aufgestellt?
Rässler: Sie hat sich seit 1981 in eine zeitgemäße, moderne öffentliche Bücherei verwandelt. Wir als Büchereiteam sind nicht auf jeden Zug aufgesprungen aber waren und sind immer für neue Entwicklungen offen.
Was genau findet sich alles in der Bücherei?
Rässler: Bei den Medien neben dem Buch die Zeitschriften, Zeitungen, Musik-CDs, Hörbücher, Brettspiele – die übrigens gerade wieder sehr gefragt sind – und NintendoDS-Spiele. Seit 2012 gibt es unser e-Medien-Angebot in der Franken-Onleihe mit über 33 000 Medien. Seit einigen Jahren bietet die Stadtbücherei kostenloses WLAN, jeder Besucher, jede Besucherin, kann kostenlos an fünf PCs das Internet nutzen, zwei PCs sind mit Word, Excel und PowerPoint ausgestattet und mit einem Sprachprogramm kann man auf verschiedenen Levels deutsch lernen. Außerdem stehen unseren Leserinnen und Lesern ein Drucker und ein Kopierer zur Verfügung.
Ihr Zukunftswunsch für die Bücherei?
Rässler: Dass sie noch mehr ein Treffpunkt für Menschen, ein lebendiger Ort der Kommunikation, des Austauschs wird.
Wie schwer fällt der Abschied?
Rässler: Schon sehr. Die Bücherei war für mich einfach der richtige Arbeitsplatz. Und ich gehe mit einem lachenden, aber besonders einem weinenden Auge.
Was werden Sie vermissen?
Rässler: Die kreative Arbeit in unserem kleinen Team, die eigenen Gestaltungsmöglichkeiten, den menschlichen Kosmos und Austausch mit unseren kleinen und großen Leserinnen und Lesern und meinen engagierten Vorlesepaten und die vielen Aktionen für und mit den Kindern.
Für den Ruhestand habe ich mir vorgenommen . . .
Rässler: . . . mehr zu lesen als ich es in der letzten Zeit geschafft habe, meine Trommel wieder hervorzuholen, meinem Garten mehr Zeit zu widmen und bei schönem Wetter die Wanderstiefel zu schnüren.
Wie steht's um die Nachfolge?
Rässler: Meine Nachfolgerin ist eine junge Bibliothekarin mit einigen Jahren Berufserfahrung. Und: sie kommt aus Kitzingen. Ich wünsche ihr, dass sie im Sinne unseres langjährigen Mottos „Nichts bleibt wie?s ist“ die Stadtbücherei lebendig für die Menschen weiterentwickelt.