Ich finde es interessant, dass ein Richard Rother 30 Jahre nach Kriegsende den Kulturpreis der Städte Würzburg und Kitzingen erhält und sogar eine Schule nach ihn benannt wird, 70 Jahre nach Kriegsende allerdings spekuliert wird, ob der Mann ein Vorbild sein könne und Namensgeber für eine Schule.
Die Frage war 1975 sicherlich genauso erlaubt wie 2015. Wieso man aber in Deutschland mit der Verarbeitung des Zweiten Weltkrieges und der Nazi-Diktatur augenscheinlich immer größere Probleme hat, je länger diese Zeiten vorbei sind, will sich mir nicht erschließen.
Vielleicht ist es derzeit einfach „schick“, solche Diskussionen zu führen – Nazi verkauft sich eben gut. Konsequenterweise dürfte es dann aber auch keine Wilhelm-Furtwängler-Straße oder einen Günter-Grass-Preis geben. Ebenfalls Künstler, die mit den Nazis in Verbindung gebracht werden können.
Hat Richard Rother jemand gefragt, ob er ein Vorbild sein will? Konnte er fortlaufend „Nein“ zu Nazi-Aufträgen sagen, ohne mit der Gestapo in Konflikt zu geraten? War er am Ende selbst ein Nazi, oder nur einer, der den leichteren Weg gegangen ist? Fragen kann man ihn nicht mehr. Tote können sich auch nicht mehr wehren.
Als die Realschule 1982 nach ihm benannt wurde, waren seine problematischen Werke bekannt. Anscheinend haben die Namensgeber damals dieses Faktum nicht als Gegenargument gesehen, sondern vielmehr die Leuchtturmfunktion Rothers als Kunst-Botschafter der Region. Andere Generationen mögen diese Frage anders entscheiden.
Rother hat sich von den Nazis bezahlen lassen, hat willfährig in Kauf genommen, an Propaganda teilzunehmen. Vielleicht aus egoistischen, sicher aus wirtschaftlichen Motiven. Da gibt?s nichts zu beschönigen, das darf und soll man sagen. Ich finde es aber nicht richtig, wenn dies Jahrzehnte später das Gesamtwerk von Künstlern wie Rother oder Sport-Funktionären wie Diem überstrahlt – da fehlt die Verhältnismäßigkeit.