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NORDHEIM
Claudia Roth und ihr Witz über zu lange Redezeit
Norbert Hohler
Norbert Hohler
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:58 Uhr

Eigentlich wäre am Sonntag im Nordheimer Öko-Weingut Rothe mit sechs Worten alles gesagt gewesen: „Ändere die Welt: Sie braucht es“, fasst Claudia Roth, die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, am Ende ihrer Ausführungen die Botschaft der Grünen zusammen. Zitiert Lyriker Bertold Brecht aus ihrer schwäbischen Heimat.

Mag sein, dass sechs Worte „eigentlich“ genügt hätten: Aber wer Claudia Roth zu einem Wahlkampfauftritt einlädt, so wie Barbara Pfeuffer, die Direktkandidatin des Wahlkreises Schweinfurt/Kitzingen, weiß: Es wird länger dauern, viel länger. „Ich habe zu lange geredet, habe sie sehr beansprucht“, findet die ehemalige Bundesvorsitzende der Grünen denn auch und muss lachen, als einer aus dem Publikum „Ja“ ruft.

Gelächter über Selbstironie

Die schlagfertige Antwort der 62-Jährigen unterstreicht, warum sie 2014 den Kitzinger Schlappmaulorden zu Recht verliehen bekommen hat.

„Jetzt erzählte ich ihnen mal den größten Witz, der mich betrifft: Ich muss jedes mal insgeheim lachen, wenn ich als Bundestagsvizepräsidentin einen Abgeordneten am Rednerpult ermahne: 'Herr Kollege, denken Sie an Ihre Redezeit'“.

Gelächter in der Runde, Selbstironie können die wenigsten Politiker. Und auch wer mit dem aktuellen Spitzenpersonal der Grünen ein wenig fremdelt, findet bei Claudia Roth Antworten. Sie macht sich über das Duell Merkel gegen Schulz lustig, das ein „lahmes Duett“ gewesen sei. „Und ich finde unglaublich, auch angesichts dessen, was Hurrican Irma gerade anrichtet, dass das Wort Klimawandel in den 90 Minuten kein einziges Mal vorgekommen ist. Geschweige denn, dass einer der beiden eine Idee präsentiert hätte, wie man dieses globale Thema angeht.“

Prognose 200 Millionen Füchtlinge

Dabei sei die Prognose jenes Klimaexperten, der die Kanzlerin berät, sei eindeutig: Wenn es nicht gelingt, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, werden in absehbarer Zeit 200 Millionen Menschen aus diesem Grund auf der Flucht sein. „Ganze Staaten versinken im Meer“.

Angesichts von rund 67 Millionen Menschen, die laut Vereinten Nationen bereits jetzt auf der Flucht sind, sei das unverantwortlich. „Wir liefern Waffen in Kriegsgebiete. Wir bringen unsere gigantische Überproduktion nach Afrika und machen dort bäuerliche Strukturen kaputt. Wir verfehlen unsere Klimaziele meilenweit, obwohl wir eines der reichsten Länder der Welt sind“, listet Roth unter anderem auf.

Ein Appell zum Geburtstag

E-Mobilität vornabringen, Landwirtschaft ökologisch umbauen, Fluchtursachen bekämpfen, Integration zum Erfolg führen – wie das gehen soll, sei im 248-seitigen Wahlprogramm der Grünen erläutert. „Das liest sich flott“, scherzt die Frau, die ihren Vortrag mit einem bewegenden Appell begonnen hat. „Ich denke heute besonders an einen Freund, der Geburtstag hat und seit 207 Tagen in Haft sitzt: Lass Deniz Yüczel endlich frei. Und mit ihm alle anderen inhaftierten Journalisten.“

Die Pressefreiheit sei ein hohes Gut, die Möglichkeit einer freien Wahl ebenfalls. „Machen Sie am 24. September ihr Kreuz, bei demokratischen Kräften“. Damit Kabarettist Hagen Rether nicht Recht bekommt, den Heiner Schmidt bei der Begrüßung zitierte: „Wählen gehen ist wie Zähneputzen: Wenn man es nicht macht, wirds braun.“

 
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