
Wer von Iphofen nach Birklingen will, muss weit ausholen: die sonnenbeschienenen Weinberge der Kalb links liegen lassen, eine kurvenreiche Steigung hoch, durch eine Art Märchenwald hindurch und der Straße folgen, die sich zwischen sattgrüne Wiesen schlängelt, von der des nachts ein Krötenheer ausschwärmt.
Am Ziel schmiegt sich der kleine Ort, der einst ein Kloster beherbergte, an einen beschaulichen Weiher. Die pure Idylle also.
So erleben es die vielen Wanderer, die von hier aus ihre Tour in die Natur starten und dann im örtlichen Wirtshaus bei Suppe von der Brunnenkresse, Ricotta-Steinpilzravioli oder Rehschnitzel in der Haselnusskruste einkehren. Doch die Idylle ist nur Fassade. Hinter den Kulissen sind sich die gerade mal 52 Einwohner des kleinen Iphöfer Stadtteils nicht grün.
Der Ort denkt in Lagern, und zumindest einmal im Jahr werden die im Verborgenen schlummernden Ressentiments krachend und für alle sichtbar nach oben gespült.
Explosive Mischung
Am Donnerstagabend hat der Vulkan mal wieder gespuckt, nicht mehr als heiße Luft, wie Beobachter dieses skurrilen Schauspiels meinen. Denn es sind Belanglosigkeiten, die sich zu der explosiven Mischung aufladen. Im vorigen Jahr brachte die Klage mancher Birklingerin über angebliche Touristenmassen in dem Ort die Luft im kleinen Bürgerraum zum Kochen. In der jüngsten Bürgerversammlung war es nun die bescheidene Frage, ob es im Friedhof zukünftig wieder einen Kompostbehälter gebe. Der alte sei nämlich seit kurzem verschwunden.
Ortssprecher Wolfgang Schwab erhob sich wie bei einem Tribunal von seinem Platz an der Stirnseite des gedrungenen Raums und fühlte sich zu einer Verteidigungsrede genötigt, obwohl er gar nicht angegriffen worden war. Schwab, ein zupackender Mann mit kräftiger Stimme, begann vor den rund 25 Birklingern bedächtig, kam dann immer mehr in Fahrt und steigerte sich schließlich in eine Wutrede, in der er selbst vom zweiten Bürgermeister Ludwig Weigand kaum zu bremsen war. Er, Schwab, sehe nicht ein, den Müll wegzuschaffen, den die Besucher des Friedhofs hinterließen. Als einer erwiderte, er solle sich doch bloß um einen neuen Abfallbehälter kümmern, stellte Schwab fest, nicht er, sondern der neue Kirchenpfleger sei dafür verantwortlich. „Aber du“, so kam es zurück, „bist doch der Ortssprecher.“
Mit Mühe nur schaffte es Weigand, der Stellvertreter des erkrankten Bürgermeisters Josef Mend, die Situation zu beruhigen. Wieder waren die Dinge zum Schluss hin eskaliert, wieder wurden die Verwerfungen allzu sichtbar, die sich quer durch das Dorf ziehen. Ratlos und stumm saßen die wenigen Stadträte am Tisch, überfordert offenbar mit der Situation, die sich in 100 Minuten zuvor nicht angedeutet hatte.
Kaum echte Konfliktherde
Echte Konfliktherde hatte es kaum gegeben. Größtes Problem war offenbar ein Baum, der bei der Dorfsanierung gepflanzt werden soll und manchem Landwirt schon heute im Weg ist. Stadtförster Rainer Fell drang mit seinem Argument („Sie können doch nicht in jedem bebauten Bereich sagen, da darf kein Baum hin“) bei den wenigsten durch. Auch hier positionierte sich Ortssprecher Schwab unmissverständlich: „Wir müssen dort arbeiten. Dann wird der Baum eben umgefahren.“ Die Zeiten hätten sich geändert. Früher habe man mal eine Linde in den Dörfern gehabt, „anno dazumal, als man mit Pferden gefahren ist“. Der Landwirt von heute sitzt meist auf unübersichtlichen Schleppern und hat das zigfache an Pferdestärken.
Ludwig Weigand war auch hier auf Ausgleich bedacht. „Wir werden das doch hinbringen, dass wir in Birklingen ein paar Bäume setzen können“, sagte er. Ohnehin ist ungewiss, wann es mit dem Straßenausbau losgehen wird – sicherlich nicht vor 2014, wie Weigand auf besorgte Hinweise feststellte. Einen Teil der Kosten werden die Anwohner selbst tragen müssen. Derzeit existiere nur ein Vorentwurf, der noch nach allen Seiten offen sei. „Die grobe Richtung stimmt“, teilte Edwin Servatius mit. Nadja Servatius regte an, nach der Neugestaltung das Parken vor der Kirche zu untersagen. „Das sieht einfach nicht schön aus.“ Und von anderer Warte kam der Hinweis, das mit den abgesenkten Gehsteigkanten noch einmal zu überdenken. „Das lädt die Leute nur zum Parken ein.“
Manche Idee werden zweiter Bürgermeister und die Stadträte mit auf den Weg zurück ins Rathaus genommen haben; mehr noch aber blieb bei ihnen dieser beklemmende Eindruck hängen, dass in dem beschaulichen Dorf so schnell kein Frieden einkehren werde.