Echt cool! Das haben sich die Mitglieder des Wahlkurses Jugend forscht am Gymnasium LSH Wiesentheid vor ein paar Tagen gedacht. Sie haben es sogar schriftlich bekommen, nur dass „Echt kuh-l“ auf den Urkunden steht. Kein Schreibfehler, sondern eine Auszeichnung beim gleichnamigen Wettbewerb des Bundeslandwirtschaftsministeriums. Mit ihrer Forschung zum „leckeren Brotaufstrich aus süßem Hummus“ haben sie Platz zwei beim Forscherpreis erreicht.
„Kichern Erbsen? Nicht die Bohne!“ Mit einem Wortspiel war das Motto des Schulwettbewerbs umschrieben, in dem es um „starke Eiweißhelden“ ging. Hülsenfrüchte? Nicht unbedingt ein Thema, das Kinder und Jugendliche vom Hocker haut. Selbst bei den ganz Neugierigen weckt das nicht sofort den Forscherdrang. „Als unser Lehrer das Wettbewerbsthema vorstellte, waren wir nicht so begeistert“, geben die Schüler daher auch zu. Eine Gemüsebeilage, geschmacklich nicht so super. Doch was ein echter Forscher ist, der knackt auch ein Thema, das sich langweilig anhört.
Kinder haben Spaß am Forschen
Seit zehn Jahren führt Matthias Mann Schüler in einer Jugend-forscht-Gruppe an die Wissenschaften heran. Gerade in jungen Jahren sei das Bedürfnis, Dinge zu erkunden, groß. „Es ist schön zu sehen, wie viel Spaß die Schüler am Experimentieren haben“, so Mann. Es sei eine Motivation der Schule, dafür eine Plattform zu bieten. Der Wahlkurs ist freiwillig, aber wer sich zu Schuljahresbeginn angemeldet hat, der muss das ganze Jahr teilnehmen. Mann meldet die Kinder regelmäßig zu Wettbewerben an, es gab auch schon mehrere Auszeichnungen für das Wiesentheider Gymnasium. Welche Themen bearbeitet werden, dürfen die Schüler mitentscheiden. „Nur wenn sie Spaß haben, kommt was Gutes dabei raus.“
Zum Forschen in der Schule gehört nicht nur das Experimentieren. Da wird recherchiert, da wird Quellenarbeit geleistet, dokumentiert, wissenschaftlich möglichst exakt gearbeitet. In der Regel wird das Ergebnis auch noch selbst präsentiert, was wegen Corona aber in den letzten Jugend-forscht-Wettbewerben nicht möglich war – und auch nicht beim jetzigen Wettbewerb „Echt kuh-l“ des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Zu tun gab es trotzdem eine Menge. So hat Oliver Uhl den Fragebogen erstellt, mit dem erkundet wurde, wie der Aufstrich schmeckt, Marc Köhler hat die Antworten ausgewertet. Beide sind schon seit längerem in der Jugend forscht-Gruppe, während die anderen die fünfte Klasse besuchen, also erst relativ kurz dabei sind. Die Begeisterung aller Kursteilnehmer ist groß. „Ich hab schon immer gern experimentiert“, erklärt Tom Neumann, warum er sich für diese Gruppe entschieden hat. „Ich hatte Lust, was zu erforschen“, sagt Moritz Hofrichter. „Ich mag Wettbewerbe“, erklärt Kilian Botong.
Diesmal hieß die Herausforderung für die zwölf Jungforscher also Hülsenfrüchte. Sie entschieden, sich an weißen Bohnen zu versuchen, die man ja meist pikant zubereitet. Warum nicht mal was anderes machen? Eine Alternative zu süßen, kalorienreichen Brotaufstrichen? Etwas, das nachhaltig und gesund ist, eiweißreich mit wenig Zucker und wenig Fett und noch dazu gut schmeckt? Eine echte Herausforderung selbst für die „große“ Lebensmittelforschung.
Die Idee war geboren, dann ging die Arbeit los. Und zwar mit Feuereifer, obwohl die Schüler – elf Jungs und ein Mädchen – sich keine Chancen auf eine Auszeichnung ausrechneten. Die Kategorien sind nach Alter aufgeteilt, umfassen jeweils zwei Jahrgangsstufen ab der dritten bis zur zehnten Klasse. Die jungen Forscher aus Wiesentheid aber sind keine normale Klasse, sondern ein Wahlkurs, und da sind neben vielen Fünftklässlern auch Schüler aus der siebten und achten Jahrgangsstufe mit dabei. „Aber es geht ja um den Spaß“, findet Moritz.
3174 Kinder aus ganz Deutschland haben sich am Wettbewerb beteiligt, insgesamt gingen 545 kreative Einsendungen ein, wie das Bundesministerium nach der Auszeichnung mitteilte, die wegen Corona digital erfolgte. Da wurde gebastelt, gekocht, komponiert, vertont und gefilmt. Es gab Podcasts, Hörspiele, Instagram-Kanäle, Webseiten, Spiele, aber eben auch Rezepte. Eine siebenköpfige Jury wählte aus allen Einsendungen 25 Gewinner aus – und die Wiesentheider sind dabei. Platz zwei in der Kategorie Forscher. „Wir waren völlig aus dem Häuschen“, erzählt Elias Körner, vor allem, weil es nicht nur Pokal und Urkunden, sondern auch noch ein Preisgeld gab. Obwohl – Pokal? Was Lehrer Matthias Mann da am Mittwoch aus der zylinderförmigen Verpackung zog, sorgte für große Augen: kein Kelch, wie gewohnt, sondern eine goldene Kuh, die jetzt natürlich einen Ehrenplatz in der Schule bekommt. Am liebsten hätte sie jeder für sich behalten – einschließlich Rektor Achim Höfle, der sichtlich stolz auf die erfolgreiche Forschungsgruppe ist und herzlich zu ihrem Erfolg gratulierte.
Erst mal wird recherchiert
Doch bis dahin war es ein langer Weg. Hülsenfrüchte also. Ein Aufstrich. Aber wie muss der beschaffen sein und schmecken, damit der gesunde und nachhaltige süße Hummus gegen die bei vielen so beliebte Schokocreme bestehen kann? Irgendwas zusammenrühren und probieren – damit ist es nicht getan. Nach der Ideenfindung ging es erst mal mit Recherchearbeit los. Welche Rezepte für Hummus gibt es schon, was ist bei der Verarbeitung zu beachten, welche Inhaltsstoffe sind erlaubt, welche sind gesund, welche können ersetzt werden und womit? Normalen Zucker wollten die Kinder nicht in ihrem Produkt haben, ebenso wenig Palmöl, nahmen stattdessen Zuckerersatz und Sonnenblumenöl. Sie entschieden sich, drei Hummus-Varianten herzustellen: je eine Schoko-, Zimt- und Erdnuss-Variante. Dann ging es ab in die Schulküche. Da wurde gemischt, gerührt und probiert, was das Zeug hielt. Mal schmeckte es zu bitter, mal zu sehr nach Erdnuss. Als alle zufrieden waren mit der Rezeptur, ging es um die nächste Frage: Worauf soll er denn gestrichen werden, der Aufstrich, der das Gehirn auf Touren bringen soll? Toast würde gut passen, aber auch Bagels oder Tortillas – und mit denen wurde dann auch probiert.
Nach den Schülern wurden Familien und Angehörige als Tester herangezogen. Im Bewertungsbogen „Brainfood“ galt es Aussehen, Geschmack, Geruch, Konsistenz und Streichfähigkeit zu bewerten, außerdem musste eine Gesamtnote vergeben und ausgefüllt werden, ob man das Produkt weiterempfehlen würde. Der Zimt-Hummus kam am besten an, lag mit der Note 2,03 leicht vor Erdnuss und Schoko. Aufgrund der Anregungen optimierten die Jugendlichen ihre Produkte nochmal. Dieses Ausprobieren, die Geschmacksrichtung leicht verändern, gefiel den meisten am besten. „Es war cool, da herumzuprobieren“, sagt Elias. Das optimierte Produkt stellten die Schüler dann in der Internatsküche vor. Die stellvertretende Wirtschaftsleiterin Erika Schad – der die Erdnuss-Variante am besten schmeckte – setzte sich dafür ein, dass der Aufstrich den Internatsschülern jetzt schon zweimal beim Frühstück mit serviert wurde.
Und wie schmeckt der süße Hummus den jungen Forschern selbst? Von „gewöhnungsbedürftig“ über „ok“ und „nicht schlecht“ bis zu „gut“ waren die Antworten. Einer findet ihn sogar besser als Nutella – das mag er nämlich gar nicht. Weil das Produkt der Schüler keine Konservierungsstoffe enthält, ist es nicht lange haltbar, kann also nicht so ohne weiteres immer und überall und von jedem probiert werden, da stößt die Forschung und Entwicklung in der Schule an ihre Grenzen. Erika Schad hat versprochen, es auf jeden Fall nochmal im Internat zum Frühstück zu servieren. Also ist noch nicht Schluss mit dem süßen original Wiesentheider Hummus. Und mit dem Forschen sowieso nicht. Die Schüler sind längst von der Wissenschaft infiziert. Was sie wohl als nächstes erforschen werden? Gemeinsam mit Lehrer Matthias Mann haben sie bestimmt schon bald wieder eine neue Idee.