
Anton und Alina, Salome und Stefka, Lilas und Linda haben eins gemeinsam: Sie kamen in diesen Tagen in der Klinik Kitzinger Land zur Welt. Warum haben sich ihre Eltern zur Entbindung die vergleichsweise kleine Klinik in Kitzingen ausgesucht? Gelingt es hier, dem landesweiten Geburtenrückgang zu trotzen?

Warum steuern werdende Eltern die Klinik Kitzinger Land an?
Als sich Nachwuchs ankündigte, informierten sich Christiane Bockreiss und ihr Partner Tobias Engel über die Geburtsbedingungen in der Umgebung. "Bei der Kreißsaal-Führung in Kitzingen war ich angenehm überrascht. Die Räume waren sehr schön, die Hebammen toll." Schnell sei klar gewesen, dass sie zur Entbindung hierherkommen wolle, berichtet die Krankenschwester aus Martinsheim. Sie hat ihre Entscheidung nicht bereut.
Zwei Tage, nachdem sie ihre kleine Maila am Weltfrauentag zum ersten Mal im Arm gehalten hatte, sagt sie, die Atmosphäre im Kreißsaal und auch auf Station sei "sehr angenehm". Ihr gefallen auch die Methoden und Hilfsmittel, die die Hebammen anwenden, "Aroma-Therapie zum Beispiel".

Gibt es einen Unterschied zwischen der Geburtshilfe in Kitzingen und der in großen Kliniken?
Definitiv. Hebamme Carolin Dietz aus Dettelbach-Brück hat zwölf Jahre lang auf der Kinderintensivstation der Uni-Klinik Würzburg gearbeitet, ehe sie Hebamme in Kitzingen wurde. "Der größte Unterschied ist, dass wir in Kitzingen die Betreuung der Schwangeren stark intensiviert haben", sagt sie. Nicht selten habe jede werdende Mutter eine Hebamme für sich allein. Solchen "Luxus" und familiäre Atmosphäre gebe es in großen Zentren nicht. "Außerdem ermöglichen wir eine selbstbestimmte Geburt."

Die Hebammen in der Klinik Kitzinger Land verstehen darunter, dass jede Frau ihr Kind individuell so zur Welt bringen kann, wie sie es am besten findet. Ganz ohne Dogma. "Wir schließen die Schwangeren nicht ab sechs Zentimetern Muttermundöffnung ans Dauer-CTG an oder legen sie ins Bett, die Beine hoch", stellt Dietz fest. "Im Gegenteil. Wir bestärken jede Frau darin, ihren eigenen Weg zu gehen." Dafür stehen alle möglichen Hilfsmittel zur Verfügung: Wippsessel, große Kissen, Globuli … Voraussetzung für eine selbstbestimmte Geburt sei, dass die Frauen "gut auf das Geburtserlebnis vorbereitet werden".
Waren die Frauen vor 30 oder 40 Jahren schlechter auf die Geburt vorbereitet?
Generell ja. Die mentale und physische Geburtsvorbereitung sei jahrzehntelang unterschätzt worden, sagt Dietz: "Viele Mütter von heute erwachsenen Kindern haben deshalb ein Geburtstrauma erlebt." Heute ermutigen die Hebammen jede werdende Mutter, auf ihren Körper zu hören und keine Angst davor zu haben, ihn arbeiten zu lassen. Die schönsten Geburten seien die, "bei denen die Frauen ihren Instinkten folgen und ich als Hebamme nur staunendes Beiwerk bin", sagt die 36-Jährige. Und: "Eine gute Geburtsvorbereitung ist Trauma-Prävention."

Vorne: Jasmin Köhler
Wie viele Hebammen arbeiten in der Klinik Kitzinger Land und nach welchen Regeln?
Aktuell besteht das Team aus neun freiberuflichen Hebammen, die zusammen mit dem Ärzte-Team eine 24/7-Versorgung gewährleisten. Zwei Hebammen sind derzeit schwanger und fallen künftig eine Zeitlang aus, weshalb in Kürze zwei neue Kolleginnen das Team ergänzen werden. Fast alle Hebammen machen außer ihren Zwölf-Stunden-Schichten in der Klinik auch Vor- und Nachsorge bei Schwangeren und jungen Müttern zu Hause.

Ist die Freiberuflichkeit der Hebammen ein Vor- oder Nachteil für die werdenden Eltern?
Durch die Freiberuflichkeit könne jede Hebamme sich nach eigenen Wünschen beruflich in Teil- oder Vollzeit entfalten. Das komme einer stressfreien Geburtsvorbereitung und -begleitung zugute, ist für Dietz und ihre Kollegin Dunkelberg klar. Die Klinik stellt sämtliches Material und die Räume, während die Hebammen letztere mit Leben füllen – im wahrsten Sinn des Wortes. "Wir können den Frauen fast jeden Wunsch erfüllen", sagt Dunkelberg. Die Schernauerin und ihre Kolleginnen bieten nicht nur die Geburtsvorbereitung direkt in der Klinik an, sondern zum Beispiel auch die Freitagssprechstunde, bei der werdende Mütter und Hebammen einander kennenlernen.
Was geschieht mit den werdenden Vätern?
Die Männer spielen vor, nach und während der Geburt eine viel wichtigere Rolle als man ihnen früher zugestand. Je mehr Oxytocin – Kuschel- und Bindungshormon – sich während der Geburt bildet, desto besser. Als "Fels in der Brandung" kann der Mann seiner Partnerin die Geburt erleichtern. "Die Männer müssen keine Angst haben, hilflos dazustehen; die kriegen bei uns schon ihr Jöble", sagt Dietz grinsend.
Baby-Statistik
Situation in Kitzingen: In Kitzingen ist der Trend gegenläufig. Jan Zupaniec, Chefarzt der Abteilung für Geburtshilfe, freut sich über die steigende Geburtenzahl, lobt dafür sein engagiertes Hebammen-Team und teilt mit, dass 2022 in der Kitzinger Klinik 398 neue Erdenbürger begrüßt werden konnten. 2023 waren es 418, im vergangenen Jahr 440.