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ALBERTSHOFEN
Aufschwung zu gärtnerischer Blüte
Jubiläum: Ein Dekan, der Sämereien verkauft, erfrorene Obstbäume und der neue Großmarkt als Meilenstein: Gärtnermeister Lothar Töpfer blickt auf 125 Jahre Gartenbaugruppe Albertshofen zurück
Von unserem Mitarbeiter Hartmut Hess
 |  aktualisiert: 15.12.2015 10:55 Uhr

Die Gartenbaugruppe Albertshofen feiert am Wochenende ihr 125-jähriges Bestehen mit einem Festakt für geladene Gäste am Samstag und einem Tag der offenen Tür für alle Bürger am Sonntag. Die Gärtner blicken auf eine bewegte Geschichte ihrer Berufsstand-Vertretung zurück, wobei offenbar wird, dass die Albertshöfer einst recht arme Leute waren. Im Gespräch mit dieser Zeitung erzählt Lothar Töpfer, der die Gartenbaugruppe 18 Jahre lang als Obermeister führte, von den harten Zeiten seiner Vorfahren.

Die Initiative zur Gründung des damaligen Obst- und Gartenbauvereins ergriff im Jahr 1890 der Gastwirt und Gärtner Valentin Neubert, der auch Gründungsvorsitzender war. Zwei Jahre später beschlossen die Mitglieder erstmals den gemeinsamen Einkauf von Thomasmehl-Dünger. Aber Gärtner gab es schon weit vorher in Albertshofen, wie der langjährige Obermeister herausgefunden hat. Denn in einer Urkunde aus dem Jahr 1832 wird aus einer Hübner (Waldrechtler)-Liste zitiert, in der zwei Hübner als Berufsbezeichnung Gärtner angegeben hatten. „Schon um die Jahrhundertwende fuhren an die 100 Gärtnerfrauen nach Kitzingen und Würzburg, um ihre Produkte auf Märkten zu verkaufen“, weiß Lothar Töpfer zu erzählen. Bürgermeister und Gärtnermeister Horst Reuther setzt diese Tradition heute noch fort, verkauft er seine Produkte doch wöchentlich auf Märkten in Höchberg und Waldbüttelbrunn.

1913 hielt die Elektrizität in Albertshofen Einzug, deswegen kauften die Gärtner 50 Elektromotoren, um sie für die Wassergewinnung einzusetzen. 1925 nahmen die Gärtner erstmals am Kiliani-Festzug in Würzburg teil und folgten auch der Einladung zum Münchner Oktoberfest. Wie sich die relativ armen Albertshöfer gegenseitig halfen, zeigt Lothar Töpfer anhand der Errichtung des heutigen Rathauses. Dieses war 1925 als Kinderhaus vom Diakonieverein erbaut worden. Als es finanziell eng wurde, habe der damalige Dekan Hiller die Idee gehabt, dass er den Sämereien-Verkauf für die Gärtner organisieren könnte. Tatsächlich machte der Gottesmann diese Tätigkeit gut und konnte binnen eines Jahres 2000 Mark erwirtschaften, um die Bauschulden des Diakonievereins abzustottern.

Der Winter 1928/29 brachte eine Katastrophe für die Albertshöfer, die bis dahin weitgehend vom Obstbau und Schnapsbrennen gelebt hatten. Denn ein fürchterlicher Frost ließ nahezu alle Obstbäume erfrieren. „Mein Opa hat mir erzählt“, erinnert sich Töpfer, dass es sogar die Baumstämme zerrissen habe. „Das hat damals so laut gekracht, dass es der Opa sogar nachts im Bett gehört hat und ihm das Herz geblutet hat“, schildert der 71-jährige Gärtnermeister. Deswegen steigerten die Gärtner im Gemüse-Produktion erheblich und auch der Kräuteranbau kam hinzu, um neue Verdienstmöglichkeiten zu erschließen.

1929 hoben die Gärtner auch den Großmarkt aus der Taufe. 1930 gründeten die Albertshöfer eine Bewässerungs-Genossenschaft und bauten im Hand- und Spanndienst ihre erste Wasserleitung von drei Kilometer Länge, damit konnten 40 Hektar Gärtnerland versorgt werden. Die Bewässerungsgenossenschaft war der Vorläufer des heutigen Wasserbeschaffungsverbands Albertshofen.

In den Wirren des Zweiten Weltkriegs kam der Verein zum Erliegen und 1945 bildete sich eine Gärtnergruppe um Karl Dänzer, die Mitglied im Bayerischen Gärtnereiverband wurde. Die Liste umfasste 153 Mitglieder im Jahr 1952, was den Mitglieder-Höchststand in der Geschichte der Gartenbaugruppe markierte.

Einst gab es in Albertshofen 180 Familien, die von der Gärtnerei lebten und 90 Gärtner, die in Würzburg mit ihren Marktständen vertreten waren. Denn Albertshofen hat seit jeher eine relativ kleine Gemarkungsfläche mit leichten Sandböden, was den Einwohnern nur ein geringes Einkommen ermöglichte. Nur durch das Umschwenken auf Sonderkulturen kamen sie in die Lage, auskömmlich zu wirtschaften. Nach einem Dürre-Jahr 1946 erweiterten die Gärtner die Großbewässerungsanlage, die 1972 auf die heutige Dimension ausgebaut wurde.

Existenziell wichtig für die Gärtner war die Flurbereinigung mit der Erweiterung der Bewässerungsanlage im gleichen Jahrzehnt. Damals glänzten die Albertshöfer alljährlich mit Medaillen für ihr Gemüse auf der Bundesgartenschau oder später auch in Würzburg auf der Landesgartenschau. „Einen Meilenstein für uns Gärtner“, so Lothar Töpfer, auf dem Weg zur gärtnerischen Blüte, bildete der Neubau des Großmarktes im Jahr 1972. Die Vermarktung vollzieht sich hauptsächlich über die Gartenbauzentrale Main-Donau, in der 1998 die Großmärkte aus Gundelfingen (Schwaben) und Albertshofen fusioniert hatten. Ein eigener Wasserbeschaffungsverband in Albertshofen, die Flurbereinigung und die große Flächenbewässerungsanlage sind wichtige Komponenten, die es den Albertshöfern ermöglichten, den Strukturwandel zu bewältigen und sich frühzeitig für die Herausforderungen der Zukunft zu rüsten.

Heute sind inklusive ein paar auswärtiger Mitglieder noch rund 25 Familien als Gärtner im Voll- und Nebenerwerb tätig. Geprägt ist die Situation heute von der Konzentration der Flächen, der Spezialisierung der Betriebe und trotzdem immer noch einer großen gärtnerischen Vielfalt im Ort. Jürgen Böhm hat den Posten des Obermeisters der Gartenbaugruppe mit ihren aktuell 60 Mitgliedern im Jahr 2012 von Lothar Töpfer übernommen, sein Stellvertreter ist Heinz Wenkheimer, Gerd Gernet fungiert als Schriftführer und Erich Wenkheimer als Kassier. Die Albertshöfer Gärtner erreichen mit ihrer Anbaufläche von 500 Hektar eine jährliche Wertschöpfung von 30 Millionen Euro.

„Schon um die Jahrhundertwende fuhren an die 100 Gärtnerfrauen nach Kitzingen und Würzburg, um ihre Produkte auf Märkten zu verkaufen.“
Lothar Töpfer Früherer Obermeister der Gartenbaugruppe
Handarbeit: Gärtner Michael Kahl (von links) mit den Frauen Katharina Kahl und Else Reuther beim Rupfen von Bohnen.
Foto: Repros (3) und Hartmut Hess | Handarbeit: Gärtner Michael Kahl (von links) mit den Frauen Katharina Kahl und Else Reuther beim Rupfen von Bohnen.
Erntedankfest 1934: Die Gärtner sind ein stolzer Berufsstand und feierten seit jeher gerne bei Festen mit. Dieses historische Bild zeigt eine Albertshöfer Gärtnergruppe.
| Erntedankfest 1934: Die Gärtner sind ein stolzer Berufsstand und feierten seit jeher gerne bei Festen mit. Dieses historische Bild zeigt eine Albertshöfer Gärtnergruppe.
Fränkisches Oktoberfest in Würzburg: Die Albertshöfer Gärtner sind über ihren Ort hinaus aktiv. Dieses Bild aus dem Jahr 1949 zeigt eine Gärtnergruppe auf ihrem Festwagen.
| Fränkisches Oktoberfest in Würzburg: Die Albertshöfer Gärtner sind über ihren Ort hinaus aktiv. Dieses Bild aus dem Jahr 1949 zeigt eine Gärtnergruppe auf ihrem Festwagen.
 
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