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Kitzingen
Aufregung im Supermarkt: 41-Jähriger rastet aus
Ein Mann beleidigt im Supermarkt eine Frau, er bedroht und verletzt sie leicht. Im Amtsgericht legt er noch einmal nach. Was treibt den Mann zu solcher Wut?
Der gemeinsame Einkauf mit seiner Bekannten im Supermarkt eskaliert, als ein Mann an der Kasse und später auf dem Parkplatz ausrastet (Symbolbild).
Foto: Henning Kaiser, dpa | Der gemeinsame Einkauf mit seiner Bekannten im Supermarkt eskaliert, als ein Mann an der Kasse und später auf dem Parkplatz ausrastet (Symbolbild).
Sigfried Sebelka
Siegfried Sebelka
 |  aktualisiert: 11.02.2024 23:03 Uhr

"Ich bin zwar ein bisschen bekloppt, aber nicht genug bekloppt, dass es relevant ist." So wird das Ergebnis eines Gutachtens zur Schuldfähigkeit eines Angeklagten auch nicht immer zusammengefasst. Es trifft aber ganz gut den Kern. Die Gutachterin bestätigt dem Mann vor dem Kitzinger Amtsgericht zwar eine Persönlichkeitsstörung, er sei aber voll strafrechtlich verantwortlich. Damit steht einer Geldstrafe in Höhe von 500 Euro (100 Tagessätze zu fünf Euro) nichts mehr im Weg. Was aber treibt den Mann?

Der 41-Jährige hat in einem Supermarkt, wo er mit einer Bekannten zum Einkaufen war, einen lautstarken Auftritt hingelegt. Dabei kam es offenbar zu Sticheleien. Als es ums Bezahlen an der Kasse ging, eskalierte das Ganze. Der Mann bezeichnete die Frau als Schlampe, dann drohte er ihr: "Ich schlage dir den Kopf ein und werfe dich aus dem Fenster." Nach einem Platzverweis durch eine Verkäuferin ging es vor dem Markt weiter. Der Mann trat gegen den Einkaufswagen der Frau. Die verletzte sich dabei leicht am Oberkörper. Damit hatte der seit Jahren arbeitslose Mann, der noch nie etwas auf die Reihe gebracht hat, innerhalb weniger Minuten drei Straftaten begangen: Beleidigung, Bedrohung und Körperverletzung.

Die Gutachterin liegt mit ihrer Einschätzung wohl richtig

Für das Gericht ist der Fall nach der Beweisaufnahme klar. Der Angeklagte jedoch sieht die Sache völlig anders, legt seine Version wort- und gestenreich und oft mit nicht zitierfähigen Bemerkungen dar. Nicht nur einmal wird deutlich, dass die Gutachterin mit ihrem Hinweis auf eine Persönlichkeitsstörung nicht ganz falsch liegt. "So ein Blödsinn!", sagt der 41-Jährige zu der Anklage. Und: "Schlampe ist für mich keine Beleidigung, sondern eine Tatsache." Die angebliche Verletzung mit dem Einkaufswagen sei "physikalisch überhaupt nicht möglich" und "der größte Schwachsinn überhaupt". Er kam zu dem Schluss: "So einen Mist lasse ich mir von euch nicht anhängen."

In diesem Tonfall geht es immer weiter. Zum Beispiel, als ein Betreuer ins Spiel kommt, den er eigentlich braucht, aber nicht mehr erhält, weil keiner mit ihm auskommt. Der Angeklagte gelangt zu dem Schluss: "Alle wollen mir immer was reinwürgen." Oder: "Die meisten Leute sind verlogene, asoziale Missgeburten." Das kommentiert die erstaunlich ruhig bleibende Richterin Ingrid Johann mit den Worten: "So, das wissen wir jetzt auch."

Der Angeklagte tobt beim Plädoyer der Staatsanwältin

Richtig laut wird es, als die Staatsanwältin mit Blick auf mehrere einschlägige Vorstrafen und die fehlenden positive Sozialprognose des Mannes eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten ohne Bewährung fordert. "Ja, geht's noch?", kommt es von der Anklagebank und: "Ich lasse mir eine solche Kacke nicht unterschieben." Dem eher seltsamen Hinweis "Ich hätte doch zum obersten Gerichtshof gehen sollen" folgt dann noch die Erkenntnis: "Knast finde ich gut, da hab ich wenigstens Ruhe vor den Assis."

Knast wird es dann doch nicht. Richterin Ingrid Johann bezeichnet den Auftritt des Mannes als Teil seiner Persönlichkeitsstörung und belässt es bei einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen. Die Höhe ist den mageren Einkommensverhältnissen des Angeklagten angepasst. Der lebt von 300 Euro Unterstützung. Aussichten auf einen Job sieht er nicht. "Ich bin schon so lange weg vom Schuss und nicht leistungsfähig", sagt er. Am Ende erklärt er noch ein bisschen seine Weltsicht und zieht von dannen – vermutlich in der festen Überzeugung, wieder einmal ein Justizopfer geworden zu sein. "Ich gehe in Berufung!"

 
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