Erst neulich hat sich Josef Mend wieder zu einer Tour über Land aufgemacht. Hellmitzheim, Nenzenheim, Dornheim, all den kleinen und größeren Stadtteilen, die seit der Gebietsreform 1972 Iphofen zugeschlagen sind, stattet Mend bei der jährlichen Bürgerversammlung einen offiziellen Besuch ab. Die Leute, so seine Prämisse, sollen ihren Bürgermeister zumindest einmal im Jahr zu Gesicht bekommen.
Allzu oft sehen sie ihn nicht mehr. Längst hat Mend sich einen dieser digitalen Kalender zugelegt, mit denen man sonst Unternehmer oder Manager herumlaufen sieht. Die Stunden, die Tage, die Wochen – sie wollen gut geplant sein, um all der Termine und Verpflichtungen Herr zu werden. Zeit ist ein kostbares Gut geworden, auch im Leben des Josef Mend. Als ihm in Hellmitzheim einer vorhält, er sei ja ständig unterwegs und so gut wie nie im Rathaus anzutreffen, muss Mend zugeben: „Ja, ich weiß, dass das nicht einfach ist.“ Starre Sprechzeiten wie ein Lehrer in der Schule lehnt er dennoch ab: Es könnte was dazwischenkommen.
Wenn Mend in seinem Büro sitzt, einem schlichten, keine 20 Quadratmeter großen Eckzimmer im ersten Stock der Alten Schule, blickt er hinüber auf das Rathaus und hinunter auf den Marktplatz. Man könnte auch sagen: auf einen Teil seines Werks. Der Mann, der länger im Amt ist als Helmut Kohl es jemals war, hat Iphofen geprägt. Die jüngere Generation, die bei der letzten Kommunalwahl 2008 erstmals wählen durfte, hat nie einen anderen Bürgermeister erlebt, aber es ist nicht so, dass sie das Gefühl hätte, etwas verpasst zu haben. Mend hat in Iphofen Spuren hinterlassen und Akzente gesetzt, die man noch weit über seine Amtszeit hinaus wahrnehmen wird. Ohne ihre Identität zu opfern, hat er die Stadt, malerisch schön wie ein Spitzweg-Gemälde, in die Moderne geführt.
Geboren und aufgewachsen in bescheidenen, ja ärmlichen Verhältnissen, entscheidet sich Mend früh für die klassische Verwaltungslaufbahn. Er dient sich hoch bei der VG Kitzingen, ehe er 1990 – mit 38 Jahren – in Iphofen für die Freien Wähler als Bürgermeister kandidiert. Mend braucht keine lange Anlaufzeit, er stürzt sich mit Verve in seine neue Aufgabe, entwickelt Geschick und Gespür für das Amt und weiß sich im rauen Dickicht der Verwaltungsrichtlinien ebenso sicher zu bewegen wie auf dem glatten Parkett der Diplomatie. Im Unternehmer Baldwin Knauf findet er im Laufe der Jahre einen Unterstützer und Förderer – und einen mächtigen Verbündeten.
Noch immer gilt das ungeschriebene Gesetz: Gegen den Willen Knaufs ist in Iphofen schwer etwas durchzusetzen. Dafür sichert der Gips-Mogul der Stadt mit seinen Gewerbesteuermillionen Wohlstand und Beschäftigung. Ohne dieses Geld fiele es auch Mend schwer, seine Visionen zu verwirklichen, die Stadt zu gestalten, zu entwickeln – sich „Denkmäler“ zu erschaffen, wie Spötter meinen. Altenbetreuungszentrum, Vinothek, Karl-Knauf-Halle, die vielen Bürgerhäuser auf den Dörfern, demnächst ein neues Dienstleistungszentrum am Marktplatz – alles entstanden in der Ägide Mends.
Wenn er die Zeit gekommen sieht, ein Projekt umzusetzen, bringt er es auf die Agenda. Mend hat ein schier untrügliches Gespür für das Machbare entwickelt, und dieser Instinkt hat ihn selten getrogen. Es gibt Leute, die von Freie-Wähler-Klüngel im Rathaus und in städtischen Einrichtungen sprechen, und tatsächlich belohnt Mend Loyalität und Linientreue mit Wohlwollen. Aber vielleicht sind diese kritischen Stimmen auch nur Ausdruck gewisser Hilflosigkeit, dass diesem unprätentiösen, relativ uneitlen Mann mit seiner Popularität im Volk einfach nicht beizukommen ist – und wohl auch 2014 nicht beizukommen sein wird, wenn er sich für eine fünfte Amtszeit als Bürgermeister bewirbt. Seine letzte, daran besteht kein Zweifel.
Mancher fragt sich, wie die Karriere dieses Mannes wohl verlaufen wäre, hätte er im Herbst 2000 als Landrat kandidiert. Er hätte bloß Ja zu sagen brauchen, aber dann hätte er seiner großen Liebe absagen müssen: Iphofen, der Stadt, für die er unterwegs ist in München und Brüssel, Tage und Wochen im Jahr, um auf dem Laufenden zu bleiben und das Bestmögliche herauszuholen. Wenn es darum geht, Förderquellen für städtische Projekte anzuzapfen, erwacht in ihm der Pionier.
Die Familie gibt ihm Halt: Ehefrau Maria, die erwachsenen Kinder Julia und Matthias. Im Sommer belohnt er sich mit ein paar Tagen Urlaub in der so heiß geliebten Toskana, im Winter geht es zum Holzhacken in den Wald, abgeschieden, allein, Zeit, um runterzukommen, zu sich selbst zu finden. Sein sonniges Gemüt, sein schier unerschütterlicher Optimismus haben ihn über manche Schwelle getragen.
Wenn es um sein Lebensmotto geht, zitiert er gern den französischen Moralisten Joseph Joubert (†1824): Denke beratend an die Vergangenheit, genießend an die Gegenwart und handelnd an die Zukunft. Am heutigen Donnerstag wird Josef Mend 60 Jahre alt.