
Kürzlich kam Julie Kunstler, Enkelin des in Brünnau geborenen Moritz Künstler, mit ihrem Ehemann aus Kalifornien zu Besuch nach Deutschland.
Anlass der Reise war die Verlegung von Stolpersteinen in Nürnberg für den Großvater Moritz Künstler (Jg. 1876) und seine Frau Juliane, geb. Cahn (Jg. 1882). Die beiden wohnten schon vor dem 1. Weltkrieg in Nürnberg, wo Moritz Künstler Mitinhaber eines renommierten Bekleidungsgeschäftes war. Ihre Kinder Annemarie (Jg. 1918) und Peter Justin (Jg. 1919) konnten noch rechtzeitig nach England bzw. USA emigrieren, was den Großeltern trotz intensiver Bemühungen nicht gelang. Sie wurden am 24. März 1942 von Nürnberg – mit einem Transport, der übrigens von Kitzingen ausging - nach Izbica bei Lublin in Ostpolen deportiert und sind dort bzw. in einem der benachbarten Vernichtungslager ermordet worden.
Julie Kunstler ist die Tochter des 1992 in Cleveland gestorbenen Peter Justin Kunstler, der nach der Einbürgerung in die USA statt "Künstler" den Familiennamen "Kunstler" trug. Schon in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts war sie mit ihrem Vater in Deutschland und hat die Stätten der Familienvergangenheit besucht. Diesmal wurde sie von ihrem Ehemann Nathan Silberman begleitet - der aus Rumänien stammt und ein Überlebender des Holocaust ist.
Auf dem sehr straffen Reiseprogramm stand zunächst Prichsenstadt, wo sich der Arbeitskreis "Stolpersteine – Erinnern und Gedenken" des Vereins Alt Prichsenstadt e. V. um die Gäste kümmerte, u. a. mit einer Stadtführung "auf den Spuren ehemaligen jüdischen Lebens". Dann wurde Brünnau - der Geburtsort des Großvaters - aufgesucht, wo bis 1930 noch die beiden Großonkel Hirsch und Isaak Künstler lebten.
Anschließend fand ein Besuch auf dem Israelitischen Friedhof in Gerolzhofen statt. Evamaria Bräuer führte dort zu den Gräbern von Vorfahren und Verwandten, nach jüdischer Sitte legten die Gäste dort – statt Blumen – kleine Steine zur Erinnerung nieder.
Die weiteren Stationen der Gäste aus Kalifornien bei ihrer Reise "in die Vergangenheit" waren dann Rothenburg o. d. T., Michelbach a. d. L., Nürnberg und Bendorf bei Koblenz, wo Julies Großmutter Juliane Cahn geboren wurde.
Von: Wolf-Dieter Gutsch (Sprecher des Arbeitskreises "Stolpersteine - Erinnern und Gedenken", Verein Alt Prichsenstadt e. V.)
