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KITZINGEN
Auf dem Heimweg fast 50 Wahlplakate „einkassiert“
Thüringens Innenminister Geibert zu NPD-Verbot       -  Die Zerstörung von Wahlplakaten – auch wenn einem die politische Aussage nicht passt – ist ein Straftatbestand. Das bekamen jetzt drei junge Leute aus dem Landkreis zu spüren, die sich vor dem Kitzinger Jugendrichter zu verantworten hatten.
Foto: Hendrik Schmidt/dpa | Die Zerstörung von Wahlplakaten – auch wenn einem die politische Aussage nicht passt – ist ein Straftatbestand.
Frank Weichhan
 |  aktualisiert: 07.04.2020 11:35 Uhr

Es ist ein lustiger Abend Ende August vergangenen Jahres. Zwei 18-jährige Frauen und ein 21-jähriger Mann aus dem Landkreis Kitzingen vergnügen sich in einem Würzburger Nachtclub. Auf dem Heimweg mit dem Auto stechen dem Trio dann Wahlplakate für die anstehende Bundestagswahl ins Auge – vor allem die der AfD. Man diskutiert zunächst über die politischen Zielsetzungen und regt sich auch über die eine oder andere politische Aussage auf. Dann kommt das Trio auf eine scheinbar tolle Idee: Es fängt an, die Plakate abzureißen.

Das Ganze läuft trotz der Diskussion nicht auf der politischen Ebene ab – sondern muss wohl eher unter Partynachwirkung verbucht werden. Weil viele Plakate ziemlich weit oben hängen, wird die Aktion schnell so etwas wie eine sportliche Herausforderung: Ist es zu schaffen, an die Wahlwerbung an den Laternen heranzukommen? Das Trio machte die Räuberleiter, fotografierte sich dabei.

Alles landet im Kofferraum

Die jungen Leute lassen kaum eines der ungeliebten Plakate aus: Zwischen Würzburg, Rottendorf und Kitzingen werden 43 AfD-Plakate sowie vier Plakate der NPD „einkassiert“. Und weil man die Beute „aus Umweltschutzgründen“ nicht einfach an Ort und Stelle liegen lassen will, landen die Plakate fein säuberlich im Kofferraum.

In Kitzingen ist dann abrupt Ende mit der nächtlichen Abriss-Aktion: Die jungen Leuten geraten in eine Polizeikontrolle. Als die Beamten das Warndreieck sehen wollen, folgt die Überraschung: Der Kofferraum quillt über mit abgerissenen Plakaten. Als es dann zur Anzeigenaufnahme in die Polizeiinspektion geht, schwant den Nachtschwärmern langsam, dass es sich mit dem Spaß hat und die Ebene des Dummejungenstreichs verlassen ist.

Reumütig vor Gericht

Vor dem Kitzinger Jugendrichter geben sich die drei Angeklagten am Dienstagmorgen reumütig. Die Sache habe sich an dem Abend „hochgeschaukelt“. Man sei sich der Tragweite nicht bewusst gewesen. Nach dem ersten Plakat habe es kein Halten mehr gegeben. Die Welt schien plötzlich voller böser Wahlwerbung: Da noch ein Plakat und dort noch eins.

In Rottendorf wird gleich die ganze Hauptstraße abgeräumt. Plötzlich steht nur noch eine Frage im Mittelpunkt: „Kommen wir an die Plakate heran?“ Das sei schlichtweg „jugendlicher Blödsinn“ gewesen. Um die politische Ausrichtung sei es dabei – wenn überhaupt – nur noch nebenbei gegangen.

Nach dem mehrstündigen Aufenthalt bei der Polizei setzen sich die jungen Leute – inzwischen geläutert – an den Computer und schreiben beide Parteien an: Man entschuldigt sich und verspricht finanzielle Wiedergutmachung. Was dann auch umgehend passiert: Als Schadensersatz werden 200 Euro überwiesen, außerdem müssen noch saftige Anwaltskosten der AfD übernommen werden.

„Große Dummheit“

Dass ihre Aktion „mit Demokratieverständnis nichts zu tun habe“, dürfen sich die drei Angeklagten vom Gericht anhören – wobei die Belehrung eifriges Nicken nach sich zieht. Samt eines Hinweises: Falls es Wahlen geben sollte und demnächst wieder überall Plakate hängen, werde man die „große Dummheit“ nicht noch einmal wiederholen.

Dass man dies auch glauben kann, bestätigte das Jugendamt, das von einer „situativen Gruppentat“ spricht. In dem Bericht wird den beiden Frauen – die vom Alter her noch als Heranwachsende angeklagt sind – ein durch und durch gutes Zeugnis ausgestellt. Beide sind sozial engagiert und auf einem guten Weg. Was letztlich auch für den jungen Mann gilt: Dem Auszubildenden merkt man regelrecht an, dass er sich für den missglückten Abend schämt.

Jugendrichter Wolfgang Hülle muss nach der positiven Sozialprognose nicht lange überlegen: Bei allen drei Angeklagten wird das Verfahren gegen Auflagen eingestellt. Die beiden Frauen müssen jeweils 30 Stunden soziale Hilfsdienste leisten. Bei dem Auszubildenden wird für den plakativen Heimweg ein Monatslohn von 700 Euro fällig.

Bei Wahlen – hier ein Bild aus dem März 2014 in Kitzingen – versuchen die Parteien auch mit Plakaten zu überzeugen. Sie zu zerstören, ist eine Straftat, wie jetzt drei junge Leute vor dem Kitzinger Jugendrichter erfahren mussten. Archiv-
Foto: Sebelka | Bei Wahlen – hier ein Bild aus dem März 2014 in Kitzingen – versuchen die Parteien auch mit Plakaten zu überzeugen.
 
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