Fast jeder in Kitzingen kennt sie. Andrea Schmidt aus der Siedlung ist nicht nur seit vielen Jahren Stadträtin, sondern mit Leib und Seele für „ihren“ Stadtteil und seine rund 5000 Bewohner aktiv. Umso überraschender mutete gestern Früh ihr plötzlicher Rücktritt als Referentin für das Siedlungs-Großprojekt „Soziale Stadt“ und die Stadtteilförderung an. Was war am Abend zuvor in der nichtöffentlichen Stadtratssitzung passiert?
Hörbar bewegt, teilte Andrea Schmidt der Presse mit, dass sie ihr Amt als Stadtteilreferentin zur Verfügung stellt. Warum? Allzu viel sagte sie zur Begründung nicht. Nur das: „Das Vorgehen der Verwaltung ist für mich untragbar geworden.“ Auf „zwischenmenschlicher Ebene“ sei so viel passiert, dass sie einfach einen Schlussstrich ziehen müsse – auch, um sich selbst zu schützen. Es habe zwar auch in der Verwaltung einige Leute gegeben, die sie stets geradlinig und fair begleitet haben. „Aber von oben war das eben nicht der Fall.“
Wen sie konkret meint, ließ die ödp-Stadträtin offen. Ihr Schwager, Oberbürgermeister Siegfried Müller (UsW), hatte gestern einen freien Tag, war aber per Handy zu erreichen. Viel sagte jedoch auch er nicht. „Personalsachen sind nichtöffentlich.“
Im Lauf des Tages kristallisierte sich schließlich heraus, dass es am Vorabend im nichtöffentlichen Sitzungsteil zu einer folgenschweren Abstimmung gekommen war. Es ging darum, wie die Stelle des Quartiersmanagers für den Stadtteil Siedlung neu besetzt werden soll.
Mit Raik Berger verlässt schon der dritte Leiter des Quartiersbüros die Stadt nach nur relativ kurzer Zeit. Der Personalausschuss hatte sich bereits eine Nachfolgerin für ihn ausgeguckt; sie hatte sich eigentlich auf eine andere Stelle beworben, käme aber möglicherweise auch als „Siedlungsbeauftragte“ in Frage.
Andrea Schmidt, die die jeweiligen Quartiersmanager seit Anbeginn begleitet und das Büro auch während mehrmonatiger Vakanzen zumindest eingeschränkt offen hielt, war mit dieser Vorgehensweise nicht einverstanden. Sie plädierte für eine „richtige“ Ausschreibung der Stelle. Die Diskussion im Rat schaukelte sich hoch. Am Ende warf die 52-Jährige den Hut selbst in den Ring und bot an, die Stelle so lange auszufüllen, bis sie über eine Ausschreibung neu besetzt werden kann. Bei der folgenden Abstimmung im Rat unterlag ihr Vorschlag jedoch.
Nicht nur deswegen trete sie zurück, betonte Andrea Schmidt gestern, „sondern weil das Maß einfach irgendwann voll ist“. Sie fühle sich im Prozess der Nachbesetzung des Quartiersmanagers übergangen und von Anfang an nicht richtig eingebunden. „Richtige Wertschätzung sieht anders aus.“ Menschlich sei „mittlerweile ganz viel kaputt“.
„Ein Riesenverlust“
So richtig kommentieren wollte das gestern niemand, zumindest nicht öffentlich. Siegfried Müllers erster Stellvertreter, Bürgermeister Stefan Güntner (CSU), erfuhr erst durch den Presseanruf vom Rücktritt und sprach spontan von einem „Riesenverlust“. Schmidt sei „höchst engagiert“ und es sei sehr bedauerlich, wenn sie ihr Referat nun niederlege. Auf ihr Argument der „fehlenden Wertschätzung“ angesprochen, meinte Güntner, dass wohl ein längerer Prozess zu ihrer Entscheidung geführt habe. „Ich kann nur für mich sprechen und sagen, dass ich selbst Frau Schmidt immer sehr wertgeschätzt habe.“
Großes Lob für die Arbeit der Siedlerin klang auch bei vielen anderen Ratskollegen durch. Und auch Bauamtsleiter Oliver Graumann zollte Andrea Schmidt Respekt: „Ohne sie gäbe es viele Einzelprojekte in der Siedlung nicht und auch das Stadtteilzentrum wäre nicht in der Form umgesetzt worden. Ganz ehrlich: Wenn sie ihr Amt wirklich niederlegt, dann bedauere ich das sehr.“
Ihr Rücktritt stehe fest, erklärte Andrea Schmidt. „Einerseits bin ich freilich traurig, vor allem, weil es einen für alle gangbaren Weg gegeben hätte, wenn der Oberbürgermeister das gewollt hätte.“ Andererseits sei es richtig und wichtig, ein Zeichen zu setzen, dass man „nicht alles mit mir machen kann“. Sie fühle sich diesbezüglich „wie befreit“ – und sicher werde sie auch weiter für die Siedlung da sein, zum Beispiel als Vorsitzende des Siedlerbundes und „aktive Bürgerin“.