Die Frau im metallic-braunen Kleinbus fährt an, stoppt wieder, rollt ein Stück zurück, nimmt erneut Anlauf und bremst wieder ab. So geht das einige Male, der Wagen schaukelt und schiebt sich im nächsten Augenblick über die Kreuzung der Bundesstraße 8 bei Iphofen. Es ist ein täglich zu beobachtendes Schauspiel, das vor allem zu Stoßzeiten zur subtilen Nerven- und Geduldsprobe gerät: Wenn der Verkehrsstrom morgens, mittags und abends anschwillt, fährt bei einigen die Angst mit. „Es gibt Leute, die die Kreuzung meiden“, sagt Iphofens Bürgermeister Josef Mend. Die Leute, von denen er spricht, entziehen sich auf Umwegen dem wallenden Strom, der für sie kanalisiert gehört – durch eine Ampel, besser noch durch einen Kreisverkehr.
Schnurgerade Strecke
Eine Kreuzung zu überqueren gilt als hochkomplexe Sache. Der Fahrer erhält binnen Sekundenbruchteilen eine Fülle an Reizen und Informationen, die er bewerten und verarbeiten muss. Jeder Fehler kann fatale Folgen haben. Mehr als jeder dritte Verkehrsunfall in Deutschland, bei dem Menschen verletzt werden, geschieht an Kreuzungen; häufigste Unfallursache mit Verletzten oder Toten sind Kollisionen beim Abbiegen oder Kreuzen. Die B 8 bei Iphofen ist für Autofahrer so etwas wie eine Illusion. Die Strecke verläuft schnurgerade, die Leute glauben alles zu überblicken und wiegen sich in Sicherheit. Sie unterschätzen die Gefahr, die dort lauert, die sich ihnen aus allen Richtungen nähert, von oben, von links und von rechts.
Es gab in den achtziger Jahren mal ein Computerspiel, bei dem Frösche eine Autobahn überqueren mussten. Mit steigendem Level wurde der Verkehr immer dichter, irgendwann war es schier unmöglich, über die Straße zu kommen. Jetzt fühlt sich mancher wieder an das Spiel von damals erinnert, wenn er die Kreuzung überqueren soll – nur dass das eben kein Spiel ist, sondern täglicher Ernst, auch für Iphofens Bürgermeister. Seitdem die Stadtverwaltung ihren Stammsitz am Marktplatz wegen Umbaus verlassen und im alten Bahnhof Quartier bezogen hat, muss Josef Mend mehrmals am Tag die Kreuzung überqueren. „Es gibt ständig gefährliche Momente“, hat er festgestellt. Riskante Manöver, von keiner amtlichen Statistik erfasst. „Bei Nebel fährt man da im Blindflug drüber.“ Im Blindflug? „Ja, man fühlt sich rüber.“
Harald Hufnagel kennt die Tücken und Gefahren der Kreuzung. Sie lässt ihn nicht los als „Sachbearbeiter Verkehr“ der Polizei in Kitzingen und als Mitglied der Unfallkommission. Seit Jahren kracht es fast regelmäßig, seit diesem Jahr gilt der Bereich wieder als Unfallschwerpunkt: Acht Unfälle hat es dort in den ersten elf Monaten dieses Jahres gegeben: vier durch Verletzung der Vorfahrt, drei durch Auffahren, einen durch fehlerhaftes Abbiegen. Acht Menschen wurden verletzt, keiner von ihnen schwer. Seit einiger Zeit ist die Geschwindigkeit an dieser Stelle auf 70 km/h limitiert, doch der erhoffte Effekt, die Unfallzahlen signifikant zu reduzieren, ist nicht eingetreten.
Kritische Stelle seit 1984
Und nun, was tun? „Die verkehrsrechtlichen Maßnahmen sind so gut wie ausgereizt“, sagt Hufnagel. Er will deshalb der Unfallkommission „vorschlagen, dass bauliche Maßnahmen getroffen werden“. Das klingt sperrig, heißt aber nichts anderes, als dass die Verkehrsströme entweder durch eine Ampel oder durch einen Kreisverkehr gebändigt werden sollen. Der Polizeihauptkommissar Hufnagel ist zu sehr Diplomat, als dass er sich darauf festnageln ließe, welche der zwei Optionen er für sinnvoller hielte. „Auf dieses Glatteis“, sagt er, „werde ich mich nicht begeben.“ Immerhin sagt er in diesem Gespräch noch, er erachte die Kreuzung bei Iphofen deshalb als so gefährlich, weil sie überlastet sei vom Verkehr.
Das ist dann doch eine ganze Menge, verglichen mit dem, was Michael Fuchs dazu sagt. Der „Bereichsleiter Straßenbau“ des Staatlichen Bauamts in Würzburg sieht zwar vereinzelt die Leidensfähigkeit der Autofahrer, aber „die Leistungsfähigkeit der Kreuzung noch nicht überschritten“. Seit 1984 gibt es die kritische Schnittstelle. Sie würde heute anders gebaut: versetzt, mit nur noch drei zusammentreffenden Hauptsträngen. Aber nun ist sie, wie sie ist – und Bürgermeister Mend weiß: 30 Jahre sind nichts in der Zeitrechnung einer Straßenbaubehörde. „Es gibt keinen Grund“, sagt anfangs auch der Bauamts-Bereichsleiter, „die Kreuzung umzubauen.“ Keine halbe Stunde später sieht die Sache schon anders aus.
Fuchs ist nun bereit, gleich zu Beginn des neuen Jahres einen Ortstermin der Unfallkommission einzuberufen, die mit Experten seiner Behörde, des Landratsamts und der Polizei besetzt ist. Fuchs will sich dabei nicht mehr dagegen sperren, dass die Kreuzung „baulich umgestaltet“ wird, wie er erklärt. Nach dem ersten Anruf der Main-Post hat der staatliche Straßenbauer noch einmal mit der Polizei in Kitzingen telefoniert und von Harald Hufnagel die neuen Unfallzahlen bekommen, alarmierende Zahlen. „Wir werden relativ schnell handeln“, sagt Fuchs nun.
Ist das der von vielen Autofahrern erhoffte Weg aus der Sackgasse? Grünes Licht für den Kreisverkehr also? Fuchs will das weder bestätigen noch dementieren, so wenig, wie er sich zu einer Ampel äußert, die ja schon einmal an dieser Stelle im Gespräch war und dann wieder in der Versenkung verschwand. Mend ist zuversichtlich, den Kreisverkehr ins Rollen zu bringen. „Rational betrachtet, müsste das Projekt durchzusetzen sein, weil alle Kriterien dafür sprechen.“ Alle? Der Bürgermeister zieht tatsächlich noch einen letzten Trumpf aus dem Ärmel. Einen Trumpf, mit dem er in diesem Poker den entscheidenden Stich machen will.
200 Parkplätze am Bahnhof
Mend faltet auf dem Tisch im Ratssaal einen Plan auf, und plötzlich erscheint das „Unternehmen Kreisverkehr“ in einem ganz neuen Licht, lediglich als Teil eines ganzen Projekts. Die Stadt Iphofen stellt am Bahnhof gerade die Weichen für die Zukunft. Mehr als 200 Parkplätze in unmittelbarer Nähe zu den Gleisen hat sie gebaut, jetzt soll ein Drehkreuz für Busse entstehen mit Wendehammer und Haltebuchten. „Wenn wir den Bahnhaltepunkt attraktiv machen wollen, brauchen wir die zügige Anbindung der Busse an die Bahn“, sagt der Bürgermeister. Ein Kreisverkehr auf der B 8 wäre dabei förderlich, eine Ampel hinderlich.
Mend weiß einen starken Verbündeten auf seiner Seite – die Bahn. Sie steht hinter den Plänen, weil es auch um die Barrierefreiheit am Bahnsteig geht. „Ich hoffe, durch die Notwendigkeit des Busverkehrs wächst beim Bauamt die Einsicht für einen Kreisverkehr.“ Dessen Vertreter weiß noch nichts von seinem Glück, weil Mend noch ein Gutachten abwartet, das bis Anfang kommenden Jahres vorliegen soll und mit dem er dann zu Michael Fuchs gehen will. „Wir werden“, sagt der Mann vom Amt, „mögliche Wünsche der Stadt betrachten.“ Das ist im Moment schon eine ganze Menge für Iphofen.
Um es klar zu sagen: eine Verwaltung hat kein eigenes Entscheidungsrecht. Sie hat die Gesetze, etc auszuführen. Punkt. Das Recht der Entscheidung ist infolge der Gewaltenteilung an die Parlamente, Stadt-, Gemeinderäte, etc. delegiert. Es wird Zeit, daß die dafür vom Volk bezahlten Politiker wie Landrat, Bürgermeister, etc. der Verwaltung endlich deren Aufgabe klar macht und die Presse es einsieht. Wäre dem gefolgt worden, gäbe es in Iphofen jetzt ein Unterführung und kein Angst des Autofahrers bei der B8 Q