
Der begeisterte Motorradfahrer Dieter Ludwig, der mit seiner Maschine schon fast alle europäischen Länder erforschte, hat nach seinem 50. Geburtstag eine völlig andere Sehnsucht entdeckt. Eine Sehnsucht, die den 54 Jahre alten Angestellten der Stadt Dettelbach komplett in seinen Bann zieht: Das Renovieren eines uralten Hauses mit viel Platz im Hinterhof im Ortskern von Dettelbach. Eine Lebenskrise in der Mitte des Lebens? "Nein"!, antwortet er entschieden, "das war schon lange ein Traum, der in meinem Inneren schlummerte".
Der gelernte Gas-und Wasserinstallateur ist seit Jahrzehnten bei der Stadt Dettelbach in der Abteilung Wasser tätig, "und kommt hier auch viel herum" . Ein altes landwirtschaftliches Anwesen, im Ortskern gegenüber der Hornschen Spitalstiftung, hat es ihm angetan. Lange Zeit ist er immer wieder dorthin gegangen und hat sich umgeschaut. Das Mitte des 19. Jahrhundert erbaute Haus in der Dr.-Matthias-Horn-Straße schaut zur Straßenfront hin noch sehr gut aus. Doch Blicke in den Hinterhof ließen nichts Gutes erwarten. "Etwa zehn Jahre war das Haus unbewohnt, was die Sache natürlich nicht besser machte", erinnert sich Ludwig. Im Sommer 2013 dann der entscheidende Moment: "Sein Haus" stand auf einer Immobilienseite im Internet.
Brüchige Fenster und Unkraut ohne Ende
Es folgten lange Gespräche mit seiner Lebenspartnerin Susanne Baur und dann die offizielle Besichtigung. "Die Gebäudesubstanz war nach hinten hin schon ziemlich angegriffen. Der Putz bröckelte großflächig ab, Fenster und Türen waren brüchig und die Natur tobte sich im Hofbereich richtig aus: Unkraut ohne Ende." So lauteten die ersten Feststellungen der Beiden.
Im Inneren zeigen Spuren, dass das Haus schon lange nicht mehr geheizt war. Mehrere kleine Räume, manchmal nicht größer als 12 bis 13 Quadratmeter, beherrschen das Bild. Eine marode Holztreppe führt in die zwei Obergeschosse. "In dem vorausgegangenen Jahrhundert wohnten viele Personen in den Häuserzeilen nahe der Stadtmauer. Großfamilien. Von der Uroma bis zu den Kleinsten. Deswegen wurden kleine Zimmer errichtet, damit möglichst viele einen Raum für sich hatten", wissen die neuen Hausherren.
Das Leben änderte sich jetzt für die Beiden: Jede freie Minute wurde in dem Haus verbracht, das nach und nach einer Großbaustelle glich. Den Urlaub nahm man sich gemeinsam, um gemeinsam die schwierigen Arbeiten zu meistern. "Lui" - so wird Ludwig von allen genannt-, "ist ein Alleskönner" so seine Partnerin stolz. "Alle handwerklichen Fachrichtungen beherrscht er hervorragend." Die beiden nehmen sich Zeit für den Umbau. Sie wissen, dass es Jahre dauern kann. Sie haben keinen Terminstress, da sie in ihrer ursprünglichen Wohnung bleiben können, so lange es erforderlich ist. Fast alles machen sie alleine. Hilfe von Freunden kommt, wenn etwas zu schwer wird.

Der Hauseingang wird nach hinten verlegt - "zum ehemaligen Schweinestall hin". Sämtlicher Putz wird nach und nach abgeklopft. Auch an den Decken, die auf massiven Holzbalken errichtet waren. Teilweise gab es in dem Haus sogenannte "Fehlböden" in den Decken. Die Balkenzwischenräume waren mit Stroh und Lehm ausgefüllt und das musste sauber abgetragen werden. Susanne Baur graust es noch: "Da haben wir fast versteinerte Mäuse gefunden, die Jahrhunderte alt waren. Die hätte man auf den Schwanz stellen können !"
Der Schweinestall ist jetzt das Entree für das Haus. Beim Verputzen hat Lui an den Wänden zum Teil noch das alte Mauerwerk belassen. "Als Zeuge der alten Zeit." Von dort geht es direkt in das Erdgeschoss, wo sich ein großer Wohnraum und die Küche befindet. Der Wohnraum bestand früher aus drei kleinen Zimmern, mit Minitüren. Alle Zwischenwände wurden vorsichtig abtragen. Hierbei kam auch ein Fachwerk zum Vorschein, dessen ursprüngliche Öffnungen mit Firstziegeln ausgemauert waren.

Ludwig weiß es noch genau: "Die Ziegel waren aufeinandergestellt. Die Rundungen immer ineinander. Dazwischen die Speis als Bindemittel." Das Fachwerk ist heute der absolute Blickfang in dem großen Wohnzimmer.
Alle Räume haben zwischen Decke und Wand eine sogenannte Hohlkehle. "Früher hat man den Putz mit einer Weinflasche angedrückt, um so eine Rundung an der Decke zu bekommen. Das war dazu gedacht, dass die Luft besser zirkuliert und die Wärme im Raum bleibt." An einer Wand zum ehemaligen Schweinestall ist eine fenstergroße Öffnung ausgespart. Der Hausherr hat in Erfahrung gebracht, dass dadurch die Wärme aus dem Stall in das Haus kam. "Die Viecher haben ja Wärme abgegeben. Da hat man einfach ein Wandloch geschlagen, wo die warme Luft reinkonnte."

Ein großes Geheimnis hütet das Haus noch: Im riesigen Kellergewölbe ist im Mauerwerk ein zugemauertes Loch von knapp ein mal einen Meter zu erkennen, das mit völlig verrosteten Eisenstäben gesichert ist. "Ich habe mit Freunden schon von allen Seiten her gesucht, was da hinter der meterdicken Mauer sein kann. Ich weiß es nicht" sagt Dieter Ludwig. Er konnte mit Susanne Baur nach zwei Jahren Umbauzeit in das liebevoll hergerichtete Schmuckstück einziehen. Und auf die Schatzsuche im Kellergewölbe will er sich demnächst machen.