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SEGNITZ
Als eine Fahnenweihe noch ein Dorffest war
Turnrat, Bürgermeister und Gemeinderat mit Ehrendamen anlässlich der Fahnenweihe des Turnvereins Segnitz am 17. Juni 1906. In der zweiten Reihe Mitte unter der Fahne Christof Siebert, der Vereinsgründer.
Foto: Archiv Norbert Bischoff | Turnrat, Bürgermeister und Gemeinderat mit Ehrendamen anlässlich der Fahnenweihe des Turnvereins Segnitz am 17. Juni 1906. In der zweiten Reihe Mitte unter der Fahne Christof Siebert, der Vereinsgründer.
Norbert Bischoff
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:07 Uhr

Neben dem 110. Gründungsjubiläum des Radler- und Zimmerstutzen-Clubs gäbe es heuer in Segnitz noch einen weiteren Grund zum Feiern: Die Weihe der Turnvereinsfahne jährt sich ebenfalls zum 110. Male. Allerdings ist auch hier das Geburtstagskind nicht mehr ganz greifbar. Das Tuch musste nämlich im Jahr 1921, nunmehr auch schon vor 95 Jahren, ersetzt werden, nachdem man sich das gute alte Stück hatte stehlen lassen. Im Original erhalten ist aber wenigstens noch der Fahnenmast.

„Erst nach Mitternacht leerte sich der durch elektrische Glühlampen prächtig erhellte Festplatz.“
Marktbreiter Anzeiger vom 18. Juni 1906

Der Beschluss zur Anschaffung einer Vereinsfahne fasste der Segnitzer Turnrat bereits im Jahr 1905. Aus reiner Seide sollte sie sein, nebst Seidenfransen und Quasten mit einer zweiteiligen Stange und feiner Lanzenspitze sowie mit weiterem Zubehör. Die Hannoversch-Mündener Fahnenfabrik verlangte hierfür 192,50 Mark. Das Fahnenband für den Patenverein kostete 18,50 Mark und die Erinnerungsbänder für die Gastvereine schlugen mit 19 Mark zu Buche. Diese Beträge, für die eigens eine Fahnenkasse angelegt worden war, mussten aus Spenden der Mitglieder und durch ein Bankdarlehen aufgebracht werden.

Als Tag der festlichen Fahnenweihe verbunden mit einem volkstümlichen Wettturnen wurde der 17. Juni 1906 festgelegt. Man wählte einen Festausschuss und die Fahnenträger, verpflichtete eine Musikkapelle, stellte die Ehrendamen auf und bestimmte den Platz oberhalb der Brücke als Festgelände.

Der Zeitungsartikel im Marktbreiter Anzeiger vom 18. Juni 1906 macht deutlich, wie und mit welchem Geist man seinerzeit derartige Anlässe feierte. 22 Vereine mit 450 Mann waren der Einladung des Turnvereins gefolgt. Viele Teilnehmer trafen bereits am Tag vorher im reich dekorierten Segnitz ein. Der Festtag begann um 5 Uhr mit dem obligatorischen „Turnerweckruf“ durch die Kapelle Krug. Um 7 Uhr begann für die 82 Athleten der Wettkampf, bestehend aus den Disziplinen Hochsprung, Steinstoßen und Wettlauf. Hier sicherte sich am Ende der Segnitzer Konrad Krackhardt den Ehrenpreis.

Die eigentliche Fahnenweihe begann um 11 Uhr. Unter Begleitung der geladenen Vereine wurde die noch verhüllte Fahne beim Vereinsvorsitzenden Michael Stark abgeholt und von den Ehrendamen zum Festplatz gebracht. Dort vollzog sich nun das Festprotokoll mit Reden, Musikstücken, Liedvorträgen des Gesangvereins und mit dem Weiheprolog, den „Fräulein Kreß in deutlich vernehmbarer Stimme zum Vortrage brachte“. Nach der Weiherede durch den Ingenieur Kämmer aus Würzburg schritt man zur Enthüllung der Fahne. „Die Turner auffordernd, an ihrer Fahne jederzeit festzuhalten brachte der Festredner auf das fernere Blühen und Gedeihen des Turnvereins Segnitz ein dreifaches Gut Heil aus.“ Nach weiteren Turnergrüßen und vielen guten Wünschen, wobei man auch „Se. Königliche Hoheit dem Prinzregenten“ mit einem „dreifachen Hoch“ und mit der Königshymne bedachte, „wurde die Fahne in das Gasthaus Zum Schiff verbracht, wo das Mittagsmahl stattfand“.

Am Nachmittag formierte sich der Festzug durch Segnitz mit dem Ziel Festplatz an der Segnitzer Brücke. Dort sprach „nach Abwicklung einiger Musikpiecen Fräulein Lena Furkel den Festprolog“. Der Turnverein Marktbreit als Patenverein überreichte ein „prächtig gesticktes“ Fahnenband und erhielt dafür das „Patenband“ des Turnvereins Segnitz, das „Fräulein Mark sodann unter kurzer Ansprache an die Fahne des TV Marktbreit heftete.“ Die Festrede hielt der gastgebende Vorstand und „gedachte in derselben hauptsächlich der Entstehung und Entwicklung des deutschen Turnwesens und brachte ein Gut Heil auf die gesamte deutsche Turnerschaft aus.“ Nach weiteren Grußworten und ausgebrachten „Toasts“ verteilten die Ehrendamen die Erinnerungsbänder an die Vereine. Dann herrschte auf dem Festplatz reges Leben. „Erst nach Mitternacht leerte sich der durch elektrische Glühlampen prächtig erhellte Festplatz.“

Die erste Turnvereinsfahne wurde in Segnitz gerade mal 15 Jahre alt. Der Vereinskassier schrieb am 29. Mai 1921 in das Kassabuch: „Für Neuanschaffung der gestohlenen Fahne 104 Reichsmark.“ Die neue Fahne musste im Jahr 1960 einer gründlichen Restauration unterzogen werden. Warum sie seitdem das Jahr 1907 als Weihedatum trägt, bleibt wohl für immer ein Geheimnis.

 
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