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RÜDENHAUSEN
Als die Bürger zum Schießen gingen
Timo Lechner
Timo Lechner
 |  aktualisiert: 27.04.2023 00:58 Uhr

Nach dem Kirchgang einen Schuss abgeben, und am Kirchweih-Dienstag zum Bürgerschießen ausziehen – das war in einigen Gemeinden des Landkreises Kitzingen, aber auch in Sommerhausen, Königsberg in Bayern, Oberschwarzach und Bad Mergentheim jahrhundertelang ein fester Brauch. Geblieben sind der Bürgerauszug und viele Erinnerungen an die Traditionen der Bürgerwehren. Die hat Karl Graf zu Castell-Rüdenhausen jetzt in einem Buch zusammengetragen. „Mit Gehrock und Zylinder“ heißt das 160 Seiten starke Werk, das der Journalist mit dem Dettelbacher Röll-Verlag vorlegt.

„Die Gepflogenheiten und Sitten eines Bürgerauszuges aufzuschreiben war mir eine Herzensangelegenheit, denn so nahe die Ortschaften beieinander liegen, so unterschiedlich sind doch teilweise ihre Bräuche“, sagt Castell-Rüdenhausen. Das Ausrücken der Bürgerwehren hänge immer mit der örtlichen Kirchweih zusammen. Für viele Männer ist der Kirchweih-Dienstag deshalb ein besonderer Tag.

Als „Tag des Herren“ ging er in die Geschichte weniger Ortschaften ein, in denen es auch ein Adelshaus gab und gibt: Castell, Wiesenbronn, Markt Einersheim, Wiesentheid und Rüdenhausen pflegen die Sitte des Bürgerschießens beispielsweise noch heute.

Eine Besonderheit gibt es in der Heimat von Castell-Rüdenhausen. Sein Vater Siegfried Fürst zu Castell-Rüdenhausen war jahrelang Präsident des Bayerischen Jagdverbands gewesen und konnte alte Wilderer-Gewehre für seine Rüdenhäuser sichern. Mit denen ziehen die Bürger des Ortes zum Teil heute noch aus. Vom Fürsten gespendet wurde in der Regel auch ein Fass Wein und eine kleine Brotzeit. Autoren aus jedem der fünf im Buch beschriebenen Orte haben die Geschichte ihrer Bürgerwehr aufgeschrieben und die Bräuche geschildert. Das soll aber keine reine historische Schau sein. „Nicht nur die Unterschiede möchte ich aufzeigen, sondern der jetzigen und den kommenden Generationen den Ursprung der Bürgerwehren näher bringen“, erklärt der Autor sein Ziel. Es gehe darum zu erläutern, wie aus einer ehemaligen Pflichtübung im Lauf der Jahrhunderte ein fröhliches Preisschießen wurde.

Traditionen zu erhalten, sei für kommende Generationen immer eine Herausforderung. „Wenn die Jugend keine Lust mehr hat, schläft auch diese schöne Sitte ein“, sagt der Rüdenhäuser. Dass die Traditionen jedoch komplett aussterben, befürchte er nicht. „Im Gegenteil. Es macht Freude zu beobachten, wie jedes Jahr neue junge Männer daran teilnehmen. Kaum ein Tag schweißt die Dorfgemeinschaft so zusammen wie dieser.“

Eingegangen wird auch auf die „schwierigen Jahre“ für diese Traditionen, in den Kriegsjahren des vergangenen Jahrhunderts ruhte der Brauch. Nach dem Krieg war es nicht einfach, die Männer dazu zu bewegen, mit dem Gewehr in der Hand ins „Manöver zu ziehen“. Klein hat man wieder angefangen. Heute sind die Bürgerauszüge Publikumsmagneten.

Wohl wissend, dass einige Schützenvereine ursprünglich aus den Bürgerwehren entstanden, wurden diese im Buch nicht bedacht. Es wäre einfach zuviel geworden. Dafür sollen Fotografien an frühere Zeiten erinnern und neue Bilder das Spektakel in den Gemeinden aufzeigen. Alte Schriften und Urkunden aus den Archiven erzählen aus der Geschichte, Anekdoten tragen zur Erheiterung bei.

Erhältlich ist das Buch für 39,90 Euro beim Dettelbacher Röll-Verlag sowie unter www.castell-ruedenhausen.de

 
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