Sechs Stunden Zeitverschiebung sind es von ihrer unterfränkischen Heimat Sulzfeld (Lkr. Kitzingen) nach Tampa in Florida, wo Katharina Conlan (43) seit fünf Jahren mit Mann und den Kindern Jonas (15) und Lani (12) lebt. Dort findet am Sonntagabend der 55. Superbowl statt. Beim Endspiel um die Meisterschaft im American Football treffen die Kansas City Chiefs auf die Heimmannschaft der Tampa Bay Buccaneers (Deutsch: Piraten). Damit könnte zum ersten Mal in der Geschichte des Superbowls eine Mannschaft den Titel im eigenen Stadion gewinnen.
Entsprechend groß ist die Aufregung in Tampa, einer Stadt an der Bucht Tampa Bay mit rund 400 000 Einwohnern. Viele setzen ihre Hoffnung auf "TB²": Tom Brady in Tampa Bay. Erst seit einem Jahr spielt der Quarterback-Star für die Bucs, Travis Conlan (45) kennt ihn vom College in Michigan. Seine Frau Katha hat er 2002 kennengelernt, als er als Basketball-Profi bei den Frankfurt Skyliners spielte. Beim Videotelefonat erzählen beide von einer Hochsicherheitszone rund ums Stadion, riesigen Yachten im Hafen und wie Corona sich auf das Großereignis Superbowl auswirkt.
Katha Conlan: Es ist verrückt, selbst die Toiletten für den Bereich um das Stadion wurden mit Polizeisirenen angeliefert und seit Tagen fliegen die Helikopter über uns. Wir wohnen rund fünf Kilometer vom Stadion entfernt und die Hauptverkehrsstraßen in dessen Nähe sind alle gesperrt aus Angst vor terroristischen Anschlägen. Aber es sind auch überall Zelte aufgebaut, in denen man Sachen kaufen und Football üben kann. Und am Abend werden die Bomber der Air Force für die Flugshow genau über unser Haus donnern.
Travis Conlan: Doch, ohne Corona wären ja noch viel mehr Leute hier. Ins Stadion lassen sie nur 25000 Leute, normalerweise hätten 75 000 reingepasst. 7500 davon sind Mitarbeiter von Krankenhäusern, die bereits geimpft sind und sonst wurde ausgelost, wer rein darf.
Katha: Eine Freundin von uns hätte vier Karten kaufen können, für 50 000 Dollar. Irre!
Katha: Wir waren am Samstag am Yachthafen, da war die Hölle los. Dort stehen jetzt 100-Meter-Schiffe der Superreichen. Auch die Geschäfte und Restaurants haben alle geöffnet, wenn auch mit Abstandregelungen und man muss bis zum Platz eine Maske tragen. So wie es zu Hause in Franken zwischendurch auch war. Insgesamt gehen hier alle entspannter mit der Pandemie um. Zudem haben die Menschen oft keine Wahl: Wenn sie nicht arbeiten gehen, bekommen sie keinen Lohn. Das ist ganz anders als in Deutschland.
Travis: Und den Superbowl hätten sie sowieso nie abgesagt, da geht es um viel zu viel Geld. Und wenn sie in einem komplett leeren Stadion gespielt hätten. Aber 30 Sekunden Werbung während des Spiels kosten über fünf Millionen Dollar, das Geld brauchen die Clubs.
Katha: Wir sind erst bei Freunden eingeladen, zum sogenannten Tailgating. Das ist Party vorm Spiel: Man trifft sich, isst massenhaft Chickenwings und trinkt Bier. Später schauen wir mit einer befreundeten Familie das Spiel bei uns zu Hause.
Katha: (lacht) Ich geb's zu, auf die Halbzeitshow. Da tritt "The Weeknd" auf. Zudem gibt es Gerüchte, dass Ariana Grande und Daft Punk als Überraschungsgäste dazukommen. Und Lani schaut mit ihren Freundinnen den Puppy Bowl, das ist ein Footballspiel für Hundewelpen. Kein Scherz, das schauen über drei Millionen Leute an.
Travis: Ich bin schon sehr gespannt auf das Spiel. Kaum einer hat anfangs daran geglaubt, dass Tampa es tatsächlich ins Endspiel schaffen könnte, auch ich nicht, trotz Quarterback-Legende Tom Brady. Wir waren Freunde am College, da wir beide an der University of Michigan studiert haben, er war eine Klasse unter mir. Sein damaliger Mitbewohner Brian Griese ist heute noch ein guter Freund von uns und kommt wahrscheinlich vorbei, wenn er mit der Superbowl-Moderation für Australien und Neuseeland fertig ist. Als Tom 2002 erstmals mit den New England Patriots den Superbowl gewann, besuchte ich ihn in Boston und wir gingen zusammen feiern. Damals wollte er lieber nicht in den VIP-Raum, da fühlte er sich fehl am Platz, wir blieben an der Bar sitzen. Surreal, wie das heute ist. Wenn sich nach dem Superbowl die Hysterie gelegt hat, geh ich mal zum Trainingszentrum, um Hallo zu ihm zu sagen.
Travis: Es wird wirklich hart, die Chiefs zu besiegen. Tampa spielt in der Form ja erst seit diesem Jahr zusammen. Neben Brady ist ja auch noch der "Gronk", Rob Gronkowski, diese Saison zum Team gekommen. Geld setzen würde ich vermutlich eher auf die Chiefs, aber Tom Brady hat so viel Spielerfahrung, das kann den Unterschied machen. Außerdem soll es am Sonntag vielleicht regnen, das ist gut für uns als weniger talentiertes Team (lacht).
Katha: Enorm! Die flippen hier alle aus wegen ihm. Vor der Präsidentenwahl gab's hier sogar ein Plakat, auf dem stand: "Wer interessiert sich schon für Trump oder Biden, wir wählen Brady und Gronkowski. Und sogar der Pirat als Maskottchen der Bucs, der überall draufgedruckt wird, sieht inzwischen aus wie Tom Brady.
Hinweis: Redakteurin Barbara Herrmann ist die Cousine von Katha Conlan, darum duzen sich die Beteiligten des Interviews.