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Wiesentheid
246 Kilometer in 36 Stunden: Vom Sieg über den eigenen Körper und der Lust auf ein alkoholfreies Bier
Marika Heinlein träumt vom 10. Zieleinlauf beim Spartathlon. Bevor die Wiesentheiderin beim Ultramarathon antritt, erzählt sie von Schlaflosigkeit und Fress-Flashs.
Ein Moment zum Füße-Küssen: Marika Heinlein berührt überglücklich die Zehen der Leonidas-Statue im Ziel in Sparta. Neunmal zählte die Wiesentheiderin schon Finishern des 246 Kilometer langen Spartathlons.
Foto: Bruno Heinlein | Ein Moment zum Füße-Küssen: Marika Heinlein berührt überglücklich die Zehen der Leonidas-Statue im Ziel in Sparta. Neunmal zählte die Wiesentheiderin schon Finishern des 246 Kilometer langen Spartathlons.
Diana Fuchs
 |  aktualisiert: 20.08.2024 02:45 Uhr

Ein Drittel kommt im Ziel an. Zwei Drittel brechen vorher ab. Jahr für Jahr im September bringt der Spartathlon selbst ausgebuffte Langstreckenläufer an ihre Grenzen. 246 Kilometer in 36 Stunden sind zu bewältigen. Von Athen geht es bis nach Sparta, zwischendrin ist der Berg Sangas zu überwinden – ein ständiges Auf und Ab für den Körper, eine Achterbahnfahrt für den Geist. Die 61-jährige Buchhändlerin Marika Heinlein aus Wiesentheid startet heuer zum 17. Mal in Griechenland.

Ihr Mann Bruno – ebenfalls leidenschaftlicher Läufer – begleitet sie als Betreuer. Neunmal hat die 1,60 Meter große und 47 Kilo leichte Athletin den Ultramarathon zu Ende gebracht. Wird sie das zum zehnten Mal schaffen?

Marika Heinlein berichtet von unglaublichen Glücksgefühlen beim Zieleinlauf in Sparta. 
Foto: B. Heinlein | Marika Heinlein berichtet von unglaublichen Glücksgefühlen beim Zieleinlauf in Sparta. 
Frage: 246 Kilometer über Stock und Stein, bei Tag und Nacht ohne echte Pause  – warum tut man sich das an?

Marika Heinlein:  Wegen der letzten 100 Meter bis ins Ziel! Dieses Gefühl, wenn du diese historische Strecke bewältigst und auf die Leonidas-Statue zuläufst, ist unbeschreiblich. Da hast du Gänsehaut, könntest vor Glück heulen. Es ist der Sieg über den eigenen Körper.

Inwiefern?

Marika: Während des Laufs kann viel passieren. Kälte, Hitze, wilde Hunde, Dunkelheit, Schmerzen. Manchmal ist einem so schlecht, dass man sich übergeben muss. Dann sagt der Kopf: Hör' doch auf! Aber wenn man nicht auf ihn hört, geht es doch weiter.

Nicht immer geht es beim Spartathlon durch idyllische Landschaft. Manchmal sind die Läufer auch an Straßenrändern unterwegs. Vorne im Bild: Marika Heinlein.
Foto: B. Heinlein | Nicht immer geht es beim Spartathlon durch idyllische Landschaft. Manchmal sind die Läufer auch an Straßenrändern unterwegs. Vorne im Bild: Marika Heinlein.
Und wenn die Schmerzen überhandnehmen?

Marika: Beim ersten Mal habe ich gedacht, ich sterbe. Auf allen Vieren bin ich bei Nacht auf den Berg Sangas raufgekrochen. Da kam von hinten Richard Brown angetrabt – den kannte ich vom 48-Stunden-Lauf – und rief: 'You're right, honey!' Endlich oben, bekam ich Schiss: Vom Gipfel aus scheint es, als würde der Pfad ins Nichts abfallen. Da habe ich das erste Mal im Leben so richtig gebetet. Und an Mama Friedl gedacht, die mich einmal so angefeuert hat: 'Mach' mir bloß nicht schlapp! Du muss doch nur laufen!'

Marika und Bruno Heinlein zelebrieren auf dem 1200 Meter hohen Berg Sangas ein Ritual: Sie zünden eine Kerze in der Bergkapelle an.  Die Läuferinnen und Läufer müssen ihn später bei Dunkelheit bezwingen.
Foto: Bruno Heinlein | Marika und Bruno Heinlein zelebrieren auf dem 1200 Meter hohen Berg Sangas ein Ritual: Sie zünden eine Kerze in der Bergkapelle an.  Die Läuferinnen und Läufer müssen ihn später bei Dunkelheit bezwingen.
Nur laufen – egal, was kommt!

Marika: 2018 kam ein Hurrikan auf. 13 Kilometer vor dem Ziel hätte es mich fast von der Straße geweht. Aus Sicherheitsgründen habe ich deshalb aufgegeben. Ein anderes Mal hat mein Kreislauf versagt, da bin ich bei Kilometer 60 umgefallen.

Der Berg Sangas hat es in sich. Hier kämpft sich Ultraläuferin Marika Heinlein auf den Gipfel.
Foto: Bruno Heinlein | Der Berg Sangas hat es in sich. Hier kämpft sich Ultraläuferin Marika Heinlein auf den Gipfel.
Worauf freuen Sie sich – neben dem Zieleinlauf – am meisten?

Marika: Ich freue mich sehr aufs Wiedersehen mit Freunden aus Norwegen und Frankreich…

Bruno: …und aufs griechische Essen!

Marika: (lacht) Darauf freu' ich mich erst in den Tagen nach dem Lauf – da kommen dann meine Fress-Flashs. Vorher kriege ich nicht viel runter und während des Laufs gibt es zwar alle fünf Kilometer eine Verpflegungsstation, aber meistens ist mir auch da nur nach Flüssigkeit: Wasser, Kaffee, Kamillentee – und manchmal hab' ich total Lust auf ein alkoholfreies Bier!

Im Ziel wartet Bruno Heinlein mit einem Gläschen Sekt auf seine Marika.
Foto: Heinlein | Im Ziel wartet Bruno Heinlein mit einem Gläschen Sekt auf seine Marika.
Hat man als Weltmeisterin im 48-Stunden-Lauf – diesen Titel errangen sie im Juni in Ihrer Altersklasse – eigentlich ausgesorgt?

Bruno Heinlein: (lacht) Schön wär’s. Die Wahrheit ist: Kein Schwein interessiert’s.

Marika: Mit sportlichen Leistungen Geld verdienen – das funktioniert in manchen Sportarten nicht. Der Start beim Spartathlon kostet mich 950 Euro und für Bruno als Betreuer nochmal die gleiche Summe. Das ist okay, dafür wird man im Hotel verpflegt und super betreut.

Nervös sind Sie vor so einem Lauf nicht mehr, oder?

Marika: O doch! Die Nacht davor wache ich jede halbe Stunde auf. Es fühlt sich an wie Prüfungsangst und wird mit zunehmendem Alter eher schlimmer als besser.

Mittagspause vor ihrer Hofbuchhandlung in Wiesentheid: Marika Heinlein isst grüne Götterspeise. Die Gelüste der Spartathlon-Läuferin wechseln, während eines Extremlaufs mag sie auch gerne mal ein alkoholfreies Bier. Ihr Mann und Lauf-Betreuer Bruno Heinlein grinst.
Foto: Diana Fuchs | Mittagspause vor ihrer Hofbuchhandlung in Wiesentheid: Marika Heinlein isst grüne Götterspeise. Die Gelüste der Spartathlon-Läuferin wechseln, während eines Extremlaufs mag sie auch gerne mal ein alkoholfreies Bier.
Könnte man die Strecke irgendwie abkürzen – sprich: betrügen?

Marika: Nein. Jeder kriegt einen Transponder, die Organisatoren wissen immer, wo man gerade ist. Unterschreitet man an den Stationen ein Zeitlimit, ist man raus. Für mich ist das manchmal nervenaufreibend, denn ich nehme nie eine Uhr mit – da ständig draufzuschauen, würde mich nämlich richtig stressen.

Haben Sie das Laufen schon immer geliebt?

Marika: Überhaupt nicht! Ich war Mitte 30, als ich auf einem Feldweg bei Geesdorf mit einer Freundin zum ersten Mal joggen wollte. Nach 500 Metern haben wir beschlossen: Nichts für uns! Erst als Bruno einige Zeit später für den Schwanberglauf trainiert hat, habe ich es nochmal probiert. Drei Wochen später habe ich spontan am Residenzlauf in Würzburg teilgenommen – und wurde Letzte. Aber ich war total geflasht! Ich hab' gemerkt: Lange Strecken sind meins. 2006 wurde ich Deutsche Meisterin im 24-Stunden-Lauf. 2007 habe ich den ersten Spartathlon absolviert, ein Jahr später wurde ich dabei in 31,39 Stunden Dritte in der Frauenwertung.

Ehrung im Ziel: Neunmal hat Marika Heinlein den 246 Kilometer langen Spartathlon in Griechenland bereits erfolgreich – das heißt, in weniger als 36 Stunden – absolviert. Hier ein Foto von der Siegerehrung 2016.
Foto: Bruno Heinlein | Ehrung im Ziel: Neunmal hat Marika Heinlein den 246 Kilometer langen Spartathlon in Griechenland bereits erfolgreich – das heißt, in weniger als 36 Stunden – absolviert. Hier ein Foto von der Siegerehrung 2016.
Wie kommt man zum Spartathlon-Laufen?

Bruno: Vor vielen Jahren hat eine Freundin uns erzählt, ihr Freund fliegt jedes Jahr im September nach Griechenland, um beim Spartathlon zu laufen. Damals haben wir gesagt, der spinnt. Dann sind wir selbst mal hin – und jetzt spinnen wir auch.

Ultralauf

Marika Heinlein am Ziel des Spartathlons: zu Füßen der Leonidas-Statue.
Foto: (Archiv) Spartathlon Association | Marika Heinlein am Ziel des Spartathlons: zu Füßen der Leonidas-Statue.
Marika Heinlein: Geboren 1962 in Wilhelmshaven, wuchs Marika Heinlein in Sulzfeld und Marktbreit auf. Nach Gymnasium und Fachoberschule absolvierte sie beim Kitzinger Högner-Verlag eine Lehre zur Buchhändlerin. 1999 eröffnete sie mit ihrem Mann Bruno ihre eigene Hofbuchhandlung in Wiesentheid. Mit 37 Jahren lief sie 1999 in Köln ihren ersten Marathon. 2007 wurde sie Teil des Deutschen Nationalteams. Sie zählt zu den weltweit ausdauerndsten Langstreckenläuferinnen.
Der Spartathlon:  Innerhalb von 36 Stunden müssen die Spartathleten 264 Kilometer von Athen nach Sparta zurücklegen. 75 Kontrollpunkte müssen zu bestimmten Zeiten erreicht sein. Schaffen die Läufer das nicht, scheiden sie aus. Der Startschuss heuer fällt am Samstag, 28. September, um 7 Uhr an der Akropolis. 
Quelle: ldk
 
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