Ein Hinterzimmer in Mainbernheim. Das Strafgesetzbuch liegt auf dem Biertisch. Die schwarzen Roben sitzen. Der Prozess kann beginnen. Der Staatsanwalt erhebt sich und rammt dabei fast den Tischkicker. 14 junge Leute, alle Mitte 20, sind an diesem Samstag Anfang Dezember 2008 im Landkreis Kitzingen zu einem Rollenspiel zusammengekommen. Mit einem gemeinsamen Ziel: Sie wollen lernen, wie genau eine Gerichtsverhandlung funktioniert. Wer sitzt wo? Worauf ist zu achten? Wie verteidigt man sich? Wie ist das mit dem letzten Wort? Auftreten und Argumentieren im Gerichtssaal mit dem Tischkicker in Reichweite: Justiz-Wissen als Schnellkurs.
Motorsense im Einsatz
Was da geprobt wird, hängt mit einem Vorfall zusammen, der sich ein halbes Jahr zuvor einige Kilometer entfernt abspielte. Es war am letzten Juni-Wochenende, als ein - schon länger - verbissen geführter Kampf seinem Höhepunkt entgegen strebte. Das Kitzinger Land war ein bundesweiter Hotspot für den Anbau von Genmais. Kaum ein Landstrich, auf dem sich mehr Genmais-Versuchsfelder fanden. Über 100 Hektar sollen es gewesen sein - und damit der größte Feldversuch weit und breit.
Das blieb nicht ohne Gegenwehr. Beschränkte sich der Widerstand zunächst überwiegend auf Mahnwachen und Demos, tauchten zunehmend Meldungen wie diese auf: „Genmais-Feld komplett zerstört“. Es erwischte Versuchspflanzungen des Saatgut-Konzerns Monsanto in Düllstadt. Immer wieder musste die Polizei wegen Zerstörungen in Genmais-Anpflanzungen ermitteln. In Großlangheim beispielsweise machten Unbekannte gleich zwei Hektar mit einer Motorsense nieder. Die Botschaft war klar: Nicht mit uns!
Höhepunkt der Auseinandersetzungen sollte ein Acker in dem Biebelrieder Ortsteil Westheim werden. Aktivisten der bundesweiten Organisation "Gendreck-weg" hatten sich ein bewachtes Genmais-Feld ausgeguckt, um es an einem Sonntagmorgen kurz nach 6 Uhr aus einem Wald heraus zu stürmen und die Genmais-Pflanzen kaputt zu machen. Wobei dies aus Sicht der Ökoaktivisten weniger eine Zerstörung denn eine "Feldbefreiung" war, die vorher öffentlichkeitswirksam angekündigt wurde. Vorbereitet hatte man sich darauf ebenfalls in Seminaren. Modul eins: Die Polizei narren, um auf die Felder zu gelangen. Modul zwei: Widerstandslos verhaften und wegtragen lassen, wenn einen die Polizei dann doch erwischt hat.
Prozesstraining für den Ernstfall
56 Festnahmen gab es an dem Morgen auf den erstürmten Feldern. Es folgten Ermittlungsverfahren wegen Sachbeschädigung und Hausfriedensbruchs, die schließlich Geldstrafen in Form von Strafbefehlen nach sich zogen. Doch in aller Stille die Geldstrafe zahlen - jeweils um die 20 bis 40 Tagessätze und damit im unteren Bereich - wollte die Mehrheit der damaligen "Feldbefreier" nicht. Vielmehr soll der Gerichtssaal genutzt werden, um erneut auf die Gefahren genmanipulierter Lebensmittel hinzuweisen. Und so rollte eine Prozess-Lawine mit rund 30 Verfahren auf das Kitzinger Amtsgericht zu. Nicht jedoch, ohne vorher in dem Mainbernheimer Hinterzimmer ein wenig Prozess-Training für das gemacht zu haben, was sich später über Monate im Sitzungssaal 102 in Kitzingen abspielen sollte.
Die Justiz arbeitete ab dem Sommer 2009 sachlich die Übergriffe ab. Auf den erstürmten Feldern, auf denen gentechnisch manipulierter Mais MON 810 wuchs, hielt sich der Schaden mit 900 Euro in Grenzen. Die Angeklagten nutzten wie eingeübt die Bühne, sprachen vom großen Ganzen, von zivilem Ungehorsam und davon, dass ihrer Meinung nach Gentechnik-Firmen wie Monsanto auf die Anklagebank gehörten. Am Ende waren es gut zehn Verhandlungen mit rund 30 Angeklagten, die alle verurteilt wurden.
Mitunter setzten die Angeklagten ihre Ausrufezeichen so laut, dass schon mal der Sitzungssaal geräumt und der eine oder andere Platzverweis ausgesprochen werden musste. Und eines unschönen Morgens war zudem die Fassade des Amtsgerichts großflächig verschmiert. Der Schaden von 2000 Euro stand sinnbildlich für die Heftigkeit des Kampfes, den die Genmais-Gegner bereit waren zu führen. Und es blieb jederzeit öffentlichkeitswirksam: Einmal wurde der Kitzinger Marktplatz zum Gerichtssaal, als von einem Bulldog-Anhänger herunter erneut eine Gerichtsverhandlung nachgestellt wurde - Schauprozess wurde hier wörtlich genommen.
Aus Überzeugung ins Gefängnis
Einer der Akteure ging dafür sogar ins Gefängnis: Während die meisten in Kitzingen Verurteilten am Ende ihre Geldstrafen doch bezahlten, weigerte sich ein 34-jähriger Berliner beharrlich. Die Folge: Der Mann saß seine 45 Tagessätze nun 45 Tage lang ab.
Der Rest der Geschichte ist schnell erzählt: Vor gut zehn Jahren verbot die damalige Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner den Anbau des Genmais MON 810 in Deutschland – auf den Feldern zog wieder Ruhe ein. Gentechnisch veränderte Raps-, Weizen- und Kartoffelsorten auf den Feldern im Landkreis Kitzingen – für viele eine Horrorvorstellung, die sie auf die Barrikaden gehen ließ.
Und das, was nicht zuletzt auch in einem Mainbernheimer Hinterzimmer seinen Anfang nahm, endete schließlich im Kitzinger Kreistag mit einem klaren Signal: Der bundesdeutsche Gentechnik-Hotspot nennt sich seither nicht ohne Stolz "Gentechnikfreier Landkreis Kitzingen“.
ob das hier gezeigte Foto rechtlich zu beanstanden ist ?! Jedenfalls sieht man, wie eine Person auf den Hosenboden durch zwei Polizeibeamte durchs einen Maisacker
gezogen wird. Die damaligen Umstände gaben das ? vielleicht her.
Gerade das letzte WE in Stuttgart und zum Teil "weltweit..... siehe USA, führen jedoch sicherlich zu erheblichen Falschinterpretionen. Das ist zur Eindämmung von Vorur-teilen nicht hilfreich. Meine ich ........ !