
Für spontane Aktionen sind die CSUler nicht zu haben. Das hat Barbara Becker schon gelernt: Den Auszug der AfD aus dem Landtag bei der Holocaust-Gedenkrede von Charlotte Knobloch hätte Becker gern mit einer Gegen-Aktion gekontert. Aber auf die Schnelle ließ sich kein Parteimitglied dazu bewegen – vielleicht das nächste Mal.
Gerade mal 100 Tage ist Barbara Becker aus Wiesenbronn Mitglied des Landtags und vertritt dort den Stimmkreis Kitzingen. Im Plenarsaal sitzt sie normalerweise in der letzten Reihe des CSU-Blocks. Doch gilt jetzt eine neue Regel: Wenn die Platzhirsche der eigenen Partei vorne fehlen, dürfen die Hinterbänkler aufrücken. Das sieht im Fernsehen besser aus, und außerdem kommt jeder so einmal in den Genuss der vorderen Plätze.
Ein Anfang mit Ehrfurcht und Gänsehaut
Beckers erste Zeit im Landtag ist von Ehrfurcht und Gänsehautgefühl geprägt. Noch hat sie ihre Jungfernrede nicht gehalten. Die ist erst fällig, wenn ein Thema ihrer beiden Ausschüsse – Umwelt und Gesundheit – an die Reihe kommt, für das sie dann die CSU-Expertin wäre. Trotz ihrer Redeerfahrung als Unternehmensberaterin räumt sie ein: Beim ersten Mal wäre sie nervös: "Sicher, ich will es ja gut machen." Wichtig erscheint ihr, kurz zu reden, das Essenzielle auf den Punkt zu bringen.
Das Plenum findet sie trotz mancher Schaufensterreden beeindruckend, "weil die Unterschiede in den Ansichten der Parteien herausgearbeitet werden". Für Becker wird dort Demokratie spürbar. Geradezu euphorisch spricht sie von den ersten Erfahrungen in der CSU-Fraktion. Dort herrsche großes Engagement, exzellente Sitzungsleitung, viel Disziplin. "Großes Kino", findet Becker.

"Echt beglückt" war sie von der CSU-Klausur in Kloster Banz. Dort habe sie gespürt, dass die Landtagsfraktion die "Herzkammer" der CSU sei: Dort würden die Themen vorangebracht und zwar in einer "Mischung aus Druckbetankung und Schullandheimaufenthalt". Will heißen: Ein straffes Arbeitsprogramm wechselte sich ab mit intensiver Zeit zum Kennenzulernen. Dieses Mal hatte die CSU Arno Kompatscher, den Landeshauptmann Südtirols, geladen. Beckers Kommentar dazu: "Wir dürfen uns nicht mit den anderen Bundesländern vergleichen – klar sind wir da die Besten. Wir müssen uns mit den Leitregionen der Welt messen: Singapur, Südtirol, Norwegen." Gerade Südtirol und Franken seien beim Thema Tourismus gegenseitig Vorbilder.
Vom FCB-Direktor für Kommunikation, Stefan Mennerich, hat die CSU auf Kloster Banz gehört: "Man darf nie vergessen, wo man herkommt und muss sich doch immer weiter entwickeln." Die CSU fragt sich: Wie kommen wir an junge Leute? Beckers Einschätzung: "Wir erreichen gut die Köpfe, müssen aber auch die Herzen erreichen." Und dazu brauche es neue Formate. Die Abgeordnete hat nichts gegen politische Vorträge in Gasthaus-Hinterzimmern, aber sie will auch jungen und weiblichen Mitgliedern Foren bieten, die damit nichts anfangen können. Mehr Leichtigkeit, mehr Dialog.
Mit Protagonisten wie Barbara Becker will die CSU weiblicher werden. Was sagt die neue MdL zur Frauenquote im Landtag? "Da geht noch mehr! Auch in der Partei!" Dagegen sei die Ministerriege in dieser Hinsicht "toll".
Werbung für die CSU und für Unterfranken machen
Aber Becker möchte nicht nur für die CSU werben. Mit anderen Abgeordneten aus der Region will sie Themen aus der Heimat in München durchbringen. Deshalb hat sie ein "Unterfranken-Treffen" mit Patrick Friedl und Kerstin Celina (Grüne) sowie Volkmar Halbleib (SPD) geplant – aber ohne Christian Klingen (AfD). Obwohl sie sich in einem Ausschuss gegenüber sitzen, hält Becker zu ihm Distanz. "Es muss mir nicht gefallen, dass die AfD im Landtag sitzt, aber ich muss es respektieren."

Die AfD-Reaktion auf die Holocaust-Gedenktag-Rede von Charlotte Knobloch fand Becker "total kalkuliert". Für den Auszug der von Knobloch kritisierten AfD-Abgeordneten hat sie kein Verständnis: "Der Landtag ist kein Ponyhof; Demokratie lebt von unterschiedlichen Ansichten. Und wer immer davonläuft, der kann doch keine Politik machen." Auch die CSU müsse immer wieder Kritik einstecken. Becker: "Ich finde es ärgerlich, wenn man sich wegduckt."
Wie erlebt sie die Unterschiede in der bayerischen Politik: Land – Stadt, Franken – Oberbayern? "Die CSU muss den Laden zusammenhalten", sagt sie mit Blick aufs große Ganze. Die Freien Wähler würden klar auf den ländlichen Raum setzen, die SPD dagegen die Städte vertreten. In der CSU sieht Becker die letzte verbliebene Volkspartei, die für alle eine Klammer bilden müsse.
In ihrem Stimmkreis ist die neue Landtagsabgeordnete noch auf Vorstellungstour. Viele Themen werden an sie herangetragen: Muschelkalkabbau im Bereich Frickenhausen/Segnitz, Ausbau und Erhalt des ÖPNV, Reaktivierung der Mainschleifenbahn oder der neue Einschulungsstichtag. Auch einzelne Bürger fragen an, wenn es um Baugenehmigungen, Schulgeldfreiheit oder den Mobilfunkausbau geht. Nicht zu allem hat Becker schon eine feste Meinung und nicht immer kann sie helfen: "Ich bin keine Klagemauer, keine Wünscheerfüllerin, sondern Partnerin auf Augenhöhe. Wir wollen, dass die Leute zur Lösung beitragen. Wer kritisiert, hat meist auch eine Idee, wie es anders sein könnte." Ansprechbar ist sie fast immer: Ihre Festnetz- und Handynummer stehen im Telefonbuch.
Wie sieht ihre Arbeitswoche aus? "Ich stehe um 6 Uhr auf und falle um Mitternacht ins Bett. –Dazwischen ist eigentlich alles Politik." Sechs Tage lang. Als Selbstständige habe sie auch keine 40-Stunden-Woche gehabt. Außerdem weiß sie, dass sie jetzt besonders Gas geben muss, auch wenn sie sagt: "Das kann ich nicht 15 Jahre so durchhalten." Becker hat gelernt, flexibler zu sein. Früher war sie einen Tag bei ihren Kunden. Heute wechseln Themen und Personen im Stunden-Takt. Als Freizeit bleiben: zwei Stunden Sport in der Woche, eine Singstunde im Monat und gelegentlich ein Glas Silvaner bei ihren "Familienkonferenzen". Apropos: Mann und die 18 und 20 Jahre alten Kinder spielen gut mit. Die Kinder besonders, die ihr "kritische und förderliche Rückmeldungen geben – ein Geschenk".
Immer noch gern im Landkreis zu Hause

Becker will sich zeitgleich immer fünf Kernprojekte vornehmen, an denen sie intensiv arbeitet. Aktuelle Themen: Sie will helfen, ein Zentrum "Bildung für nachhaltige Entwicklung" aufzubauen –entweder auf dem Schwanberg oder in Marktsteft. Ihren Favoriten will sie noch nicht verraten. Becker wünscht sich auch, dass die Mainschleifenbahn reaktiviert wird. Bei der Steigerwaldbahn sammelt sie noch Informationen. Sie hat noch keine eigene Meinung. "Ich hätte eine Riesensympathie dafür, wenn's gelänge, aber nicht um jeden Preis", wägt sie ab. "Man kann nicht gleichzeitig einen Bauplatz, ein Biotop und eine Bahnlinie aus demselben Quadratmeter machen." Schließlich würde sie gern ein Klimaforschungsinstitut im Raum Kitzingen ansiedeln. Dafür sei der in vieler Hinsicht einmalige Landkreis geeignet.
Im fernen München hat Becker derweil ihren Lieblingsplatz gefunden: den Vorraum zur Tiefgarage im Landtag. Das historische Kreuzgewölbe mit dem Grundstein des Maximilianeums erinnere sie beim Durchschreiten an eine Kirche. "Ich habe jeden Tag kindliche Freude und Ehrfurcht, dass ich im Landtag sein darf", gibt Becker zu. Und selbst alte Hasen hätten ihr gesagt, dass es ihnen noch immer so gehe.
Aber dennoch bleibt München nur Mittel zum Zweck: "Ich bin ein Landkind und hänge sehr an meiner Region", sagt Becker. Freiwillig in der Landeshauptstadt leben würde sie nie: "Auf keinen Fall!"
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