Vor genau hundert Jahren läuteten auf dem Wiesenbronner Kirchturm erstmals drei neu gegossene Stahlglocken. Sie ersetzten ein Bronzegeläute, von dem im Ersten Weltkrieg zwei Glocken beschlagnahmt und eingeschmolzen worden waren. War die Anschaffung von Stahlglocken zunächst umstritten, so zeigte sich keine 20 Jahre später ein entscheidender Vorteil: Bei der erneuten Beschlagnahme von Bronzeglocken für die Kriegsindustrie während des Zweiten Weltkriegs waren Stahlglocken uninteressant. Sie blieben auf dem Kirchturm. An diesem Wochenende feiert die Kirchengemeinde das Jubiläum ihrer Stahlglocken. Darüber informiert Kreisheimatpfleger Reinhard Hüßner in einer Pressemitteilung, der außerdem folgende Informationen entnommen sind.
Glocken sind im Spätmittelalter auf ländlichen Kirchtürmen eine Selbstverständlichkeit. In Wiesenbronn ist erstmals für 1482 eine Glocke nachgewiesen, die später als "große" Glocke bezeichnet wurde. Spätestens im 17. Jahrhundert bestand das Geläute aus zwei Glocken, seit 1745 aus drei. Die Glocken im Kirchturm dienten in erster Linie den liturgischen Bedürfnissen, regelten aber auch mit dem Morgen-, Mittag- und Abendläuten den Tageslauf der Einwohner. Der Glockendienst wurde regelmäßig dem Schulmeister übertragen. Für das "Zusammenschlagen" aller Glocken benötigtes Personal rekrutierte der Schulmeister aus der ihm anvertrauten älteren Schuljugend. Als 1910 der Mesnerdienst vom Schuldienst getrennt wurde, übertrug man den Läutdienst gesondert angestellten, ehrenamtlichen Mesnern. Auch diese hatten acht Läutbuben als Helfer im Einsatz. Seit der Etablierung eines elektrischen Geläutes 1969 genügten zwei Läutbuben. Der Grund für diese gravierende Änderung war lapidar: Weil ab dem Schuljahr 1969/70 die Schüler der Oberklassen in der Verbandsschule Kleinlangheim unterrichtet wurden, waren sie für die Läutdienste während der Schulzeit nicht mehr verfügbar. Heute wird das Geläute über eine App und Handy von Fritz Fröhlich vollautomatisch gesteuert.
Gießerei erfüllt ihren Vertrag nicht
Bereits kurz nach Kriegsende im Jahr 1918 hatten sich die Wiesenbronner um neue Glocken bemüht. Zunächst dachte man an die Anschaffung von zwei neuen Bronzeglocken zu der nicht beschlagnahmten aus dem Jahre 1745. Der Liefervertrag für zwei Glocken wurde am 1919 auf behördliche Empfehlung mit der Glockengießerei Radler und Söhne in Hildesheim unterzeichnet. Dieser Vertrag wurde jedoch nie erfüllt. Die Firma vertröstete die Kirchengemeinde jahrelang mit zig Ausreden, unter anderem wegen schlechter Witterung, wegen Streiks und wegen der wirtschaftlichen Notlage. Nach fast vier langen Jahren, Anfang 1923, waren die Wiesenbronner mit ihrer Geduld am Ende. Jetzt erhielt die Firma Schilling in Apolda den Zuschlag. Sie war es auch, die vorgeschlagen hatte, ein vollkommen neues Geläut aus Stahlglocken anzuschaffen und nahm die vorhandene Bronzeglocke in Zahlung. Keine sechs Monate später hingen die neuen Glocken auf dem Turm, rechtzeitig zum Kirchweihfest.
An diesem Wochenende gedenkt die Kirchengemeinde Wiesenbronn der Anschaffung ihres Glockengeläutes vor 100 Jahren und lädt zu folgenden Veranstaltungen ein. Am Donnerstag, 21. September, ist um 19 Uhr eine Kirchweihandacht in der Heilig-Kreuz-Kirche. Anschließend hält ab 19.30 Uhr Reinhard Hüßner einen Vortrag zum Glockenjubiläum. Am Sonntag, 24. September, findet um 9 Uhr der Festgottesdienst in der Heilig-Kreuz-Kirche statt. Um 11, 16.30 und 18 Uhr gibt es Führungen mit Besteigung des Kirchturms bis zur Glockenstube. Vom 21. September bis 1. Oktober gibt es darüber hinaus eine kleine Ausstellung von Dokumenten und Fotos in der Heilig-Kreuz -Kirche.